Kleine und große Kirchen Denkmale in Gefahr Februar 2017
Die Lutherkirche in Görlitz baucht Hilfe: Nässe in den Mauern hat dem historistischen Bau stark zugesetzt.
„Ein feste Burg ist unser Gott.“ So steht es über dem Hauptportal der mächtigen Lutherkirche in Görlitz geschrieben. Der ganze Sakralbau scheint, trutzig wie er ist, auf diesem Satz zu gründen. Entnommen ist er dem 46. Psalm des Alten Testaments, der durch das gleichnamige Lied Martin Luthers große Berühmtheit erlangte. Der Backsteinbau thront mit seinem massiven Mittelturm auf dem sogenannten Drachenfelsen und damit über den Dächern des Görlitzer Gründerzeitviertels. Bis heute wirkt er, so hatte es sich die Gemeinde bei der Grundsteinlegung erhofft, „fest und unerschütterlich“. Aber das Bild trügt – in den Mauern schlummert große Gefahr.
Errichtet wurde der kreuzförmige Zentralbau 1898–1901 nach Plänen des Architekten Arno Eugen Fritsche (1858–1939), der sich besonders auf dem Gebiet des evangelischen Kirchenbaus hervorgetan hat. Aus der Nähe von Görlitz stammend, arbeitete er nach seinem Studium in Berlin einige Jahre im Büro von Johannes Otzen und machte sich 1898 selbstständig.
Die Lutherkirche charakterisiert – wie für die Zeit und auch Fritsches Werk typisch – in freier Kombination eine Mischung aus mittelalterlichen Elementen. Während der Regentschaft Wilhelms II. wurde die Romanik als der deutsche Stil empfunden. In der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die Fritsche aus eigener Anschauung sehr gut kannte, ist dieses Ideal besonders gut nachvollziehbar. Gewiss hatte der Architekt bei seiner Planung auch viele Bauten von Otzen vor Augen, besonders die Friedhofskirche in Wuppertal-Elberfeld, an deren neuromanischen Formen mit monumentalem Vierungsturm er sich deutlich sichtbar orientierte. Gleichzeitig verweist die Wahl des Backsteins auf die brandenburgisch-preußische Tradition. Die Lutherkirche ist ein herausragendes Zeugnis dieser Baukunst. Die gesamte Außenfassade ist reich geschmückt: durch Friese, Bogenstaffeln, Terrakotten, Gesimse und Türmchen.
Knapp zehn Jahre ist es nun her, dass die Kirchengemeinde die Sanierung in Angriff nahm. Der historistische Bau befand sich in einem desolaten Erhaltungszustand. Über Jahre war Regenwasser durch die Fugen in das zweischalige Mauerwerk gedrungen, das aus einer Außenschicht hart gebrannter Vormauerziegel und einer dahinter liegenden Schicht weicherer Ziegel geringerer Qualität besteht. Wie ein Schwamm hatte die Innenschale die Feuchtigkeit aufgenommen. Nun sind die Mauern von oben bis unten durchnässt. An vielen Stellen hielt der Mörtel nicht mehr, Steine lösten sich und wurden zur Gefahr für Besucher. Weil das Wasser nach außen nicht diffundieren konnte, wölbte sich die Außenwand durch den Druck stellenweise vor. Es drohten sogar Probleme der Standsicherheit, die gerade noch rechtzeitig beseitigt werden konnten.
Von Sanierungsbeginn an mit dabei und treibende Kraft ist Margrit Kempgen. „Wer soll sich kümmern?“, fragte sich die Westfälin, die 1995 nach Görlitz zog und hier bis zu ihrer Pensionierung für die Evangelische Landeskirche arbeitete. „Die Innenstadtgemeinde von Görlitz hat kein Geld. Der Pfarrer, der sich um vier große Gotteshäuser und seine Gemeindemitglieder kümmern muss, keine Zeit.“ Mit Leidenschaft bringt sie, die vor Energie nur so sprüht, ihre Erfahrungen und Kenntnisse in das gewaltige Restaurierungsprojekt ein. Gemeinsam mit vielen Mitstreitern hat sie es inzwischen geschafft, dass an drei Gebäudeseiten die Sanierung abgeschlossen werden konnte. Das Verblendmauerwerk ist instand gesetzt und die Fenster sind – wo nötig – repariert.
„Es ist ein großes Glück, dass wir bei der Renovierung auf die Ziegelei zurückgreifen konnten, die schon bei der Errichtung der Kirche die Backsteine hergestellt hat. Wir haben sogar alte Formen gefunden“, erzählt Margrit Kempgen begeistert. Mehr als 1,4 Millionen Ziegel sollen damals benötigt worden sein. Ersetzt werden mussten bei der Restaurierung mehrere Tausend. Nicht allein ihre Menge machte die Arbeiten so teuer, sondern auch die aufwendige Herstellung der einzelnen Formsteine. 2,5 Millionen Euro sind inzwischen verbaut. Finanzielle Mittel dazu kamen vom Bund, vom Freistaat Sachsen, von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, der Görlitzer Altstadtstiftung und der evangelischen Innenstadtgemeinde selbst. So konnte bereits ein beachtlicher Weg bei der Rettung des Gebäudes zurückgelegt werden. Dringend benötigt wird nun Geld für den allerletzten Sanierungsabschnitt am Kirchenäußeren – für die Südseite – und für die Arbeiten am Innenraum. Dort künden viele Putzabplatzungen und Versalzungen von der über Jahrzehnte eingedrungenen Nässe.
Es ist eine festliche Atmosphäre, die einen empfängt, wenn man den Zentralraum betritt. Er ist ganz im Sinne der neuen Ideen um 1900 angelegt. Akustisch hervorragend konzipiert, ohne Sichtbarrieren und mit ausreichend Sitzgelegenheiten, auch auf den Emporen, setzte sich in diesem Sakralbau die Idee Martin Luthers einer Kirche als Predigt- und Versammlungshaus fort. Bis heute ist er kaum verändert, und das macht den Raum mit seiner malerischen und figürlichen Ausgestaltung in üppiger Farbenpracht besonders wertvoll. Seine reiche Ausstattung zeugt davon, wie wohlhabend die Gemeinde zur Erbauungszeit war.
Heute ist die Gegend um den Lutherplatz ein sozialer Brennpunkt. Pfarrer Dr. Hans-Wilhelm Pietz und die Mitarbeiter seiner Gemeinde versuchen auf vielfältige Art, die Menschen des Viertels aufzufangen und sich um ihr seelisches und leibliches Wohl zu kümmern. Gottesdienste, Konzerte, Kirchenkaffee, Suppenküche, Seniorenbetreuung und intensive Kinder- bzw. Jugendarbeit gehören zum Angebot, das Jung und Alt in die Kirche einlädt. Mit ihr ist das Viertel, das gleichzeitig mit dem Sakralbau entstand, verwurzelt. Sie gibt den dort lebenden Menschen Halt.
Für die Gemeinde mit ihren vielen bedürftigen Mitgliedern kann die
weitere Sanierung ihres Gotteshauses nur mit Hilfe zusätzlicher
Geldgeber bewältigt werden. 30.000 Euro sind es allein, die für die
Außensanierung fehlen. Auf das Gesamtvolumen hin gesehen, ist dies eine
kleine Summe, für eine Kirchengemeinde von 2.300 Mitgliedern alleine
nicht zu beschaffen. Bitte helfen Sie mit, das Äußere der Lutherkirche
im Laufe des Reformationsjahrs 2017 wiederherzustellen – ist sie doch,
passend dazu, der erste evangelische Kirchenneubau nach der Reformation
in Görlitz.
Amelie Seck
Informationen
Lutherplatz, 02826 Görlitz
Besichtigung nach Anmeldung über das Büro Offene Kirchen:
Tel. 03581 4287010, offene-kirchen@innenstadtgemeinde-goerlitz.info
Spendenaufruf
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz möchte die Restaurierung der Lutherkirche in Görlitz unterstützen. Wenn Sie mit Ihrer Spende dabei helfen wollen, bitten wir um eine Zuwendungauf folgendes Spendenkonto:
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Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
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