Interviews und Statements

Interview mit Dr. Wolfgang Illert

Die Zukunft von Brandenburgs Schlössern

Interview mit Dr. Wolfgang Illert, Geschäftsführer der Brandenburgischen Schlösser GmbH, die mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wertvolle Schlösser, Herrenhäuser und historische Gärten saniert.

Dr. Wolfgang Illert (M.) bei einer Besprechung mit Restauratoren in Schloss Altdöbern.  
Schloss Altdöbern, Dr. Illert © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Dr. Wolfgang Illert (M.) bei einer Besprechung mit Restauratoren in Schloss Altdöbern.

Mo: Herr Dr. Illert, Sie sind Geschäftsführender Vorstand der DSD und Geschäftsführer der Brandenburgischen Schlösser GmbH, kurz BSG, die 1992 gegründet wurde. In welcher Beziehung stehen die beiden Institutionen zueinander?

Dr. Wolfgang Illert: Die Brandenburgische Schlösser GmbH hatte ihr erstes Geschäftsjahr 1993. Sie wurde seinerzeit von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Land Brandenburg zu gleichen Teilen gegründet. Somit war sie eine Tochtergesellschaft der Stiftung und des Landes Brandenburg. Seit 2001 ist sie fast alleinige Tochter der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die seit dieser Zeit 95 Prozent der Anteile hält, das Land Brandenburg nur noch fünf Prozent.

Mo: Über 500 Schlösser und Herrenhäuser gibt es in Brandenburg. 10 Ensembles davon sind im Eigentum der BSG. Was ist ihre Aufgabe?

Dr. Wolfgang Illert: Die gemeinnützige Betriebsgesellschaft saniert, verwaltet und vermietet denkmalgeschützte Schlösser und Herrenhäuser im Land Brandenburg. Und sie steht Kommunen und Gemeinden als Dienstleister beratend zur Verfügung. Zehn Schlösser befinden sich im Eigentum der BSG. Die denkmalgeschützten Bauensembles waren ausnahmslos in einem solch katastrophalen Zustand, dass sie niemand übernehmen wollte. Damit drohten sie verlorenzugehen. Um sie zu retten, sprang die BSG ein.

Dabei geht sie folgendermaßen vor: Sie fängt mit ersten Notsicherungsmaßnahmen an, dann folgt der Schutz vor negativen Witterungseinflüssen. Danach stehen Baumaßnahmen an, die nutzungsunabhängig sind und auf der Basis denkmalpflegerischer Ansprüche durchgeführt werden. Sie sind die Grundlage dafür, dass das Denkmal langfristig erhalten bleibt. Der letzte Schritt sind die nutzungsbezogenen Ausbauarbeiten, die man natürlich erst dann beginnt, wenn die Nutzung und der Mieter feststehen. Bei anderen Objekten fungiert die BSG im Auftrag des Eigentümers. Dort ist sie in der Regel für Kommunen der Projektsteuerer - wie etwa in Martinskirchen, Doberlug oder Freyenstein.

Mo: Die in das Eigentum der BSG übergegangenen Schlösser kamen ebenfalls von Kommunen?

Dr. Wolfgang Illert: Ja, sie waren alle im Besitz von Kommunen, ausgenommen Schloss Blankensee, das der privaten Hermann-Sudermann-Stiftung gehörte, und Schloss Altdöbern, das in Bundesbesitz war.

Das 1693-1700 erbaute Schloss Groß Rietz gehört zu den wenigen Barockschlössern in Brandenburg, die ihr ursprüngliches Aussehen bewahren konnten. Den neunachsigen Bau dominiert ein dreiachsiger Mittelrisalit. Dreiecksgiebel, Voluten, Wappenkartusche und Freitreppe komplettieren den Bau ganz im Stil des Barock.  
Groß Rietz, Schloss © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Das 1693-1700 erbaute Schloss Groß Rietz gehört zu den wenigen Barockschlössern in Brandenburg, die ihr ursprüngliches Aussehen bewahren konnten. Den neunachsigen Bau dominiert ein dreiachsiger Mittelrisalit. Dreiecksgiebel, Voluten, Wappenkartusche und Freitreppe komplettieren den Bau ganz im Stil des Barock.

Mo: Inwiefern ist der National Trust in Großbritannien ein Vorbild?

Dr. Wolfgang Illert: Gegenüber der Brandenburgischen Schlösser GmbH gibt es einen entscheidenden Unterschied zum National Trust: Dieser erwirbt und bekommt Schlösser übertragen, die noch Mobiliar und Ausstattung besitzen und sich in der Regel durch die kontinuierliche Nutzung noch in einem besseren Zustand befinden. Er finanziert sich neben Eintrittsgeldern und Shops, vor allem über die Mitgliedsbeiträge.

Die BSG hingegen übernimmt leere und geplünderte Gebäude und muss sich neue Nutzungen überlegen. Diese müssen denkmalgerecht sein und genügend Geld einbringen, sodass durch diese Einnahmen langfristig die Kosten für die Bauunterhaltung und die Pflege, auch der dazugehörigen Außenanlagen ermöglicht werden. Deswegen brauchen wir Mieter. Was uns gelingt: Alle Objekte, die fertig und vermietet sind, tragen sich auch - wie Reckahn, Blankensee, Steinhöfel, Diedersdorf, Reichenow, Groß Rietz und Fürstlich Drehna.

Mo: Wer trägt jetzt die Restaurierungskosten, die zwischen 3 und 20 Millionen Euro liegen?

Dr. Wolfgang Illert: Die BSG, die die ersten neun Jahre durch das Land Brandenburg und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gemeinsam finanziert wurde. Die Finanzlücke, die das Land hinterlassen hat, ist geblieben; die Schlösser-GmbH hat seit zehn Jahren deshalb nur die Hälfte des Geldes zur Verfügung. Die Sanierungen dauern nun zwar länger, wir können aber jetzt wie jeder andere Bauherr auch Fördermittel beantragen. Die BSG als Antragsteller für Fördermittel ist für die zuständigen Behörden ein guter und zuverlässiger Partner: Wir haben die nötigen Eigenmittel, um die Maßnahmen fristgerecht durchzuführen. Darüber hinaus werden die Maßnahmen fachlich gut betreut, weil zum Team der BSG qualifizierte Architekten gehören.

Schloss Fürstlich Drehna: Blick ins leere Innere kurz vor Beginn der Restaurierung 2007.  
Fürstlich Drehna, Schloss © Cordia Schlegelmilch, Berlin
Schloss Fürstlich Drehna: Blick ins leere Innere kurz vor Beginn der Restaurierung 2007.

Mo: Wie entwickeln Sie in den strukturschwachen Regionen sinnvolle Nutzungskonzepte für die denkmalgeschützten Anlagen?

Dr. Wolfgang Illert: Es gilt für alle unsere Bauvorhaben, ob BSG oder DSD: Das Objekt bestimmt die Nutzung und nicht umgekehrt. Das Schloss ist die Vorgabe. Wie ist sein Grundriss, sein Baukörper, wie wird es denkmalgerecht saniert? Danach stellt sich die Frage: Was passt da jetzt rein? Ist dieses Objekt mit diesem Grundriss, mit dieser Raumfolge als Bürostandort oder als Hotel geeignet? Bleiben wir bei dem Beispiel Hotel. Gemeinhin scheint es naheliegend, dass Schlösser Hotels werden. So einfach funktioniert es meistens nicht. Hotelnutzung setzt nämlich voraus, dass es zum Beispiel durchgehende Korridore gibt. Um Korridore zu schaffen, müsste bei vielen historischen Gebäuden, insbesondere des 16. und 17. Jahrhunderts, eine Entkernung vorgenommen werden, und genau dies will ja die BSG nicht.

Wir wollen den Beweis antreten, dass eine denkmalgerechte Sanierung einer zeitgemäßen Nutzung nicht widerspricht. Ein Schloss mit Durchgangszimmern ist selbst für eine Büronutzung schwierig. In Groß Rietz wollte ursprünglich die Gemeinde mit ihrer Verwaltung einziehen. Das Schloss besitzt jedoch diese wunderbare barocke Enfilade. Nachdem der Bürgermeister mit seinen Angestellten das restaurierte Gebäude besichtigt hatte, lehnten sie wegen der Raumfolge ab. Es ist zwischenzeitlich gelungen, Schloss Groß Rietz so zu vermieten, wie es seiner ursprünglichen Bestimmung nahekommt: ein Teil wird als private Wohnung, ein Teil für Ausstellungszwecke genutzt. Es ist wichtig, eine Nutzung zu finden, die in die Region passt. Hat unser Mieter eine Chance? Es ist niemanden gedient, auch nicht dem Haus selbst, wenn häufig Mieterwechsel anstehen.

Mo: Welche Auswirkungen auf die Region haben die Baumaßnahmen an den Schlössern und Herrenhäusern?

Dr. Wolfgang Illert: Bereits während der Sanierungsphase werden Arbeitsplätze gehalten und geschaffen. Nehmen wir als Beispiel Fürstlich Drehna mit seinen zahlreichen Nebengebäuden. Dort haben wir 17 Jahre saniert, der dazugehörige Gasthof ist schon lange wieder in Betrieb. In das gesamte vielteilige Ensemble haben wir 24 Millionen investiert. Schon bei den Ergebnissen der Ausschreibungen zeigte sich, wie wichtig der Wirtschaftsfaktor bereits bei der Restaurierung eines denkmalgeschützten Gebäudes ist: Etwa Dreiviertel aller Firmen kamen aus einem Radius von 80 Kilometern um Fürstlich Drehna, wobei Dresden und Berlin außerhalb davon liegen. Die Firmen stammen aus der Lausitz und dem Fläming. Das sind Regionen, aus denen in den 1990er-Jahren die Menschen in Scharen abgewandert sind. Dort haben wir vorwiegend Arbeitsplätze gehalten. Bei den Ausschreibungen zeigte sich, dass diese räumliche Nähe von Vorteil sein kann. Eine Firma, aus Baden-Württemberg etwa, muss die Anreise und die Übernachtungen der Arbeiter vor Ort in ihre Preise einkalkulieren. Bieten lokale Firmen bei gleicher Qualifikation - dies ist ganz wesentlich - ihre Dienstleistung günstiger an, erhalten sie den Zuschlag.

Fürstlich Drehna heute: Im Kern aus dem 16. Jahrhundert stammend prägt das Schloss als Ensemble mit Gutshof, Schlossbrauerei und Amtshaus das Ortsbild und dient nun als Hotel.  
Fürstlich Drehna, Schloss © Cordia Schlegelmilch, Berlin
Fürstlich Drehna heute: Im Kern aus dem 16. Jahrhundert stammend prägt das Schloss als Ensemble mit Gutshof, Schlossbrauerei und Amtshaus das Ortsbild und dient nun als Hotel.

Mo: Liegt der Anreiz für potenzielle Mieter im Mietpreis?

Dr. Wolfgang Illert: Nein. Es ist das Wohnen und Arbeiten in einem Schloss, in einem historischen Gebäude. Dieses Ambiente ist schon etwas Besonderes. Die Menschen fühlen sich wohler und zufriedener, wozu die wunderschönen Parkanlagen und die Landschaft ihren Teil beitragen.

Die Mieten sind nur ein bedingter Anreiz. Zwar sind fünf bis sechs Euro pro Quadratmeter im Vergleich preiswert, aber wenn man bei einem Schloss die Aufteilung zwischen wirklicher Nutzfläche und Gesamtfläche betrachtet, ist sie nicht immer so günstig wie bei einem von vornherein als Bürogebäude konzipierten Neubau. Die Verkehrsflächen sind viel größer. Bei einem Schloss ist der Flur in der Regel nicht ein, sondern häufig bis zu drei Meter breit. Dies bringt dem Mieter eigentlich nichts, doch er muss ihn unterhalten. Dem tragen wir mit der Kaltmiete Rechnung. Sie deckt den Bedarf, den die BSG für die dauerhafte Pflege des Baudenkmals benötigt. Bei der Größe der Gebäude ist dies mit den Betriebskosten schon eine stolze Summe für den Mieter. Aber wir haben alle fertigen Objekte vermietet.

Schloss und Park von Steinhöfel wurden einheitlich von David Gilly, Architekt des Frühklassizismus in Preußen, entworfen und 1790-95 ausgeführt. Die Bibliothek im Park, errichtet im Stil eines griechischen Tempels, gehört zu den wenigen Gebäuden Gillys, die seine Architektursprache noch heute deutlich erkennen lassen.  
Steinhöfel, Schloss und Park © Holger Schulz, Brandenburgische Schlössergesellschaft, Potsdam
Schloss und Park von Steinhöfel wurden einheitlich von David Gilly, Architekt des Frühklassizismus in Preußen, entworfen und 1790-95 ausgeführt. Die Bibliothek im Park, errichtet im Stil eines griechischen Tempels, gehört zu den wenigen Gebäuden Gillys, die seine Architektursprache noch heute deutlich erkennen lassen.

Mo: Kann man denn ein solches Schloss heizen?

Dr. Wolfgang Illert: Ja. Es ist ein schlimmes Vorurteil, dass ein Altbau mehr Energie verschlingt - zumindest nicht bei einem dickwandigen Gebäude aus der Renaissance oder dem Barock. Deren Mauerwerk besitzt ein großes Speichervolumen. Wenn es durchgeheizt ist, hält es die Wärme. Dies übernehmen wir schon während der Baumaßnahmen. Bei so einem Mauerwerk, das Jahrzehnte lang leer stand und komplett ausgekühlt ist, dauert es etwa zwei Jahre, bis es wieder temperiert ist. Der Mieter heizt dann normal.

Mo: Haben Sie ein Schloss oder Herrenhaus, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Dr. Wolfgang Illert: Natürlich habe ich das nicht! (lacht) Es gab einen Journalisten, der wollte unbedingt wissen, welches mein "Lieblingskind" sei. Da habe ich gesagt: 'Gute Eltern haben keine Lieblingskinder'. Immer das, wo ich gerade bin, ist mein Lieblingskind.

Mo: Vielen Dank für dieses Gespräch.

Die Fragen stellte Christiane Rossner

Weitere Infos im WWW:

www.schloesser-gmbh.de


Lesen Sie den Artikel über die schwierige Erhaltung von Schlössern im Privatbesitz in Monumente Online unter www.monumente-online.de/de/ausgaben/2014/5/leben-im-schloss.php#.Vpjij1Jcq20


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