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Monumente Unterwegs - Folge 2

Wichtel im Berg

MONUMENTE ist in der heimlichen Hauptstadt des Weihnachtslandes unterwegs: in Annaberg-Buchholz im Erzgebirge. Weil dort fast alles mit dem Bergbau zu tun hat, erkunden wir den Ort nicht nur horizontal, sondern auch vertikal.

Vielleicht gibt es keinen Weihnachtsmann, aber es gibt einen Ort in Deutschland, an dem Weihnachtsmenschen leben. Menschen, die von Grund auf gar nicht anders können, als die für sie schönste Zeit des Jahres in vollen Zügen zu genießen und zu feiern. „Das hier ist wirklich gelebte Weihnacht“, erklärt Dr. Martin Straßburger, nachdem er uns mit einem herzlichen Glückauf vor dem 1887 gegründeten Erzgebirgsmuseum begrüßt hat. Es präsentiert neben Regional-, Lokal- und Bergbaugeschichte auch erzgebirgische Volkskunst. Straßburger ist ein freundlicher Sauerländer, den sein Studium der Montanarchäologie und die Faszination für den Bergbau ins Erzgebirge verschlagen hat. Seit zwei Jahren ist er der Leiter der Städtischen Museen von Annaberg-Buchholz.

Dr. Martin Straßburger (links) zeigt MONUMENTE-Autor Stephan Kroener im Besucherbergwerk die eingelagerten Christstollen. Die Kühlung ist nachhaltig und verbindet Weihnachts- und Bergmannstradition.
© Roland Rossner / DSD
Dr. Martin Straßburger (links) zeigt MONUMENTE-Autor Stephan Kroener im Besucherbergwerk die eingelagerten Christstollen. Die Kühlung ist nachhaltig und verbindet Weihnachts- und Bergmannstradition.

Wir haben uns mit ihm verabredet, damit er uns erklärt, was das erzgebirgische Gemeinschaftsgefühl ausmacht. „Es gibt hier ein sehr starkes Traditionsbewusstsein“, antwortet er und in seinen Augen strahlt der Stolz des Zugezogenen. „Es betrifft nicht nur den Bergbau, sondern auch die Weihnachtstradition, das geht hier Hand in Hand.“ Und tatsächlich bevölkert der Bergmann im kleinen Museumsschauraum jeden Schwibbogen und jede Pyramide. „Hinten sehen Sie in der Vitrine die älteste Weihnachtspyramide aus dem Erzgebirge aus der Zeit um 1810“, sagt Straßburger gerade, als man im Vorraum Stimmen hört und das Rücken von Kisten. Straßburger hatte uns schon vorgewarnt, dass es für uns heute eine ganz besondere Aktion geben würde.


Zurück an der Eingangstür sehen wir eine Gruppe weiß gekleideter Bäckergesellen, die orangefarbene Plastikbrotkästen hereintragen. „Das sind die ersten 250 und es kommen dann noch mal 250“, sagt Bäckermeisterin Wiebke Augustin zu Straßburger, während sie ihren Männern auf den Museumshof folgt. Wir versuchen die eingeübten Handgriffe nicht zu stören, schauen aber doch verstohlen in die Kisten. Darin entdecken wir unter Schutzfolie verpackte Christstollen. Währenddessen verteilt Straßburger bereits Schutzhelme. Wir entscheiden uns für die blaue Variante, MONUMENTE-Blau. „Das sind die Helme der Schlosser“, klärt uns Straßburger lachend auf, „weiß sind die Helme der Steiger, gelb trugen die Arbeiter, orange ist die Helmfarbe der Grubenwehr, also der Werksfeuerwehr.“


Der Stollen im Stollen


Straßburger hat den Bäckern bereits die hellblaue Tür zur Kaue aufgeschlossen, einen begehbaren Überbau eines Grubeneingangs. Im Museumshof in Annaberg ist das ein Holzhäuschen, dessen Satteldach bis zum Boden reicht. Der Museumsschacht des Besucherbergwerks Im Gößner wurde Anfang der 1990er Jahre angelegt. „1992 wurde die Sparkasse mit Tiefgarage nebenan gebaut. Dabei ist man auf ein Bergwerk gestoßen“, erklärt Straßburger, während wir behelmt den Bäckern in den Schacht folgen. Das sei nicht verwunderlich, meint er, „weil die Erzgänge durch die ganze Stadt laufen.“ Die Hauptstadt des Weihnachtslandes ist untertunnelt mit alten Bergwerksstollen, in denen Bäcker Christstollen verstecken? Eine Weihnachtsgeschichte könnte nicht besser beginnen.

750 g schwer sind die Stollen, die die Helfer in den Schacht des Besucherbergwerkes „Im Gößner“ tragen. Angereichert mit „Grubenfeuer“, einem 60 % erzgebirgischen Kräuterschnaps, lagern die Weihnachtsstollen vier Wochen dort, um durchzuziehen und einen ausgewogenen Geschmack zu entwickeln.
© Roland Rossner / DSD
750 g schwer sind die Stollen, die die Helfer in den Schacht des Besucherbergwerkes „Im Gößner“ tragen. Angereichert mit „Grubenfeuer“, einem 60 % erzgebirgischen Kräuterschnaps, lagern die Weihnachtsstollen vier Wochen dort, um durchzuziehen und einen ausgewogenen Geschmack zu entwickeln.

13,5 Meter geht es über Metalltreppen hinunter zu den über 280 Meter langen Gängen. Gefördert wurde hier vor allem Silber. Die zwischen 1,20 Meter und maximal 1,60 Meter hohen mittelalterlichen Grubenbauen, an denen man noch Werkzeugspuren erkennen kann, vertiefte man um 80 Zentimeter, um den heute deutlich größeren Besuchern gerecht zu werden. Auch musste man vieles freiräumen, da die Stollen bis ins 19. Jahrhundert über kleine Kanäle von den Hauskellern aus, den sogenannten Anzüchten, zur Müllentsorgung genutzt worden waren. Es ist feucht und gleich deutlich kühler.


Das ist auch der Grund, warum sich die Annaberger Backwaren GmbH dazu entschlossen hat, hier unten einen ganz besonderen Weihnachtsstollen zu lagern. „Im Bergwerk ist das Klima immer gleich, also Luftfeuchte und Temperatur immer 8 bis 10 Grad, und das braucht ein Stollen“, klärt uns Bäckermeisterin und Produktionsleiterin Augustin auf. Sie zeigt ihren Helfern gerade, wo sie in den Stollennischen die Kisten lagern sollen, und auch wir packen mit an. „Die Stollen müssen jetzt hier gestapelt werden, immer eine Bodenkiste und dann die Stollenkisten obendrauf. So hoch wie möglich“, weist sie an. Während wir auf die nächsten Kisten warten, fährt sie fort: „Früher hatten viele ihre eigenen Gewölbekeller, wo sie die Stollen lagerten. Weil das ja eher ein Familiengebäck ist und aus der Familientradition kommt.“


Im Stollen befinden wir uns jetzt etwa unter der Straße neben der Sparkasse und damit in unmittelbarer Nähe der St. Annenkirche. „Wir haben zwei Dendrodaten von 1498 und 1518, die geben einen kleinen Einblick in die Baugeschichte der Stollen“, erklärt Straßburger, während er uns durch sein unterirdisches Reich führt. „Das ist insofern faszinierend, weil 1499 die Grundsteinlegung der St. Annenkirche war, die dann 1525/26 baulich fertiggestellt wurde. Wir haben also eine Großbaustelle, den Sakralbau, die größte spätgotische Hallenkirche Sachsens und ein aktives Bergwerk nebendran, beides mitten in der Stadt.“ Die Kirche selbst wird von keinem Stollen touchiert, was aber wohl nicht religiöse, sondern vor allem geologische Gründe hat. „Da hatten die Stadtplaner ihre Finger im Spiel“, die ebenfalls in die Stollen konnten und so den besten beziehungsweise erzfreien Platz für die Kirche wählten.

Die St. Annenkirche dominiert das Stadtbild, doch das nicht zu sehende Stollensystem und der Bergbau unter ihr prägten das Traditionsbewusstsein der Annaberger.
© Roland Rossner / DSD
Die St. Annenkirche dominiert das Stadtbild, doch das nicht zu sehende Stollensystem und der Bergbau unter ihr prägten das Traditionsbewusstsein der Annaberger.

Wieder an der Oberfläche bestaunen wir den 78 Meter hohen Turm der Kirche, neben dem wir gerade noch knapp 14 Meter unter der Erde standen. Doch bevor wir ihn besteigen, fahren wir mit Straßburger noch zu einem ganz besonderen Ort. „Da ist er, das älteste technische Denkmal Sachsens“, sagt Straßburger nach kurzer Fahrt. Der Frohnauer Hammer liegt beschaulich an dem kleinen Fluss Sehma, dessen Wasserkraft man jahrhundertelang zur Werkzeug- und Metallproduktion nutzte. Schon im 15. Jahrhundert stand hier eine Getreidemühle, in deren nahen Bergen man 1491 Silber fand.


Immer neugierig aufs Erzgebirge


„Annaberg war die erste Stadt des sogenannten zweiten Berggeschreys im Erzgebirge“, erläutert Straßburger die Gründung der Stadt, die 1496 in jener Mühle beschlossen wurde. „Die Kunde, dass Bergwerke entstanden waren, darf man sich jetzt nicht so vorstellen wie beim Goldrausch am Klondike, aber schon so, dass es die Leute angezogen hat.“ Neben dem Hammerwerk gehört auch das Hammerherrenhaus zur Bergbaulandschaft Frohnau und damit wie die Annaberger Altstadt zur Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří, die seit 2019 Teil des UNESCO-Welterbes ist. Seit 2002 fördert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) die Restaurierung des Frohnauer Hammers.


„Es steht alles unter Denkmalschutz, der gesamte Komplex“, sagt Straßburger und deutet auf die gegenüberliegende Straßenseite. „Dann haben wir noch die sogenannte Volkskunstgalerie, die ist nicht als Denkmal ausgewiesen – oder noch nicht. Das ist das letzte noch bestehende Wismut-Gebäude hier bei Annaberg, das Magazin und Werkstattgebäude vom Apfelschacht.“ Die Wismut AG trat nach 1945 das Erbe des Bergbaus in der Region an und förderte vor allem Uran für die sowjetische Atomindustrie.

Drei bis zu 250 Kilogramm schwere Schwanzhämmer aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden im ältesten Schmiedemuseum Deutschlands auch heute noch zu Vorführzwecken mit Wasserkraft betrieben.
© Roland Rossner / DSD
Drei bis zu 250 Kilogramm schwere Schwanzhämmer aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden im ältesten Schmiedemuseum Deutschlands auch heute noch zu Vorführzwecken mit Wasserkraft betrieben.

Hier führt der Bergführer Peter Fabritzek gerade einer Besuchergruppe am Beispiel eines großen Dioramas die Bedeutung des Bergbaus für die Region vor. Ganz oben auf dem Heimatberg genannten Modell sieht man einen Pferdegöpel, mit dem das geförderte Gestein nach oben und manchmal auch ein Bergmann nach unten transportiert wurde. 


„Aber wie das mit den störrischen Tieren manchmal so ist“, erklärt Fabritzek seinen Zuhörern, „die bleiben manchmal einfach stehen. Dann hingen die Bergleute in der Luft. In der Luft hängen, den Ausdruck kennen wir auch heute noch. Den alten Job beendet, den neuen noch nicht angefangen. Alles kommt vom Bergwerk her.“ Auch das Wort verhaspeln stammt nach seiner Aussage aus der Bergwerkssprache und bezieht sich auf das unsachgemäße Aufwickeln des Seils auf die Haspel. „Wenn Sie sich diesen Göpel so ansehen“, fragt er die Besucher, „haben Sie da irgendeine Assoziation?“ Schnell kommt die Antwort. „Richtig, unsere Weihnachtspyramiden!“


Den Schwibbogen, der in der Adventszeit in vielen Fenstern steht, kann man ebenfalls auf den Bergbau zurückführen. „Er stammt eigentlich aus der Architektur, der schwebende Bogen, aber die volkstümliche Überlieferung besagt, dass es ein Stolleneingang ist.“ Das Licht hat dabei natürlich für den Bergmann eine besondere Bedeutung, einerseits arbeitstechnisch, andererseits metaphysisch.

Peter Fabritzek vor dem Diorama des Heimatberges, auf seiner Mütze Schlägel und Eisen, das Symbol des Bergbaus.
© Roland Rossner / DSD
Peter Fabritzek vor dem Diorama des Heimatberges, auf seiner Mütze Schlägel und Eisen, das Symbol des Bergbaus.

Bergleute der Lüfte


Jemand, der diese Freude am Licht am besten beurteilen kann, ist Marit Melzer. Sie ist Türmerin und wohnt mit ihrem Mann auf dem Turm der St. Annenkirche, einem ehemaligen DSD-Förderprojekt. Dort besuchen wir sie, nachdem uns Straßburger wieder nach Annaberg gefahren hat. Seit 24 Jahren sieht Melzer alljährlich, wie in der Adventszeit in den Fenstern Annabergs die Lichter angehen und das winterliche Schieferdächermeer beleuchtet wird. „Es ist dann ja sehr zeitig finster und dann ist gefühlt in jedem Fenster ein Stern, eine Beleuchtung, ein Schwibbogen oder eine Pyramide zu sehen.“ Auch in ihrer Wohnung hoch über den Dächern und Stollen Annabergs findet sich ein Bergmann. Er stammt von Emil Löschner, der sich hier oben neben seiner Arbeit als Türmer zwischen 1909 und 1953 als Hobbyschnitzer etwas dazuverdiente. „Der hat tatsächlich ganz viele Bergleute geschnitzt“, erzählt Melzer von ihrem Vorgänger.


Löschner war so bewandert in seinem Schaffen, dass sich sogar zwei seiner Figuren unten im Kirchenschiff der St. Annenkirche finden. „Das ist eine der wichtigsten spätgotischen Kirchen Europas“, betont die Kirchenraumpädagogin Andrea Thiele, die uns sofort für ihre Kirche in den Bann zieht. „Wir haben hier nahezu die komplette spätgotische Bemalung erhalten. Da gucken die großen Kathedralen mit Staunen herüber.“ Doch das, was die UNESCO überzeugte, der Kirche im Rahmen der Region Erzgebirge/Krušnohoří den Welterbetitel zuzusprechen, befindet sich versteckt neben dem Hauptaltar, auf der Rückseite eines im Jahr 1521 geweihten, großen, goldverzierten Altars. Ein riesiges, etwa zweimal vier Meter großes Gemälde des Malers Hans Hesse veranschaulicht hier den mittelalterlichen Bergbau und zeigt dabei „alle Gewerke des Bergbaus unter und über Tage bis hin zu den Verwaltungsbeamten“, erklärt Thiele.


Auf dem Gemälde findet sich auch die Gründungsgeschichte der Stadt, der Fund der ersten Silberader unter den Wurzeln eines Baumes. „Das inspiriert die Leute in der Region bis heute. Manch einer hat das zu Hause als Bild gerahmt“, so Thiele. Dass Annaberg seinen heutigen Namen erhielt, hängt eng mit dem Silber zusammen, wie Thiele uns erläutert. „Anna ist neben der heiligen Barbara die Schutzherrin des Bergbaus und nach mittelalterlicher Tradition insbesondere für den Silberbergbau zuständig.“ Denn nach kirchlicher Symbolik werden Gott und Jesus Christus mit Gold gleichgesetzt, Jesus Mutter Maria hingegen mit Silber. Anna als Mutter von Maria gilt deswegen als Beschützerin des Silbers. Aus diesem Glauben heraus wurde der Bergaltar von der Bergknappschaft gestiftet.

Die Melzers sind die einzige Türmerfamilie Europas, die durchgehend auf einem Turm lebt. Ein junger Nachfolger hat bereits Interesse bekundet, später einmal die Türmertradition fortzuführen.
© Roland Rossner / DSD
Die Melzers sind die einzige Türmerfamilie Europas, die durchgehend auf einem Turm lebt. Ein junger Nachfolger hat bereits Interesse bekundet, später einmal die Türmertradition fortzuführen.
"Wir wollen das erhalten", erklärt Marit Melzer am Fenster des Turmes von St. Annen, in dem sie seit 24 Jahren lebt.
© Roland Rossner / DSD
"Wir wollen das erhalten", erklärt Marit Melzer am Fenster des Turmes von St. Annen, in dem sie seit 24 Jahren lebt.
 

 


Denkmalschutz und Traditionserhalt


Das Stiften hat in Annaberg heute noch Tradition. So findet sich im Empfangsraum der Kirche ein kleines Diorama des Bergbaus, gestiftet von Bernd Müller. Ihn treffen wir in der deutlich kleineren Bergkirche hinter dem Markt, einer bergmännischen Sonderkirche aus den Anfängen der Stadtgründung. Wir haben uns mit Müller dort verabredet, um mit ihm über sein Engagement für den Denkmalschutz und seine Heimatstadt zu sprechen. Denn vor einigen Jahren gründete er mithilfe der DSD eine Treuhandstiftung unter seinem Namen, die sich vor allem die Restaurierung seiner Tauf- und Konfirmationskirche im nahen Mildenau widmet und diese unterstützt.


„Für Denkmalschutz setze ich mich aus Tradition ein“, betont Müller auf einem Stuhl in der letzten Reihe der Bergkirche sitzend. „Mir ist wichtig, das weiterzugeben.“ Wir sitzen nah beieinander, um diesem 80-jährigen Annaberger mit seiner bewegenden deutsch-deutschen Geschichte besser zuhören zu können. Als 19-Jähriger studierte er in Freiberg Bergbau, „dann habe ich einen Stein ins Auge bekommen.“ Der Wundstar verhinderte eine weitere Arbeit als Bergmann. Nach seiner Flucht nach Westdeutschland blieb er dem Erzgebirge eng verbunden und zog nach der Wende zurück in die Region. Denkmalschutz und Traditionserhalt gehören für Müller eng zusammen, „denn wenn ich keine Tradition pflegen will, dann würde ich doch sagen, lass die Bude zusammenbrechen.“ Müller ist stolz auf seine Region, denn „die Traditionen, die leben bei uns.“ Dieses lebendige Gemeinschaftsgefühl sei etwas, das die UNESCO bei der Vergabe des Welterbetitels betont habe.


So sei das für ihn auch mit Weihnachten, denn das Erzgebirge sei ja das deutsche Weihnachtsland schlechthin und der Erzgebirger überhaupt ein extremer Weihnachtsmensch. „Am ersten Advent drehen wir durch, sage ich immer“, erzählt Müller lachend, „das kommt auch durch die Bergleute, diese Lichtgeschichte.“ Diese Symbiose habe zu den alljährlichen Bergparaden geführt, bei der am vierten Advent über 1.000 Trachtenträger im Habit des Bergmanns durch die Annaberger Altstadt ziehen.

Denkmalliebhaber Bernd Müller in der Bergkirche. Im Hintergrund Figuren der Bergmännischen Krippe.
© Roland Rossner / DSD
Denkmalliebhaber Bernd Müller in der Bergkirche. Im Hintergrund Figuren der Bergmännischen Krippe.

Das Stiften für den Denkmalschutz und damit für diese Traditionen sei für ihn „das innere Bedürfnis, was Gutes zu tun“. Die Gläubigkeit des Bergmanns hänge damit ebenfalls zusammen, sagt er augenzwinkernd: „Wir hatten früher eine Kollekte, da durfte es nicht klappern, da durften nur Scheine rein.“ Auch die Bergkirche wurde mit sogenannten Büchsenpfennigen der Annaberger Bergmannschaft finanziert, ihre Restaurierung 500 Jahre später dann mit Spenden durch die DSD gefördert. Heute bietet sie der Bergmännischen Krippe eine Heimstatt, eine seit 2015 von erzgebirgischen Schnitzern hier aufgestellte Annaberger Weihnachtsgeschichte, mit bisher 35 Figuren aus der Stadtgeschichte.


Es ist diese Verbindung von traditioneller Handwerkskunst und Nutzung von Denkmalen, die uns auf unserem Rückweg aus Annaberg in das benachbarte Wolkenstein führt. Hier steht das Historische Fleischergeschäft Oskar Teichert mit seiner originalen Ausstattung von 1905 – ein aktuelles DSD-Förderprojekt. Die Besitzerin Carola Arnold begrüßt uns freundlich an der Tür des Klinkerbaus und zeigt uns im ehemaligen Verkaufsraum die Restaurierungsfortschritte an den Fliesen von Villeroy & Boch. „Die Decke ist das Highlight“, sagt Arnold und zeigt auf die Glasdecke mit Hinterglasmalerei im Jugendstil. „Das erinnert doch an Pfunds Molkerei in Dresden“, meint sie und verweist damit auf ein DSD-Förderprojekt, bei dem Spendengelder geholfen haben, ein ebensolches Kleinod zu retten.


„Jetzt wollen wir, dass die Substanz dieses Einzeldenkmals so erhalten bleibt, dass es in eine neue Nutzung übergehen kann.“ Hier kommt der örtliche Holzgestalter Michael Ramm ins Spiel, der gerade bepackt mit einigen Kisten hereinkommt. Seit 2021 nutzt er den Laden in der Adventszeit als Ausstellungsraum für seine Jahreszeitenbäume. Diese sind, so der Künstler, eine „moderne Fortschreibung der Pyramidenidee“. Weihnachten sei eigentlich immer zu kurz, sagt Ramm, und betont damit, während wir uns verabschieden, die genetisch bedingte Sehnsucht der Erzgebirger nach der schönsten Zeit des Jahres.


Stephan Kroener

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