Denkmalarten Öffentliche Bauten Stile und Epochen 1800 Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Oktober Jahr 2023 Denkmale A-Z B S
In Salzwedel steht ein altes Badehaus, das dringend Hilfe braucht. Es hat Glück. Eine Architektin und eine Bauingenieurin möchten es unbedingt retten. Dafür benötigen sie Unterstützung.
Versteckt und doch repräsentativ. Beschmiert und doch elegant. Verdreckt und doch idyllisch: Das alte Badehaus in Salzwedel beherrscht die Kunst des überraschenden Auftritts.
Reizvoller Spazierweg – so hat die Stadt Salzwedel eine für Besucher besonders empfohlene Route betitelt. Sie folgt der ehemaligen Stadtmauer, die auf immerhin 1850 Metern noch erhalten ist und die die alte Hansestadt mit ihren Fachwerkhäusern, kopfsteingepflasterten Straßen und imposanten Kirchen umfasst. Eine Teilstrecke geht entlang des Jeetze-Umfluters, ein bachartiger Nebenarm der Jeetze. Dieser Fluss ermöglichte der Stadt seit dem 13. Jahrhundert einen lukrativen Handel bis nach Gotland und Russland und erklärt den architektonischen Reichtum Salzwedels. Mit dem alten Badehaus hat er auch zu tun.
Rechts der Jeetze-Umfluter, links die Stadtmauer und überall viel Gebüsch: Verwunschen präsentiert sich der östliche Teil des reizvollen Spaziergangs. Bis der Weg durch einen Portikus mit hölzernen Säulen führt – unerwartet und deshalb umso bezaubernder. Es ist der Vorbau des alten Badehauses. Seit 200 Jahren steht es hier. Dr. Dietrich Christoph Seebode, 1797 geboren, hatte es 1827 errichten lassen. Wenig bezaubernd allerdings ist sein Zustand. Aber das soll sich ändern: Bianka Niemeyer und Alice Bondeur haben das baufällige Gebäude mitsamt seiner ungewöhnlichen Geschichte im Jahr 2022 erworben.
Dr. Seebode war in Berlin als Assistenzarzt bei Professor Hufeland tätig gewesen, einem Wegbereiter der Naturheilkunde. Er forschte über Seuchenbekämpfung. In Berlin lernte er auch die aufkommenden Flussbäder kennen, in Marienbad das 1818 eingerichtete Dampfbad. Das Badehaus in Salzwedel – Befunde dokumentieren Wasserbecken, Kanäle und eine Befeuerungsanlage – kann man als eine Art Zusammenfassung seiner ärztlichen Erkenntnisse lesen: Es sollte als Prophylaxe- und als Heileinrichtung dienen.
Es war nicht nur eines der frühesten medizinischen Badehäuser überhaupt, sondern auch für alle Bevölkerungsschichten geöffnet. In den Jahren von 1827 bis 1854 therapierte Seebode hier Gefäß-, Atemwegs- und Hautkrankheiten sowie Gicht und Rheuma. Später gab es laut schriftlichen Quellen auch eine kleine Flussbadeanstalt.
Ein hohler Vogel
Bianka Niemeyer und Alice Bondeur gehen durch die Räume, die keine mehr sind, und sammeln Holznägel auf. Alles Historische, das von dem Gebäude gerettet werden kann, wird sorgfältig behandelt. Das entspricht nicht nur einer persönlichen Leidenschaft – es ist auch ihrer beider Überzeugung in Bezug auf ihren Beruf. Niemeyer ist Tiefbau-Ingenieurin, Bondeur Architektin.
Die beiden Neu-Eigentümerinnen arbeiten und leben seit Jahren in Salzwedel. Und zwar gern. Sie loben das kulturelle Angebot – eine Stadt mit Wohlfühlcharakter sei Salzwedel. Seit fünf Jahren führen sie gemeinsam ein Büro, arbeiteten davor schon zehn Jahre in der Stadt. Bei einigen Denkmalprojekten in der Altstadt konnten sie bereits ihre Expertise anbringen.
Sie waren auf der Suche nach einem neuen Bürogebäude. Es sollte etwas Eigenes sein, sollte Charakter haben, erzählen sie. Dass sie auf das Badehaus an der Stadtmauer stießen, ist dem Zufall geschuldet, obwohl es eigentlich einer zwingenden Logik folgt: Denn Alice Bondeur hat vor 20 Jahren ihre Diplomarbeit über das Badehaus geschrieben. Damals dachte sie über Nutzungsmöglichkeiten wie eine Sauna oder ein Café nach. „Darauf, dass ich einmal mit meinem eigenen Büro hier einziehen würde, wäre ich nie gekommen“, sagt sie.
Aber als Bianka Niemeyers Blick bei einem Gang durch die Goethestraße eher zufällig auf den Portikus fiel und sie ihre Begeisterung mit der Kollegin teilte, nahm das Schicksal seinen Lauf. Der Vorbesitzer, der 2003 das Badehaus nach 30 Jahren Leerstand gekauft hatte, war mit den Umbauten nicht recht weitergekommen. Auf die Anfrage der beiden hin gab er die Immobilie nur zu gern ab. Leider war schon einiges verloren, wie der gesamte Lehmputz. Die hintere, stadtseitige Fassade des Gebäudes bestand zur Hälfte nur noch aus einer zerfetzten Plane.
„Es ist ein hohler Vogel, den haben wir so gekauft“, sagt Niemeyer, die auf der Baustelle steht und sich umschaut. Zerrupft ist es wahrlich, das alte Badehaus. Doch der Charme ist noch da und die Rettung ist schon greifbar. Eine Balkenkonstruktion deutet eine neue hintere Wand an. Niemeyer: „Wir sind jetzt stolze Besitzerinnen eines Westgiebels.“ Das Fachwerk ist exakt nach alten Plänen gesteckt. „Die Balken sind Altholz, einige sind aus dem Gebäude selbst gerettet, ansonsten aus anderen historischen Fachwerkhäusern zusammengetragen.“ Jetzt müssen Fenster und Türen aufgearbeitet, das Fachwerk ausgefacht und das klassizistische Treppenhaus wiederhergestellt werden.
Der zweigeschossige, im Erdgeschoss elfachsige Säulengang mitsamt dem Mittelrisalit zur Flussseite hin verleiht dem symmetrisch angelegten Badehaus eine gewisse Grandezza. Eine weitere architektonische Besonderheit findet sich auf der Rückseite: Die hinteren Wände des Badehauses bestehen aus der historischen Stadtmauer und wurden in den Neubau von 1827 eingearbeitet. Man erkennt im Gebäudeinneren deutlich ihren Aufbau mit dem breiteren Sockel, der oben zur Mauerkrone hin schmaler ausläuft. Sie sollen, nachdem die Setzungsrisse behandelt worden sind, bei der Instandsetzung unverputzt bleiben.
So behutsam wie möglich werden die historische Substanz und die Vergangenheit herausgearbeitet und bewahrt. Nutzung und architektonische Form des Badehauses, einer der ersten Einrichtungen zur Verbesserung der Volksgesundheit, sind zu seiner Erbauungszeit gleichermaßen außergewöhnlich wie modern gewesen. Eine Entdeckung. Deren Rettung allerdings – Schritt für Schritt – bringt viel Arbeit und hohe Kosten mit sich.
Rieseninteresse am Badehaus
„Wir möchten einfach, dass Salzwedel mehr von sich zeigt. Wir sind hier noch ein bisschen im Dornröschenschlaf“, finden Bianka Niemeyer und Alice Bondeur. Sie möchten Abhilfe schaffen.
Das Badehaus soll auch in neuer Nutzung zu besichtigen sein. Sie haben Erfahrung mit dem Tag des offenen Denkmals®, wissen, wie sehr die Menschen in Salzwedel historische Gebäude achten. „Da ist ein Rieseninteresse. Der Salzwedeler kennt das Badehaus und er liebt es.“ Auch Salzwedels Bürgermeister Olaf Meining freut sich sehr darüber, dass das Gebäude vor dem Verfall gerettet und liebevoll saniert wird. „Das Gebäude gehört zum historischen Ambiente einfach dazu“, sagt der Bürgermeister.
Keiner muss Sorge haben, dass die Türen versperrt sein werden, denn so die Eigentümerinnen: „Wir haben ja selbst immer Interesse, Blicke in Denkmale werfen zu können.“ Umgewöhnen werden sich die Salzwedeler nur in einem: Nach Befund wird das Badehaus bald eine neue Farbe tragen. Es wird dann elegant-klassizistisch in Oxidrot mit cremefarbenen Architekturelementen durchs Grün strahlen.
Helfen auch Sie bei der großen Aufgabe, ein Stück Salzwedeler Stadtgeschichte zu heilen!
Beatrice Härig
Altes Badehaus
Goethestraße 31 a
29410 Salzwedel
Salzwedel befindet sich in Sachsen-Anhalt, jeweils etwa gleich weit entfernt von Hannover, Hamburg und Berlin.
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