Denkmale in Gefahr Oktober 2018
Die einsturzgefährdete Wassermühle im Dorf Roidin bei Demmin ist eines der wenigen technischen Denkmale in Vorpommern. Wesentliche Teile der Mühlentechnik haben sich erhalten.
Pfarrer Christian Bauer hat zwei Leidenschaften – seinen Beruf als Seelsorger und seine Tätigkeit als Denkmalschützer. In der Kirchengemeinde Hohenmocker im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte betreut er die Menschen aus zwei Kirchengemeinden und dazu elf Kirchenbauten. Seit einem guten Jahr hat er nun auch privat sein Herz an ein Denkmal verloren: an eine ehemalige Wassermühle, die sich in Roidin befindet, einem kleinen Dorf mit Kirche und einstigem Gutshaus.
Roidin liegt südlich von Demmin am Hang zum Tal der Tollense, die bei Demmin in die Peene mündet. Das Urstromtal ist eine landschaftlich reizvolle Gegend und eine touristische Entdeckung. Doch der Schein trügt: Das Demminer Hinterland liegt fernab von Mittelzentren wie Greifswald und leidet unter der Landflucht. Hier herrscht, wie der 38-jährige Geistliche sagt, immer noch Untergangsstimmung. Die Region ist dünnbesiedelt und überaltert. Sie zu beleben und zu bewahren, sie im Bewusstsein zu halten, ist sein großes Ziel für die und mit den Menschen seines Wirkungsortes. „Es ist meine Heimat, von hier stamme ich“, sagt Bauer. 2014 hatte er sich für die Pfarrstelle in Hohenmocker beworben. Dass er sie bekommen hat, ist für ihn ein Glücksfall.
Sein Engagement für die Mühle hat einen einfachen Grund: „Mecklenburg-Vorpommerns Kulturlandschaft ist durch ihre zahllosen Kirchen und Schlösser bekannt. Doch es gibt auch technische Zeugnisse – wenn auch wenige.“ Gerade diese seltenen, einst für die Landschaft so typischen Bauwerke gelte es zu bewahren, um ein vielschichtiges historisches Gesamtbild festzuhalten. Deshalb hat er sich vorgenommen, das stattliche Mühlenhaus, das mit Scheune, Stall, zwei Mühlenteichen und Obstgarten ein idyllisches Ensemble bildet, zu retten. „In die Mühle muss wieder Leben einkehren. Sie sollte wie früher klappern!“
Für die Aufgabe will er sich Zeit nehmen, genauer gesagt, muss er sich Zeit nehmen. Der Pfarrer hat zu wenig Geld auf der hohen Kante. Dazu befindet sich das Denkmal in einem erbarmungswürdigen Zustand. 1959 hatte der letzte Müllermeister den Betrieb der Wassermühle eingestellt, danach diente sie als Dienstsitz des Revierförsters, dann wurde sie 1971 für den Preis eines Hausschweins privatisiert. Der Verfall begann schleichend und wurde nicht aufgehalten. Nach dem Tod der letzten Besitzerin bot die Erbengemeinschaft die Mühle 2015 zum Verkauf an. Als sich niemand fand, wurde Christian Bauer aktiv. Obwohl er, wie er selbst von sich sagt, kein Mühlenkenner ist. Er unterstützte die Unterschutzstellung des Ensembles 2015 und erwarb es wenig später.
Mit Hilfe von Jugendlichen des Internationalen Vereins Bauorden e. V., seiner eigenen kleinen Jugendgruppe und Freunden ging er an die Aufräumarbeiten. Eine ambitionierte Aufgabe, die über Wochen in Workcamps mit rund acht Leuten durchgeführt wurde. Sie befreiten das Mühlengebäude containerweise von Schutt und Unrat und legten zu aller Freude die Bestandteile der Mühlentechnik frei, die der Hamburger Industriearchäologe Sven Bardua in seinem Gutachten zur Denkmalbewertung bereits dokumentiert hatte.
Teilweise wurden auch kleinere Anbauten und Zimmerwände aus den 1990er-Jahren entfernt, die die Bewohner in den Mühlenteil eingezogen hatten. Denn unter dem Krüppelwalmdach, das wohl ursprünglich mit Reet oder Stroh gedeckt war, sind von jeher Wohnbereich und Mühlentrakt vereint. Jetzt zeigt sich die Wassermühle als ein Gebäude in Fachwerkkonstruktion, das Anfang des 19. Jahrhunderts, vermutlich um 1805, erbaut wurde. Zur Straße hin war das Haus später mit einem zweischaligen Ziegelmauerwerk versehen worden.
Ein Wildbach, der etwa 50 Meter hinter dem Mühlenhof verläuft, speist die Mühle mit Wasser. Zur besseren Regulierung floss das Wasser zunächst in zwei Teiche, dann durch einen von großen, behauenen Feldsteinen eingefassten Mühlenkanal zu einem sogenannten mittelschlächtigen Wasserrad von vier Metern Durchmesser. Zwischen 1925 und 1945 wurde es durch eine Francis-Turbine ersetzt.
Als die letzten Bewohner den Wohnbereich vergrößerten, entfernten sie im Mühlenhaus einen Großteil der historischen Mühlentechnik. Doch von ihr ist – in Haus und Hof verstreut – noch erfreulich viel vorhanden. So finden sich zum Beispiel Gehäuseteile der Schüttsysteme, eine Förderschnecke und ein Walzenstuhl ohne Walze. Im Mühlenkeller und im Mahlgeschoss hängen noch die Transmissionswellen und -räder, ein Satz Mahlsteine liegt im Garten. „Rudimentär sind also fast alle Maschinen und Geräte vorhanden, die für den Betrieb einer einfachen Getreidemühle notwendig waren“, konstatiert der Industriearchäologe Bardua.
Die alte Wassermühle ist wie Gutshaus und Kirche aus dem Dorf nicht wegzudenken: 1593 wird erstmals eine Mühle in Roidin urkundlich erwähnt. Vermutlich gab es schon vorher eine, denn eine Mühle gehörte zum Lehngut Roidin der Adelsfamilie von Maltzahn, die dort von 1330 bis 1945 ansässig war.
Für die Rettung des Mühlenhofs muss Christian Bauer viele Geldgeber mit ins Boot holen. Zu diesem Zweck wird er einen Verein gründen, weil er so zum Beispiel Mittel aus dem EU-Topf für die „Entwicklung des ländlichen Raumes“ beantragen kann. Die benötigten sieben Mitglieder hat der Pfarrer bereits gefunden. Er selbst ist neues Mitglied im Mühlenverein Mecklenburg-Vorpommern e. V., um den Fachverstand und die Unterstützung des Dachverbands bei der Mühlentechnik an seiner Seite zu wissen. Für das Gebäude selbst ist ein Bauingenieur angefragt, der eine umfassende Bauaufnahme und Dokumentation erstellen soll, die Grundlage für die Dachsanierung und für die weiteren Baumaßnahmen ist.
Dieses starke Engagement von Christian Bauer zur Rettung des für die Region wichtigen technischen Denkmals unterstützt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz dieses Jahr mit einer Notsicherung: Das Dach an der Nordostecke des Mühlengebäudes war über Jahre undicht, sodass letztlich aus der durchnässten Fachwerkkonstruktion darunter die Ziegel herausgefallen sind. Jetzt ist der Feldsteinsockel gefestigt, die Fachwerkwand vom ortsansässigen Zimmermann restauriert und das Dach mit mehreren Lagen Unterspannbahn winterfest gemacht.
Eine weitere prekäre Stelle hat Christian Bauer notgesichert: An der Südostecke des Mühlenteils, dort wo einst das Wasserrad angebracht war und sich die Turbine befindet, hatte das Wasser des Mühlenkanals den Feldsteinsockel ausgespült, weil das Gerinne undicht war. Mit der Folge, dass dieser Gebäudeteil abgesackt ist. Der „Leckstrom“ ist mittlerweile unterbunden. Derzeit wird das Gerinne saniert und das abgesackte Fachwerk abgefangen.
Danach steht die nächste elementare Baumaßnahme an: Dachstuhl und Dach. Dabei möchte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gern helfen. Denn wenn das Dach wieder dicht ist, kann Christian Bauer Atem holen und sich über die weitere Restaurierung des Hauses Gedanken machen. Alle Konzepte und Planungen dienen dem wichtigen Ziel: der späteren Nutzung des Denkmals. Bei der Frage, welche Vorstellungen er für die Zukunft der Wassermühle Roidin hat, kommt Bauers Antwort ohne Zögern. Er plant, den Mühlenhof dem Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen: Die wiederhergestellte Mühlentechnik soll als kleines Museum zugänglich sein.
Im Wohnteil möchte er eine Kleingruppenherberge für bis zu 10 Personen einrichten – Übernachten und Frühstück für die „schmale Mark“. „Das erlebe ich immer wieder: Pfarrerkollegen suchen wie ich für unsere Jugendgruppen verzweifelt Plätze zum Übernachten für wirklich wenig Geld. Darüber hinaus bietet das Ensemble hier mit dem großen Garten, mit dem Hof und den Stallungen ganz viel Potenzial für die Freizeiten in unserer Jugendarbeit!“, erklärt Christian Bauer. Bei diesen Ausführungen tritt ein Strahlen in seine Augen, sodass man dem Pfarrer zutraut, diese Zukunftsvision Wirklichkeit werden zu lassen. Bis dahin aber braucht er viel Unterstützung, vor allem finanzielle.
Christiane Rossner
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