Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer August Jahr 2023 Denkmale A-Z F
2021 verwüstete eine Flut Teile von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Zwei Jahre später stellten die Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ein Fluthilfecamp ins Ahrtal: Über 300 Freiwillige leisteten einen Beitrag für den Wiederaufbau.
Die Hochwasserstände an den ausgespülten Häusern im Ahrtal mahnen weiter. Über 9.000 Gebäude wurden in der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 im Ahrtal beschädigt oder zerstört. Viele der historischen und teils denkmalgeschützten Häuser werden im Zuge des Wiederaufbaus nicht saniert, sondern abgerissen und neu gebaut. Der Verlust der Bauten wird durch Abrisswillen und fehlerhafte Einschätzungen noch vorangetrieben. Auch bürokratische Hürden, mangelndes Baumaterial und fehlende Handwerker bremsen den Wiederaufbau.
„Das Ahrtal verliert mehr und mehr sein Gesicht“, sagt Laura Haverkamp. Sie arbeitet bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) für deren bundesweites Projekt Jugendbauhütten (JBH) in Trägerschaft der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste und kämpft gemeinsam mit ihrem Team für die Bewahrung der Bausubstanz und für die Menschen vor Ort. Denn das Tal ist noch immer eine große Baustelle – auch wenn sich nach der Flut Initiativen zum Wiederaufbau und zum Schutz historischer Bauten bildeten, wie die AG Historisches Ahrtal e. V.
Im letzten Jahr gründete die DSD das Mobile Team Fluthilfe, um für Denkmale und ihre Besitzer direkte und fachmännische Hilfestellung geben zu können. „Mit fünf Freiwilligen und zwei Anleitern können wir aber nicht das gesamte Ahrtal sanieren“, bemerkt Manfred Koch. Er ist Ahrtaler, Zimmerermeister und einer der Anleiter des Mobilen Teams. „Für mehr fehlen das Geld und die Handwerker“, so Koch.
Die gute Idee
Die Lösung nahte im Herbst 2022. Koch, Haverkamp und eine Handvoll engagierter Freiwilliger aus verschiedenen JBH-Standorten kam die Idee, eine Sommerbaustelle mit freiwilligen Helfern zu organisieren. „Damals hätte ich nicht gedacht, dass wir das Camp so schnell auf die Beine stellen“, so Koch. Neben viel Tatkraft half auch eine Spenderin mit einer generösen Spende, die groß angelegte Aktion umzusetzen.
Im Juni dieses Jahres fanden für zwei Wochen rund 300 junge Menschen, aktuelle und ehemalige Jugendbauhüttler aus dem ganzen Bundesgebiet, im Fluthilfecamp zusammen, um für den Denkmalerhalt zu kämpfen und den Menschen vor Ort weiter Hoffnung zu spenden. Untergebracht in einer Zeltstadt, im Arbeitseinsatz auf 17 Baustellen.
Die Tage der Freiwilligen, die die Jugendbauhütten im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres in der Denkmalpflege kennengelernt hatten, waren intensiv: Tagsüber arbeiteten sie auf den Baustellen historischer und denkmalgeschützter Bauten und abends gab es Vorträge zur Flutnacht und Diskussionen. Die Baustellen sind im ganzen Tal zu finden: von Ahrweiler über Dernau bis nach Mayschoß.
Die immense Tatkraft
Die Lochmühle in Mayschoß ist eine dieser Baustellen. Die Mühle stammt im Kern aus dem 16. Jahrhundert, der heutige Bruchsteinbau ist vermutlich aus dem 19. Jahrhundert. Das Gebäude hat es bei der Flut hart getroffen: Die riesige Welle zerstörte den Mittelteil komplett.
Erste Hilfe erreichte die Mühle mit dem DSD-Soforthilfeprogramm 2021 (siehe MONUMENTE 5.2021). Der rechte Teil des dreiflügeligen Baus wurde verschont. Dort ist eine fast vollständig erhaltene Mühlenausstattung beherbergt, die zukünftig wieder zugänglich gemacht werden soll.
Die Freiwilligen und die Anleiter auf der Baustelle erledigen hier neben Reinigungsarbeiten der Mühlentechnik auch die fachmännische Herrichtung des Dachs auf dem linken Gebäudeteil. Fritz Vennemann betreut die Baustelle als Architekt und ist der Vorsitzende des Vereins AG Historisches Ahrtal e. V.
Zusammen mit dem Team der Jugendbauhütten hat er Bauten, Baustellen und Besitzer gesucht, die fachmännische Unterstützung benötigen: „Viele sind sehr dankbar über die Hilfe. Wir haben hier zwar viel Expertise, aber es fehlt an Man- und Womanpower. Diese Konstellation mit den Jugendbauhütten ist ein Traum.“
Der starke Wissensdurst
Die angehende Glaserin Lina Platz bringt Tatendrang und Fachwissen mit. Sie arbeitete während der zwei Wochen im Camp auch in einem Glasmalerbetrieb, um dort ein historisches flutgeschädigtes Fenster auseinanderzubauen und zu reinigen. „Mein halber Block ist vollgeschrieben“, freut sie sich über das neue Wissen.
Auf einer anderen Baustelle in Walporzheim entdeckte sie ihre Liebe zum Fachwerk. „Jetzt weiß ich, wie ich Feuchteschäden erkennen kann, wie nachhaltig Lehm ist und was Schwelle und Riegel sind.“ Der Dialog bei der praktischen Arbeit mit den erfahrenen Fachanleitern funktioniert.
Die Arbeiten werden fachmännisch ausgeführt und der Fortschritt auf den Baustellen ist bemerkenswert. Zudem gibt es überraschende Funde: Bei der Restaurierung der Marienkapelle in Mayschoß wurde eine Schablonenmalerei aus dem 19. Jahrhundert entdeckt.
Der große Tatendrang
Innerhalb der zwei Wochen des Fluthilfecamps im Ahrtal entstand eine gewachsene Gemeinschaft, die aus Überzeugung für das kulturelle Erbe und für die Menschen vor Ort handelte: „Ich habe keinen der Teilnehmer jammern hören. Trotz Hitze, Dreck und anstrengender Arbeit“, erzählt Laura Haverkamp. „Sie machen das alle aus Überzeugung.“
Der Fachanleiter Tobias Brehm erzählt, dass er die entstandenen Freundschaften und Netzwerke auch in Zukunft weiter aufrechterhalten und den Elan im Camp in seinen Alltag als Architekt mitnehmen möchte. Der Enthusiasmus der überzeugten Wiederaufbauhelfer ist ansteckend. Lassen Sie uns diese Freude an Baukultur in die Zukunft tragen.
Zusammen mit dem Mobilen Team Fluthilfe und fachkundigen Handwerkern arbeitet die DSD auch zukünftig weiter in den ehemaligen Katastrophengebieten für historische Bauten und Denkmale. „Dranbleiben ist die Devise. Dieses Camp zeigt, wie dringend die Hilfe weiter benötigt wird“, sagt auch ein Förderer der Stiftung. Helfen Sie uns, das Gesicht des Ahrtals zu retten.
Svenja Brüggemann
Das deutschlandweite Presse-Echo zum Fluthilfecamp finden Sie hier:
„Alle ziehen an einem Strang! Die Arbeit auf den Baustellen und das Abendprogramm schweißen zusammen.“
„Schmutzig und anstrengend, lehrreich und schön!“
„Es ist unglaublich, was wir in kurzer Zeit schaffen, weil wir das gleiche Ziel haben.“
„Die freiwilligen Helfer sind Gold wert. Das macht uns im Tal weiter Mut.“
„Auf den Baustellen und im Camp habe ich so viel gelernt. Wenn es das Fluthilfecamp noch mal gibt, bin ich sofort dabei.“
„‚Wir brauchen euch!‘ Das Feedback, das wir beim Weinblütenfest in Mayschoß von den Anwohnern bekommen haben, war überwältigend.“
Auch kleinste Beträge zählen!
Solche Bilder (Schloss Pillnitz im Juni 2013) möchte niemand sehen – und doch wird sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz auch in Zukunft mit beschädigten Denkmalen nach Wetter- und anderen Katastrophen beschäftigen müssen. Für die Nothilfe wollen wir finanzielle Rücklagen schaffen und bitten Sie, uns zu unterstützen.
Am Heimersheimer Bahnhof im Ahrtal kommt Hilfe aus vielen Richtungen an, manchmal auch ganz unverhofft.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt vom Hochwasser betroffene Denkmaleigentümer mit einem umfangreichen Nothilfeprogramm.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz