Denkmalarten Kleine und große Kirchen Denkmale in Gefahr Menschen für Monumente Menschen für Denkmale Ausgabe Nummer Dezember Jahr 2020 Denkmale A-Z D
Dorfkirchen besitzen einen einmaligen Zauber. Doch gerade in den strukturschwachen Gebieten befinden sich Gotteshäuser in einem kritischen Bauzustand. Über 2.000 Dorfkirchen hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bislang bewahrt.
Staubige Spinnweben, gesponnen zwischen Wand und Bank. Sie zeugen davon, dass schon vor geraumer Zeit das Kirchengestühl abgerückt wurde, um das Holz gegen die Feuchtigkeit im Mauerwerk zu schützen. Hinter dem Altar durchziehen tiefe Risse die Wand. Zwei eiserne Maueranker, die quer durch den Chor gespannt sind, scheinen gerade noch die Wände zusammenzuhalten.
Selbst in diesem bedauerlichen Zustand berührt der Kirchenraum der alten Dorfkirche in Hinzerath den Betrachter. Sei es der Anblick des Altars mit seiner Säulenarchitektur und der reich geschmückten Kanzel, seien es die Namensschilder an den Sitzplätzen der einstigen Kirchgänger – Erinnerungen und Bilder breiten sich wie ein Album vor dem geistigen Auge aus: die Stille in der Kirche, der Geruch von Kerzenwachs und leichtem Moder, das Sitzen auf harten Bänken, Gemurmel, Orgelklang und geistliche Worte. Der umherschweifende Blick, wie er die in warmes Licht getauchte kunstvolle Ausstattung, Wandund Glasmalereien, Säulen und Statuen aufnimmt und den Menschen, die all dies vor Generationen geschaffen haben, bewundernd Achtung zollt.
Gerade jetzt im Advent, da es durch die herrschende Pandemie in den Sternen steht, ob und wie in den Kirchen Weihnachten gefeiert wird, beschleicht viele das vage Gefühl des Verlustes. Vielleicht berührt uns deshalb der Anblick der kleinen Kirche im Hunsrück, die trotz ihres baulichen Zustands einen Charme ausstrahlt, der den ländlichen Gotteshäusern so eigen ist.
Über 2.000 Dorfkirchen konnte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) in den vergangenen Jahrzehnten bei Restaurierungsmaßnahmen helfen. Dennoch ist bei vielen der rund 39.600 denkmalgeschützten Kirchengebäude in Deutschland der bauliche Zustand noch kritisch – vor allem bei Dorfkirchen. „Die Fördermittel sind gerade für die Kirchen in den ländlichen Gebieten unerlässlich“, sagt Rainer Mertesacker (59), seit vielen Jahren Architekt bei der DSD. Er weiß, wie oft die DSD in den östlichen Bundesländern klammen Kirchengemeinden bei den Eigenmitteln geholfen hat, die für die Finanzierung notwendig sind. So gering die Beträge der Stiftung oft waren, sie holten damit die lang erhofften weiteren Fördermittelgeber mit ins Boot. Dann gilt es, die Mittel durchdacht einzusetzen. Wie in Hinzerath.
Denn die Zukunft des 1669 erbauten Kirchleins steht unter einem guten Stern: Die denkmalgeschützte Dorfkirche in der Mitte des 400-Seelen-Ortes soll wieder in Dienst genommen werden. Über eine Generation hinaus war sie ungenutzt, da eine größere Kirche aus den 1960er- Jahren ihre Aufgaben übernommen hatte. Doch die Zahl der Kirchgänger ist gesunken und der Bauunterhalt für zwei Kirchen nicht finanzierbar. „Die Entscheidung in der Kirchengemeinde war ein langer, sehr emotionaler Prozess“, erzählt Pfarrer Michael Jakob (60). „Er begann 2012, als sich herausstellte, dass auch unsere große 60er-Jahre- Kirche umfassende Baumaßnahmen benötigt. Mit beiden Gotteshäusern verbinden die Menschen für sie wichtige Ereignisse ihrer Lebensgeschichte, seien es allein Taufe, Hochzeit und Trauerfeier.“
Dass die Gemeinde sich für
das 350 Jahre alte Gotteshaus entschieden hat, liegt nicht nur an seiner
grundsätzlich guten Bausubstanz, sondern zeugt auch vom Empfinden der Bewohner.
„In dem kleinen Kirchenraum fühlen sich die Menschen noch immer geborgen“, sagt
der Seelsorger. Doch auch Pfarrer Jakob stellt sich die Frage, wie lange sich
wohl die Restaurierungsarbeiten hinziehen werden. Zwar erscheint die Kirche
äußerlich auf den ersten Blick wohlbehalten, aber auch sie leidet unter den
typischen Bauschäden.
Feuchtigkeit ist ein ständiger Begleiter
„Hauptproblem und ständiger Begleiter an Kirchenbauten ist die Feuchtigkeit“, sagt Rainer Mertesacker. „Sie kommt von oben durch die Niederschläge und steigt von unten aus dem Erdreich hoch. Mangelnde Baupflege an den Dächern führt oft zu Undichtigkeiten, die in der Regel zu Schäden im Traufbereich führen. In den alten Mauern, die nicht über Feuchtigkeitssperren verfügen, steigt das Wasser wie bei einem Zuckerwürfel aus dem Erdreich auf und führt zu Schäden und Schimmelbildung im Inneren.“
Bei dichten Dächern läuft das Niederschlagswasser bis zur Traufe ab und tropft an der Dachkante herunter. Doch sobald die Wasserableitung schadhaft ist, sucht es sich neue Wege. Die Nässe dringt in das Gebälk des Dachstuhls ein und sammelt sich an den Fußpfetten, die auf dem Mauerwerk aufliegen. Das Holz beginnt zu faulen. Im schlimmsten Fall breitet sich Echter Hausschwamm aus, ein zerstörerischer Pilz. Da die verwinkelten Stellen im Traufbereich oft schwer einzusehen sind, werden Schäden häufig zu spät erkannt. Dann hat sich die Holzkonstruktion bereits verschoben und an Standsicherheit verloren.
Nächster kritischer Punkt
bei mangelndem Bauunterhalt ist das Mauerwerk: Damit es gegen Spritz- und
Regenwasser gefeit ist, muss die gesamte Mauerfläche sorgfältig verfugt und
glatt sein. Mertesacker: „Dann läuft das Wasser auch daran ab, ohne ins
Mauerwerk einzudringen.“ Die Menschen auf dem Land bauten mit dem, was sie
vorfanden: mit Feldsteinen, die überall auf den Äckern lagen, mit Ziegelsteinen,
die in tonhaltigen Gebieten gebrannt wurden, oder in waldreichen Gegenden mit
Holz.
Dem Baumaterial entsprechend wurden die Kirchen errichtet: Steine wie
Granit oder Basalt, die kein Wasser aufsaugen, wurden oft unverputzt belassen
und gut mit Mörtel verfugt. Beim weicheren Sandstein arbeitete man die
Oberflächen glatt und mauerte die Sandsteinblöcke ohne vorspringende Kanten
auf. Um möglichst glatte Mauerflächen zu erhalten, wurden viele Kirchenfassaden
verputzt. „Doch die allmählich abwitternden Kalk- und Gipsputze müssen erneuert
werden, was oftmals nicht geschah“, erklärt der Architekt.
Die Restaurierung von
Dorfkirchen ist umfangreich und finanziell aufwendig. Zumal noch ein weiterer
Faktor hinzu kommt: Baufehler vergangener Umbauten. Im Barock und im 19.
Jahrhundert wurden mittelalterliche Kirchen häufig umgestaltet. Meist betraf es
die Ausstattung, aber auch bauliche Eingriffe waren üblich. Im Barock etwa
wurden oft die flachen Balkendecken durch hölzerne Tonnengewölbe ersetzt und
brachten das ursprüngliche statische System durcheinander.
Auch vergrößerte Fensteröffnungen schwächten das Mauerwerk und gefährdeten die Stabilität der Außenwände. Mertesacker: „Bei unseren Projekten werden solche Baufehler denkmalpflegerisch angemessen beseitigt. Ein anderes Beispiel: Heute ist es gebräuchlich, neben Drainagen und Entwässerungen im Fundamentbereich durchaus Regenrinnen anzubringen – auch wenn es sie früher nicht gab.“
Kleine Beträge – große Wirkung
Wie rettet man eine Dorfkirche? „Die Devise heißt von oben nach unten und von außen nach innen. Es wird mit Dach und Dachstuhl begonnen. Dann folgen in der Regel die Außenwände“, fasst Rainer Mertesacker zusammen. Die Sanierung außen dauert oft Jahre – bis eine Kirche auch innen wiederhergestellt ist, manchmal Jahrzehnte. Wichtig ist, den geduldigen Menschen am Ort die Zuversicht für den Baufortschritt zu erhalten. „Sie brauchen ab und zu auch etwas für Herz und Auge. Deshalb muss auch einmal eine passende Maßnahme im Innenraum eingeschoben werden, etwa die Restaurierung eines Chorraums, damit das bislang Erreichte auch sinnlich erlebbar wird“, sagt Mertesacker.
ist ein mittelalterlicher Feldsteinbau des 13. Jahrhunderts.
Besonders der Innenraum beeindruckt mit wunderschönen Wand- und Gewölbemalereien.
Diese restaurierten Schätze sind bedroht: Die
Dachkonstruktion fault, die Dachdeckung und
die Wandanschlüsse müssen saniert werden.
Die DSD unterstützt die aufwendigen Bauarbeiten,
die die Kirche jetzt vor dem Verfall retten.
Dorfstraße 11
18276 Lohmen
038458 20460
https://www.denkmalschutz.de/denkmal/dorfkirche-lohmen.html
Wunderschönen Dorfkirchen wie der von Lohmen zu helfen, ist der Deutschen Stiftung Denkmalschutz besonders zu Weihnachten ein großes Anliegen. Den Link zur Soforthilfe für bedrohte Kirchen in Ost und West finden Sie am Ende des Artikels!
Der lange Atem lohnt sich. Immer wieder ist zu hören, wie
sich Skepsis bei den Einwohnern in Freude verwandelt, je mehr die
Dorfkirche ihre Strahlkraft zurückerhält. So erzählt der zuständige
Pastor Hans-Joachim Jeromin (59), der seit Jahrzehnten die Kirche im
vorpommerschen Behrenhoff betreut: „Früher fielen 60 Prozent der
Gottesdienste dort in der Kirche aus, weil es keine Kirchgänger gab.
Seit die Kirche mit ihren wunderbaren Wandmalereien wiederhergestellt ist, findet jeder angesetzte Gottesdienst mit mindestens zehn Menschen statt. Hier trifft sich der örtliche Singkreis, es werden Kunst und Handwerk aus der Gemeinde präsentiert. Es hat sich zudem ein Kreis von Frauen aus dem Dorf zusammengefunden, die sich um die Kirche kümmern und den Altar mit immer neuen Blumengestecken schmücken.“
Seit über 50 Jahren
beschäftigt sich der Humangeograph Gerhard Henkel (77) mit dem ländlichen
Strukturwandel und der Zukunft der Dörfer. Für ihn ist die Kirche von der Lage,
von der Baukultur her oft das stattlichste und wichtigste Gebäude, das ein Dorf
zu bieten hat. „Das Gefühl der Dorfbewohner für ihre Kirche ist meist
riesengroß. Ob sie regelmäßig zur Kirche gehen oder nicht, die Menschen hängen
an ‚ihrer‘ Kirche“, sagt Henkel. Wie stark das Kirchengebäude nicht nur das
Dorfbild, sondern auch das Dorfleben prägt, beschreibt er ausführlich und
anschaulich in seinem kürzlich neu aufgelegten Standardwerk „Das Dorf“.
Professor Henkel: „Die Kirche ist die älteste und über Jahrhunderte intensiv mit Leben gefüllte Institution des Dorfes.“ So hält er das Bestreben vieler Bischöfe, die Dorfpfarreien aufzulösen, für unverantwortlich: „Aus bisher fünf, zehn oder 30 Ortspfarreien werden anonyme Mammutpfarreien gebildet. Die Amtskirche beseitigt also zigtausende Ehrenämter in den lokalen Pfarrgemeinderäten und Kirchenvorständen. Damit stößt sie gerade die noch für ihre Kirche engagierten Dorfbewohner vor den Kopf.“
Wie wichtig das Engagement der Menschen ist, zeigen zum Beispiel die bundesweiten Initiativen, die bestrebt sind, die Kirchen für Besucher offen zu halten. Ein ambitioniertes Unterfangen, bestätigt Kersten Koepcke (57), Beauftragter für Kirche und Tourismus der Evangelischen Kirche in Mecklenburg-Vorpommern, „zumal Pfarrämter oft nicht mehr gleich um die Ecke liegen.“ Er betreut die vor rund zehn Jahren ins Leben gerufene Aktion „Tritt ein! – Die Kirche ist offen“: „Das Interesse unter den jährlich rund zehn Millionen Besuchern in Mecklenburg-Vorpommern ist enorm: Jeder fünfte Gast fragt nach Angeboten, die über die Öffnungszeiten der Kirchengebäude hinausgehen. Im Urlaub gehen die Menschen gern in Kirchen. Hier haben sie mehr als im Alltag die Muße, sich mit spirituellen und kulturellen Themen auseinanderzusetzen.“
Die Kirche in Altenkirchen auf Rügen ist eines der dieser Gotteshäuser, das mit einem solchen Angebot aufwartet: Das älteste, um 1200 erbaute Gotteshaus der Insel ist tagsüber geöffnet, es gibt ein Museum über den Dichterpfarrer Gotthard Ludwig Kosegarten (1758–1818) und es finden kulturelle Veranstaltungen statt.
Seit letztem Jahr wird an
dem Kirchenbau fleißig gearbeitet. Dank der zahlreichen Spenden, die auf einen
Aufruf in der August-Ausgabe von MONUMENTE 2019 eingingen, weiß der zuständige
Bauingenieur Klaus Grützmann (63) mit Freude zu berichten, dass bis auf die
Apsis die Dacharbeiten abgeschlossen wurden. Auch die Fenster konnten saniert
und zudem eine sensorgesteuerte Lüftungsanlage angebracht werden. Sie entzieht
dem Kirchenraum die Feuchtigkeit, damit das Mauerwerk trocknen kann. Nun steht
der nächste große Bauabschnitt an: die Sanierung außen am Mauersockelwerk. Und
dann vielleicht einmal – wenn wieder Fördermittel eingeworben werden konnten –
kann auch der Kirchenraum restauriert werden. Und was ist mit den Menschen
während der Bauphasen? „Wir haben alles abgesichert, die Türe der Dorfkirche
steht nach wie vor offen“, sagt Bauexperte Grützmann lächelnd, „und es treten
viele Menschen ein.“
Christiane Rossner
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Von der Oberlausitz in die Welt: Die Karriere des zackigen Sterns hat vor über 200 Jahren ganz bescheiden angefangen. Heute leuchtet er zur Weihnachtszeit aus unzähligen Fenstern, schmückt Hauseingänge und strahlt in Kirchen.
Von Baumschmuck und "phrygischer Mütze": Die Weihnachtsbräuche, die wir heute so schätzen, reichen zurück in die Biedermeierzeit - und darüber hinaus.
Die Künstlerdynastie Cauer ist eng mit der Stadt Bad Kreuznach verbunden. Sie wurde von Emil Cauer (1800-67) begründet, der 1832 mit seiner Familie in die Stadt an der Nahe zieht, wo er eine Anstellung als Zeichenlehrer am Königlich-Preußischen Gymnasium erhält. Nebenbei betreibt er ein Atelier, in dem er seine beiden Söhne Carl und Robert zu Bildhauern ausbildet. 1856 zieht die Familie in ein 17 Jahre zuvor errichtetes zweigeschossiges, spätklassizistisches Haus. Es beherbergt heute eine Gedenkstätte für die Cauers, in der Konzerte, Lesungen und Kunstseminare stattfinden.
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