Denkmale in Gefahr April 2016
Der morbide Charme alter Gräber täuscht darüber hinweg: Vielen historischen Friedhöfen droht der Untergang. Mit ihnen geht ein Teil Geschichte unwiederbringlich verloren.
Eine
lange Mauer, ein Tor. Große Bäume grüßen herüber. Hinter dem Durchgang scheint
die Welt stillzustehen. Zeit spielt keine Rolle.
Friedhöfe sind ein Stück Kulturgeschichte. Grabstätten erzählen von Menschen, ihrem Leben und ihrem Abschied. Hier trauern Hinterbliebene um ihre Verstorbenen. Friedhöfe offenbaren mit ihrer Anlage und der Art der Pflege die Mentalität der Bewohner eines Ortes. Angesichts von Grabsteinen und Erinnerungstafeln blickt der Besucher auf Menschen zurück, die für die Gemeinde, das Dorf oder die Stadt eine Bedeutung hatten und haben, oder mit ihren prächtigen Gräbern den Machtanspruch und Reichtum für die Nachwelt dokumentierten. Vieler namenlos Verstorbenen wie unbekannter Soldaten wird gedacht, genauso wie toter Angehörigen, die woanders begraben werden mussten. Ein Friedhof kann mit seinem alten Baumbestand auch einfach nur ein Ort der Ruhe und der Natur sein, wo Stadtmenschen der Hektik des Alltags entfliehen, oder ein Platz, wo man sich trifft, um alte Geschichten zu erzählen und Neuigkeiten auszutauschen.
Der Begriff Friedhof kommt keineswegs von „Frieden“. Zu der Zeit, als man möglichst in der Nähe der Reliquien und damit der Kirche bestattet werden wollte, wurden die Kirchhöfe mit einer Mauer, einer Hecke oder einem Zaun umfriedet. Viele dieser Friedhöfe, die wegen ihrer Lage auch „Kirchhof“ genannt werden, sind heute noch in Funktion. Wo jedoch die Zahl der Verstorbenen zu groß wurde, weil eine Stadt zu schnell wuchs oder durch Seuchen die hygienischen Umstände unhaltbar wurden, schloss man die Friedhöfe an den Kirchen und legte neue außerhalb der Siedlungen an.
Wie viele andere Gottesacker wurde der Eliasfriedhof in Dresden um 1680 zunächst vor den Toren der Stadt eingerichtet, um eilig die große Zahl der Pesttoten in Massengräbern zu verscharren. Als 1724 der Kirchhof der Frauenkirche aufgehoben wurde, um der neuen Kuppelkirche Platz zu machen, erweiterte man den einstigen Armenfriedhof erheblich. George Bähr – der Erbauer der Dresdner Frauenkirche – erhielt den Auftrag, die Friedhofsanlage zu gestalten und machte den Eliasfriedhof mit neuen Grufthäusern entlang der Umfassungsmauern zu einer Repräsentationsstätte. Unter den Dresdner Familien des gehobenen Bildungsbürgertums war es im 18. Jahrhundert üblich, neben dem Stadthaus und der „Plaisir“, dem eigenen Weinberg, eine Gruft auf dem Eliasfriedhof zu besitzen. Die kunstvolle Ausstattung mit Epitaphien, Grabmälern, Gemälden und Zierrat in Vitrinen bezeugte ihren Reichtum. Auf dem Friedhofsgelände entstanden zudem aufwendig gestaltete Einzelgräber. Einige von ihnen wurden nach Entwürfen namhafter Künstler wie Johann Christian Kirchner, Caspar David Friedrich oder Gottlieb Kühn geschaffen.
Am 30. Juni 1876 erfolgte auf dem Eliasfriedhof die letzte Bestattung. Das macht ihn zu einem Zeitzeugen, auf dem sich der Zustand des 19. Jahrhunderts trotz fortschreitenden Verfalls und Zerstörung erhalten hat. Seine Bedeutung als nationales Denkmal wird durch die Förderung des Bundesministeriums für Kultur und Medien anerkannt. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt den Förderverein Eliasfriedhof Dresden e. V., der sich seit vielen Jahren sehr für den Erhalt einsetzt. Mit ihrer Hilfe wurden die Grufthäuser gesichert und ein Grabmal nach den Entwürfen von Caspar David Friedrich restauriert. Angesichts des Zustands des Friedhofs sind dies Tropfen auf dem heißen Stein. Vielen Gräbern droht der komplette Verfall. Mit ihnen geht ohne erhaltende Maßnahmen Stadtgeschichte unwiederbringlich verloren. Die vordringliche große Aufgabe ist die Sicherung von Grabsteinen, ihre Inventarisierung und das Entfernen von wild gewachsenen Bäumen, die die Gräber vollends zu zerstören drohen. Außerdem ist die Verkehrssicherheit nicht in allen Teilen gewährleistet. Daher ist die Anlage nur bei den regelmäßig stattfindenden Führungen des Fördervereins und am Tag des offenen Denkmals zu besichtigen. Ziel ist es, den Eliasfriedhof wieder der Öffentlichkeit frei zugänglich zu machen.
Ein
anderer historischer Friedhof, an dessen Restaurierung sich die Deutsche
Stiftung Denkmalschutz beteiligt, liegt am malerischen Wutzsee in Lindow. Er
gehört zum gleichnamigem Kloster, das Ende des 19. Jahrhunderts Theodor Fontane
in seinem Roman „Der Stechlin“ für das „Kloster Wutz“ zum Vorbild nahm. In
seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ schreibt er angesichts der
Klosterruinen unter prächtigen alten Bäumen: „Die schönsten Teile dieser
Parkwiese sind die, wo begraben wird. Von dem richtigen Gefühl ausgehend, dass
Leben und Tod Geschwister sind, die sich nicht ängstlich meiden sollen, hat man
hier die Spiel- und Begräbnisplätze dicht nebeneinander gelegt, und dieselben
Blumen blühen über beide hin.“ Danach moniert er die soziale Rangordnung, die
auf dem Friedhof heute noch erkennbar ist: Erst kommen die Stiftsdamen, dann
Dienstleute und Beamte. Der Besucher findet wuchtige Grabplatten in
mittelalterlichen bis hin zu barocken und klassizistischen Formen vor. Sie
zeigen oft Symbole der Vergänglichkeit wie Sanduhr oder Mohnkapsel. Die
gusseisernen Grabkreuze stammen aus der Königlichen Eisengießerei zu Berlin.
Einige davon wurden von Schinkel entworfen. Ihre Standfestigkeit muss dringend
wiederhergestellt werden. Die Grabstellen insgesamt sind in einem
bedauernswerten Zustand. Viele Steine sind ausgewaschen, die historische
Substanz geht zunehmend verloren.
Das Kloster wurde vermutlich um 1230 als Zisterzienserinnenkloster durch die Grafen von Arnstein gegründet. In seiner Blütezeit im 15. Jahrhundert umfassten seine Ländereien ein Viertel des Ruppiner Landes. Es verfügte über etliche Dörfer, außerdem neun Wassermühlen, viele Fischteiche und Seen. Darüber hinaus besaß es das Patronat über fünfzehn Mutter- und sechs Filialkirchen. Damit versorgte es bis zu 37 Nonnen, den Probst sowie die Laieninsassen. 1542 fielen mit seiner Säkularisierung weitreichende Teile in weltlichen Besitz, sodass das in ein evangelisches Damenstift umgewandelte Kloster seine Bedeutung verlor. 1638, im Dreißigjährigen Krieg, wurde es von den kaiserlichen Truppen zerstört und brannte fast vollständig aus. In der Folge verwendete man viele Trümmersteine als Baumaterial. Obwohl die verbliebenen Stiftsdamen im Laufe der Zeit mehrfach versuchten, dem Kloster zu alter Größe zu verhelfen, blieb es in dem Zustand, den 200 Jahre später Fontane beschrieb, und den wir heute noch vorfinden. Ohne Hilfe zur Sicherung der historischen Gräber droht die Anlage und mit ihr die lange Geschichte des Ortes für immer unterzugehen.
Viele
große Städte kämpfen ebenfalls für den Erhalt ihrer auf Friedhöfen
dokumentierten Geschichte. Beispielsweise Osnabrück, das mit dem
Johannisfriedhof im Süden und dem Hasefriedhof im Norden über einen besonderen
Schatz verfügt. 200 Jahre Sepulkralkultur sind lückenlos dokumentiert,
unzählige wichtige Bürger wurden hier bestattet. Beide innerstädtischen
Friedhöfe wurden auf Erlass Napoleons 1808 vor den Toren der Stadt errichtet.
Die hygienischen Zustände der Friedhöfe an den Kirchen waren durch Überbelegung
unhaltbar geworden. An den Friedhofsmauern lässt sich heute noch
nachvollziehen, wie das Areal von Abteilung zu Abteilung erschlossen wurde.
Inzwischen haben beide Friedhöfe ausgedient.
Bevor
diese 2015 entwidmet wurden, entwickelten zwei Forschungsprojekte umfassende
Pläne für ihre zukünftige Nutzung. Grundlage war eine Analyse, die nicht nur
die Bedeutung für die Stadtgeschichte, sondern auch für den Grüngürtel der
Stadt als Naherholungsfläche und für den Naturschutz enthielt. Beispielsweise
dienen sie außergewöhnlich vielen Vogelarten als Brutquartier und auf den
Abteilungsmauern wachsen elf Moose, die auf der „Roten Liste“ Niedersachsens
stehen. Auch der geschützte und gefährdete Goldstern blüht im Frühjahr auf
beiden Anlagen. Die Stadt gründete eine Stiftung mit dem Zweck, die seit 1983
denkmalgeschützten Friedhöfe dauerhaft pflegen zu können. Sie bindet die Bürger
mit erschwinglichen Einzelaktivitäten engagiert in die Pflegemaßnahmen ein.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hilft mit einem besonders nachhaltigen Projekt: die Erneuerung der Wege. Sie waren teilweise schon überwachsen und kaum noch erkennbar. Unter der Leitung der Osnabrücker ServiceBetriebe, Abteilung Historisches Bewahren, wurde ein Sanierungsmodell entwickelt. Vorhandene Grabeinfassungen dienen wie früher als Wegeeinfassungen und werden vor Ort gerichtet. Mit Schotter und Splitt aus ortsüblichem Material werden wassergebundene Wege erneuert. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz finanziert das Material, die Stadt übernimmt die Arbeiten. Erste Erfolge dieser Pflegemaßnahme sind bereits sichtbar. Die verbesserten Wege werden – z. B. von den Bewohnern eines benachbarten Pflegeheims – viel leichter und damit häufiger zum Spazierengehen genutzt. Dadurch hat auch Vandalismus nachgelassen. Der Friedhof wird als eine Art Freiluft-Stadtmuseum und als innerstädtische Grünfläche von den Bürgern dankbar angenommen. Hier zeigt sich, wie auch mit geringen Fördergeldern eine große Wirkung erzielt werden kann.
Auch auf Friedhöfen, auf denen noch Bestattungen stattfinden, müssen sich Friedhofsverwaltungen um historische Gräber Gedanken machen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz versucht bei der Restaurierung historischer Friedhofsanlagen, zu denen auch eine große Zahl der jüdischen und der Kriegsgräberfriedhöfe gehört, ebenso zu helfen, wie bei der Restaurierung kunsthistorisch besonders bedeutender Einzelgräber. verwaltenHelfen auch Sie bei der Rettung historischer Grabstätten!
Stefanie Kellner
Bitte
helfen Sie, historische
Gräber und
Friedhofsanlagen zu
erhalten!
Vielen historischen Gräbern und Friedhöfen in Deutschland droht der Untergang. Jede Spende hilft.
Sollten für die genanntenFriedhöfe mehr Spenden eingehen,als benötigt werden, kommen sie anderen historischen Gräbern und Friedhöfen zugute.
Auch kleinste Beträge sind willkommen!
Auch kleinste Beträge zählen!
Der Eliasfriedhof in Dresden ist nur im Rahmen von Führungen des Fördervereins zu besichtigen. Die Termine finden Sie hier: www.eliasfriedhof-dresden.de
Mehr Informationen erhalten Sie bei: Förderverein Eliasfriedhof Dresden e.V., Tauscherstraße 7, 01277 Dresden, Tel. 0351 2516211 oder per E-Mail bei der Friedhofsverwaltung, Frau Beatrice Teichmann: beatrice.teichmann@johannisfriedhof.dresden .de
Voraussichtlich im Mai 2016 wird die mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sanierte Güntz-Gruft eingeweiht.
Sowohl die beiden historischen Friedhöfe in Osnabrück, der Hasefriedhof im Norden und der Johannisfriedhof im Süden, als auch der Klosterfriedhof in Lindow (Mark) am Wutzsee sind frei zugänglich.
Um unsere Friedhofskultur der Nachwelt zu erhalten, wurde von dem gemeinnützigen Verein für Computergenealogie e.V. ein
Bürgerprojekt ins Leben gerufen. Ehrenamtliche Mitarbeiter fotografieren unter Wahrung der Friedhofsordnungen sämtliche Grabsteine eines Friedhofs und erfassen die Inschriften in einer Datenbank, die öffentlich zugänglich ist. Mehr unter: http://grabsteine.genealogy.net/
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
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Interessant, dass Friedhöfe früher immer direkt an einer Kirche waren. Ich kann dem morbiden Charme eines verwilderten Friedhofes auch viel abgewinnen, jedoch möchte ich nicht, dass der Friedhof von den Menschen, denen wir noch gedenken, verkommt. Die Grabsteine sollten von Moos befreit sein und kippsicher. Bäume sollten beschnitten werden und die Pflanzen bewässert werden.
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