Öffentliche Bauten Nach 1945 Herrscher, Künstler, Architekten Dezember 2015
Es war immer wieder im Fokus der Presse und ist doch zu wenig bekannt: Jetzt wird das Lehmbruck Museum in Duisburg restauriert und ist damit umso mehr einen Besuch wert
Mai 1964 in Duisburg: Eine „Hingabe zur geistigen Welt in einer Stadt der Schornsteine“ soll das neue Lehmbruck Museum sein, so schreibt die Lokalpresse zu dessen Eröffnung – und so ist es.
Ein Schmuckstück haben die Duisburger im Kant-Park mitten in der Stadt bekommen. Mit dem Museum wollen sie dem in Meiderich bei Duisburg geborenen Künstler Wilhelm Lehmbruck einen angemessenen Platz in ihrer Stadt einräumen. Es ist – wie so oft in den bundesrepublikanischen 1960er-Jahren – eine Mischung aus einer Präsentation des wirtschaftlichen Aufschwungs in Form von Kultur und einer Wiedergutmachung an einem im Nationalsozialismus geschmähten Künstler. Auch Wilhelm Lehmbruck, 1881 geboren, 1919 freiwillig aus dem Leben geschieden, wurde 1937 zur „Entarteten Kunst“ gezählt. Er, einer der wichtigsten Bildhauer der Moderne, war zu Lebzeiten ein hochgeachteter Künstler. Seine Plastiken zeigen einen einzigartigen expressionistischen Ausdruck.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kauft das Duisburger Stadtmuseum gezielt
Kunstwerke Wilhelm Lehmbrucks. Während einer Sonderausstellung zu seinem Werk
1955/56 reift der Entschluss: Ein Museumsneubau für die Kunst der Moderne soll
entstehen. Der Auftrag geht an – und das zementiert die besondere Bedeutung der
Familie Lehmbruck für Duisburg und macht dieses Museum gleichzeitig einzigartig
– einen der Söhne des Künstlers: den Architekten Manfred Lehmbruck (1913–92).
Aufgabe ist, in einem zweiteiligen Gebäude einen Trakt ausschließlich zur
Präsentation des Lebenswerkes seines Vaters einzuplanen.
Und Manfred Lehmbruck baut: Mit großer Achtsamkeit entwirft er für die Lehmbruck-Sammlung so offene wie geheimnisvolle Räumlichkeiten, die die Skulpturen seines Vaters perfekt präsentieren. Die Architektur mit geschwungenen Betonwänden, mit dem wie eine Lichtplastik auftretenden, gläsernen Atrium und den versetzten Ebenen beherbergt die Kunstwerke auf behutsame und stille Weise und setzt sie gleichzeitig exponiert in Szene. Die filigrane Figurensprache der Plastiken mit ihren charakteristisch gelängten Gliedmaßen und schmalen Silhouetten korrespondiert in perfekter Harmonie mit den Materialien der 1960er-Jahre. Rau wirkt die gekörnte Oberfläche des Sichtbetons und dessen Schalungsspuren, gibt aber als griffiger Hintergrund Halt. Kieselsteine und dunkle Terrazzoböden bilden dazu einen farblichen Akkord, Glaswände lenken auf fast spirituelle Art Licht- und Sichtachsen.
Aufgabe der Architektur sei es, forderte Manfred Lehmbruck, die
ungestörte Begegnung von Mensch und Kunst zu ermöglichen. Eine stumme
Zwiesprache solle helfen, das Leben zu deuten und sinnvoll zu gestalten. Noch
in anderen Museumsprojekten, zum Beispiel beim Pforzheimer Reuchlinhaus oder beim Federseemuseum in Bad Buchau, konnte er sein Gespür für diese
Art des Dialogs zeigen. Aber wohl kaum ein anderes Haus ist so klug und
durchdacht um Kunst herum gebaut worden: Ästhetik, die Ästhetik potenziert. Ein
Modell im Lehmbruck-Flügel zeigt, dass der Architekt schon im Entwurf jeder
einzelnen Plastik ihren Platz zugeordnet hat. Es ist diese spürbare Intimität
des Vater-Sohn-Werks, die das Museum zu einem ganz besonderen Ort der modernen
Kunst und Architektur macht.
Neben der gläsernen Ausstellungshalle, die Manfred Lehmbruck als zweiten Flügel des Museums entwarf, wurde 1987 ein zusätzlicher Gebäudeteil für Wechselausstellungen angefügt.
Klamme Haushalte und einige Aufregungen – der Sammler und Autor Lothar-Günther Buchheim zog 1987 seine versprochene Expressionisten-Sammlung wieder zurück, der Vorgängerdirektor gab 2012 kurzfristig seinen Posten auf und hinterließ ein Haus kurz vor der Insolvenz – haben dem Bauwerk nicht gutgetan: Das undichte Dach im Lehmbruck-Trakt führte zu ebenso skurrilen wie traurigen Rettungsaktionen mit Skulpturen unter Regencapes. 2012 drohten Teile der Lichtdecke in der Ausstellungshalle herabzustürzen, 450 Platten mussten aus Sicherheitsgründen abmontiert werden. Nun läuft seit letztem Jahr eine umfassende Restaurierung.
Das Museum ist in den Park inmitten des Stadtzentrums hineinkomponiert worden. Die Glashalle soll die Bürger auch im Vorübergehen einladen, Kunst zu erleben. Wenn wie geplant zum Schluss der Teich im Skulpturenhof wieder hergerichtet sein wird, ist das Lehmbruck Museum im Ganzen ein stimmiges Ensemble aus der Zeit der Nachkriegsdemokratie – wärmstens für einen Besuch empfohlen.
Beatrice Härig
Fördermaßnahmen mithilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz
2014: Lehmbruck-Trakt: Dachsanierung
2015: Ausstellungshalle: Dach- und Fassadenarbeiten
Mehr zum Architekten Manfred Lehmbruck lesen Sie in unserem Artikel über die Baukunst der 1960er-Jahre
Informationen zum Lehmbruck Museum
Friedrich-Wilhelm-Straße 40
47051 Duisburg
Tel. 0203 283-3294
Schwerpunkt ist neben dem Werk Wilhelm Lehmbrucks die Sammlung moderner und zeitgenössischer Skulptur.
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