Material Restaurierungstechniken April 2014
Die Bestände vieler deutscher Architektursammlungen sind in Gefahr. Es mangelt am Budget für Restauratoren. So sieht es auch bei den Plänen und Zeichnungen des Berliner Doms aus. Die Gemeinde mit ihren 1.400 Mitgliedern ist Eigentümerin der Kirche. Sie trägt eine große Verantwortung für die Papiere, Urkunden und Akten, der sie allein nicht gerecht werden kann.
Vom Goldglanz geblendet und von der Raumweite überwältigt taumelt der Besucher ans Tageslicht - einen gefühlten halben Meter kleiner als beim Eintreten in den Berliner Dom. Den Kuppelraum muss jeder erst einmal verkraften, muss Abstand nehmen von diesem Giganten der Kaiserzeit, um wieder zu sich selbst zu finden. Es braucht mehrere hundert Meter durch den Lustgarten, ehe der Dom ganz ins Blickfeld passt. Wie er da majestätisch, breit und schwer den hochgeschossenen Fernsehturm in den Hintergrund drängt: ein Solitär in einer sich rasant ändernden Umgebung zwischen Schlossbaustelle und Museumsinsel, seine monumentale Gestalt ein Fels in der Brandung. Wie viel im Herzen von Berlin in den vergangenen Jahrzehnten sich auch bewegte, abgerissen und neu erdacht wurde: Der 1905 geweihte Dom blieb und ist - inzwischen - unbestritten. Er hat es geschafft. Im Gegensatz zum gesprengten Schloss und zum Palast der Republik hat er über die Zeiten und Regierungen hinweg seinen Platz in der Mitte von Berlin behauptet.
Nach dem Krieg galt die Aufmerksamkeit erst einmal dem Dom selbst, eine Bombe hatte ihn im Mai 1944 getroffen. Die brennende Kuppel stürzte ins Innere. Es wird berichtet, man habe später Papiere mit dem Schneeschieber aus den Trümmern geborgen. Grob gereinigt kamen sie ins Archiv der Kirche. Es wurde zusammengeklaubt, was zu finden war: Urkunden, Rechnungen und Entwurfszeichnungen, zurückgehend bis auf das 16. Jahrhundert. Das Gedächtnis der Kirche und ihrer Vorgänger, auf einem Haufen mit Splittern und Ruß, manche Blätter zusammengepappt, gerissen, geknickt, verfärbt.
Nach dem Krieg standen die Zeichen schlecht für den Dom. Er verkörperte "Wilhelminischen Protz" und die Verbindung von Thron und Altar, ein sakraler Stein des Anstoßes am sozialistischen Marx-Engels-Platz. Der Abriss wurde diskutiert und verworfen, es wurde provisorisch gesichert. So erging es auch den Plänen, die in kalten, feuchten Räumen zu schimmeln begannen. Als die Kirche ab 1975 wiederaufgebaut wurde, hatten sich die Zeiten geändert. Das Gotteshaus und sein ausuferndes Innenleben inklusive Hohenzollerngruft, Kaisertreppe und Archiv galt nun als Denkmal und "historisches Dokument". Architekturzeichnungen waren für die Restaurierung plötzlich von unschätzbarem Wert: Papiere und Modelle dienten als Grundlage für die Wiedergewinnung der Kirche. Sie dauerte bis nach der Jahrtausendwende. Danach wurden die Pläne 2007/08 gesichtet, digitalisiert, sortiert, und in atmungsaktives Vlies verpackt - eine Notmaßnahme, um den Verfall zu stoppen. Aber jetzt drängt die Zeit.
Aber im Zentrum der Stadt, wo scheinbar jeder Stein umgedreht wird, ist der Dom nur äußerlich zur Ruhe gekommen. In seinen Eingeweiden brodelt es. Er leidet unter verschleppten Kriegsschäden, nach 70 Jahren noch. Denn was kaum jemand weiß und fast niemand sieht: Die Akten und Urkunden im Domarchiv und die historische Architektursammlung sind schwer beschädigt. Hilfe tut not. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, verantwortlich für Baudenkmale, kann in dieser Angelegenheit nur Sprachrohr sein und an alle appellieren, dass Pläne für Denkmalpfleger ein wichtiges Arbeitsmaterial sind.
Abgesehen von 19 bereits restaurierten Zeichnungen und im Dommuseum ausgestellten Modellen ist die Architektursammlung des Berliner Doms nach Einschätzung von Experten in einem äußerst prekären Zustand. Die Domgemeinde mit ihren etwa 1.400 Mitgliedern ist Eigentümerin der Kirche. Sie trägt eine große Verantwortung und eine Last, die sie allein nicht stemmen kann.
Die Objekte im Berliner Domarchiv zeigen komplexe Schäden: physikalische wie Risse und Knicke, biologische wie Schimmel und chemische wie Zerfall durch den hohen Säuregehalt der Papiere. Manche Pläne sind verstaubt und verschmutzt. Schwarze Partikel sind auf den Zeichnungen des Architekten Friedrich August Stüler zu erkennen. Er hatte Mitte des 19. Jahrhunderts Entwürfe für eine Basilika geliefert, ebenso gehören Darstellungen des Vorgängerbaus, des sogenannten Boumann-Schinkel-Doms, zum Bestand. Ein Großteil der 6.600 Objekte stammt von Julius Carl Raschdorff, der den Auftrag zur Realisierung nach langwierigen Vorüberlegungen schließlich ergatterte. Daneben finden sich Kartons des vielbeschäftigten Künstlers und Kunstpolitikers Anton von Werner, Direktor der Hochschule für Bildende Künste und glühender Verehrer des Kaisers.
Er entwarf die acht Kuppelmosaiken im Dom mit dem Thema der "Seligpreisungen" aus der Bergpredigt des Evangelisten Matthäus, malte detailgenaue Farbvorlagen in Öl, zeichnete im Maßstab 1:4 Kartons in Kohle und Kreide. Sie waren dann wiederum die Vorlage für 1:1-Darstellungen, die übrigens schon damals, 1902, per Fotovergrößerung gefertigt wurden. Jedes einzelne Mosaik in der Kuppel des Doms ist - auch heute wieder - 39 Quadratmeter groß und besteht aus mehr als einer halben Million eingefärbte Glassteine. Die Mosaiken wären für immer verloren gewesen, wenn nicht sämtliche von Wernerschen Farbgemälde und Kohlekartons den Krieg überdauert hätten und 1987, als man zu restaurieren begann, im Keller gefunden wurden. Mosaikleger konnten die Ideen Anton von Werners am Original ablesen und umsetzen. 2002 waren die diffizilen Arbeiten vollendet. Darüber hinaus birgt das Archiv an seinen unterschiedlichen Unterbringungs-Orten - in einem Oberlichtraum über dem Triumphbogen der Westfront oder in einem "Labyrinth" hinter dem Büro der Dombaumeisterin - weitere wichtige Papiere.
Was den jetzigen Glanz der Kuppel im Berliner Dom erst ermöglichte, die Arbeit vieler Namenloser im Hintergrund, das Stöbern im Archiv, das Sammeln der Mosaiksteine vom Fußboden der ruinösen Kirche, offenbart die glatte Oberfläche nicht mehr. Aber bekanntlich trügt der Schein. Es ist kein Selbstzweck oder ästhetisches Vergnügen allein, Entwürfe aufzubewahren. Sie machen erst möglich, was nach dem Bau oder der Restaurierung jeder für selbstverständlich hält: den perfekten Auftritt des Gesamtkunstwerks. Und nebenbei geben die Akten Auskunft über die Standsicherheit des Doms und seine verborgene Konstruktion. Sie bedarf der besonderen Pflege, es gilt, Risse und Verschiebungen zu beobachten. Alte Skizzen und Berechnungen setzen Dombaumeisterin Charlotte Hopf über das Innenleben hinter den gemauerten Steinen ins Bild und sind für ihren Auftrag, die Kirche zu pflegen und zu erhalten, eminent wichtig.
Seit 2008 arbeitet der Facharchivar und Kunsthistoriker Yves Pillep im Dom. Er hat sich der Aufgabe verschrieben, systematisch ein modernes Archiv aufzubauen und es für Interessierte und Forschende benutzbar zu machen.
Mit dem Domkollegium und seinem neuen Vorsitzenden Dr. Volker Faigle ist
es sein Wunsch, dass der gesamte Bestand unter die Lupe genommen wird,
dass Schäden aufgelistet und daraufhin Prioritäten für die Restaurierung
festgelegt werden. Denn die Aufgabe ist ein Lebenswerk. Nicht alles
lässt sich zur gleichen Zeit realisieren. Davon kann die Leiterin der
Baukunstarchive der Akademie der Künste in Berlin, Dr. Eva-Maria
Barkhofen, ein Lied singen. Sie ist Sprecherin der 1997 gegründeten
Förderation deutscher Architektursammlungen mit inzwischen 22
Mitglieds-Institutionen. Ihr Ziel ist, einheitliche Sammlungsmethoden
und -kriterien für Architekturdokumente zu entwickelten und Standards
für die Restaurierung festzulegen.
Barkhofen sieht die Bestände vieler deutscher Architektursammlungen in Gefahr, denn fast überall mangelt es am Budget für Restauratoren. Ihr stehen im Baukunstarchiv mit 250.000 Plänen, 200.000 Fotos und einem Schriftgut von einem Kilometer Länge in sieben Abteilungen gerade mal zwei Papierrestauratoren zur Seite. Dieser Mangel sei leider Alltag in fast allen deutschen Architektursammlungen. Daher ist es umso wichtiger, die Materialen gut unterzubringen und mit den geringen Mitteln, die zur Verfügung stehen, das richtige zu tun. Um den Verfall zu stoppen, hilft es, Papiere nicht zu quetschen und zu drücken, sie bei 20 bis 21 Grad Celsius gleichmäßig warm und bei einer Luftfeuchtigkeit von 50 bis maximal 60 Prozent zu lagern. Fotos sollten nicht höher als fünf bis sechs Zentimeter gestapelt werden. Sobald Originale digitalisiert wurden, ist es ratsam, sie nicht mehr anzufassen, sondern nur noch am Bildschirm anzuschauen. Nach der Entschimmelung - es wird mit Chemikalien begast - ist ein mechanisches Reinigen nötig: Abfegen und Absaugen sind preiswerte und effektive Methoden. Im Archiv des Berliner Doms muss man also nicht den Mut verlieren: Denn mit diesen Faustregeln ist schon viel, wenn auch lange nicht alles gewonnen. Die Schritte helfen über die ärgste Not, den Verlust von Papieren, hinweg, sind aber keine Lösung auf Dauer.
Leinwandgemälde und Originalkartons von Anton von Werner sind zunächst einmal versorgt, Holzmodelle und Gipse nicht akut gefährdet. Dahingegen können die Architekturzeichnungen zum Raschdorffschen Dom - es handelt sich um meterlange aufgerollte Zeichnungen, deren Papier brüchig und stark verstaubt ist - nicht ohne die Anwesenheit eines Restaurators in Augenschein genommen werden. Andere, in Schränken liegende Zeichnungen sind vom Pilz befallen und stark verschmutzt.
Die Gemeinde des Berliner Doms sucht Partner, die sich an dem Hilfswerk finanziell beteiligen. Ob eine Architektursammlung die Zeiten übersteht, hängt immer vom Einzelfall ab: wer die Institution leitet, wieviel Geld zur Verfügung gestellt wird, mit welchem persönlichen Engagement der Archivar an die Sache geht. Um die Motivation müssen wir uns beim Berliner Dom keine Sorgen machen, denn die ist da.
Christiane Schillig
"Der Berliner Dom ist der vielleicht letzte große Kirchenbau des Historismus. Er hat damit - nicht nur architekturgeschichtlich - eine Bedeutung über Berlin hinaus für ganz Deutschland. Die historischen Bauunterlagen, insbesondere die Architektursammlung, dokumentieren sowohl die Entwurfs- und Baugeschichte, als auch den Umgang mit einem historischen Bauwerk in der Zeit des Wiederaufbaus nach der teilweisen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, der ohne diese Unterlagen nicht möglich gewesen wäre.
Die Bewahrung dieser Überlieferung, die sich zu einem Teil in schlechtem Zustand befindet und im Bestand gefährdet ist, gibt uns nicht nur das Kirchliche Archivgesetz auf, sondern ist auch für künftige Generationen wichtig. Auf der Grundlage unseres Archivs können neben architektonischen und kunstgeschichtlichen kirchengeschichtliche Fragen geklärt werden, um dieses Bauwerk und die Zeit, in der es errichtet wurde, zu verstehen.
Nicht zuletzt gilt der Berliner Dom als Hauptwerk des Architekten Julius Carl Raschdorff. Die schriftlichen Zeugnisse unseres Archivs, in denen sich sein Schaffen niederschlägt, dürfen nicht verloren gehen."
Der Berliner Dom
1814/15 Entwurf Karl Friedrich Schinkels für einen Dom als Denkmal für die Befreiungskriege
1820/21 Überformung des bestehenden Doms aus der Mitte des 18. Jahrhunderts von Johann Boumann d. Ä. durch Karl Friedrich Schinkel
1835 Letzter Entwurf für einen neuen Dom von Karl Friedrich Schinkel scheitert, in den Folgejahren Vorschläge durch Friedrich August Stüler (Basilika)
1884 Entwurf von Julius Carl Raschdorff
1888 Neuer Entwurf Julius Carl Raschdorffs
1893 Beginn des Dom-Neubaus nach fast 100-jähriger Planungs- und Diskussionsphase im Auftrag des Kaisers als protestantische Predigtkirche und Symbol nationaler Einheit
1905 Fertigstellung des Doms. Er ist das größte deutsche Kirchenbauwerk des 19. Jahrhunderts. Gliederung des Baus in eine Fest- und Predigtkirche, eine Denkmalskirche (abgerissen) und eine weitläufige Hohenzollerngruft Mai 1944 Bombentreffer, die brennende Kuppel stürzt bis in die Gruft
1948 nach langen Diskussionen um Abriss, Wiederaufbau und künftige Nutzung der Ruine die Entscheidung: Abbruch ist teurer als Instandsetzung
1950 Abtragen der zerstörten äußeren Kuppel, Sicherung der Innenkuppel, im selben Jahr Sprengung des Berliner Schlosses
1975-84 Wiederaufbau der äußeren Hülle
1983-93 Projekt zur Wiederherstellung der Innenräume
1999 Öffnung der Hohenzollerngruft für Besucher
2002 Fertigstellung der Mosaike
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
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