Kleine und große Kirchen Historismus Dezember 2012
Die Kapelle von Schloss Türnich bei Köln ist ein Kleinod des Rheinischen Späthistorismus. Feuchtigkeitsschäden gefährden das Denkmal und seine prächtige Ausstattung.
Die göttliche Ordnung ist buchstäblich aus den Fugen geraten: Die von den Mondphasen und Tierkreiszeichen eingerahmte Sonne befindet sich in Schieflage, die Allegorien der Jahreszeiten und Lebensalter sind ins Wanken gekommen. Das in einen Vierpass eingeschriebene Bodenmosaik der Schlosskapelle zu Kerpen-Türnich soll eigentlich den Rhythmus der Schöpfung symbolisieren. Doch Bergbauschäden und deren Folgen haben die Harmonie nachhaltig gestört. Dabei ist die 1893-95 errichtete Hauskapelle der Grafen von und zu Hoensbroech eine viel zu wertvolle Perle des Rheinischen Späthistorismus, als dass sie verloren gehen dürfte.
Reichsgraf und Marquis Franz-Eugen von Hoensbroech hatte seinerzeit keine Kosten gescheut, um seiner jung verstorbenen Gattin diesen Memorialbau zu widmen. Hermenegilde Gräfin Wolff-Metternich zu Gracht war auf der Hochzeitsreise an Tuberkulose erkrankt und nach sieben Jahren ihrem Leiden erlegen. Franz-Eugen, der zeitlebens Witwer blieb, beauftragte daraufhin den Regierungsbaumeister Heinrich Krings mit dem Neubau der Kapelle für das Wasserschloss Türnich.
Die Familie von und zu Hoensbroech hatte das idyllische Ensemble vor den Toren Kölns, das einen Wirtschaftshof, die Rentei und einen weitläufigen Park umfasst, 1850 von den Freiherren von Rolshausen übernommen. Franz-Eugen ließ das schlichte mittelalterliche Gotteshaus niederlegen und die neue Schlosskapelle an der Nordostecke des spätbarocken Herrenhauses errichten. Krings entwarf einen einschiffigen Saalbau mit Apsis und seitlichem Glockenturm. Während er die Sandsteinfassade neobarock gestaltete und so stilistisch auf das Schloss Bezug nahm, herrschen im kreuzrippengewölbten Innenraum neoromanische Formen vor.
Horror vacui mit schönen Folgen
An die 90 verschiedene Marmorsorten wurden für Wand und Boden verwendet - die Inkrustationen der Sockelzone bieten ein beeindruckendes Farbenspiel. Beim Altar kamen nicht nur erlesene Materialien wie Carrara-Marmor, Porphyr, Onyx und Alabaster, sondern verschiedene aufwendige Handwerkstechniken zum Einsatz. An der ungewöhnlich kostbaren Ausstattung waren die namhaftesten Künstler des Rheinlandes beteiligt: Der Spätnazarener Franz Guillery schuf die Wand- und Deckenmalereien, die Mosaikarbeiten lieferte die Kölner Werkstatt Peter Bayer, ein Großteil des Inventars entwarfen der Bildhauer Wilhelm Albermann und der Goldschmied Gabriel Hermeling. Der Innenraum wurde überbordend geschmückt, kein Eckchen blieb ausgespart.
Alles beherrschend ist Guillerys Darstellung der Majestas domini in der Apsis, die aus der byzantinischen Kunst abgeleitete Darstellung des thronenden Christus als Weltenrichter. Sie wurde begleitet von Szenen aus dem Leben Jesu sowie Darstellungen der heiligen Elisabeth, die das Patrozinium der Kapelle innehat. Auch die Glasfenster aus der Kölner Werkstatt Schneiders & Schmolz waren ihr gewidmet. Die Heilige war eine beliebte Identifikationsfigur für den christlichen Adel, der sich wie die Hoensbroechs zu karitativer Betätigung verpflichtet fühlte. Darüber hinaus führt die Familie ihren Stammbaum auf die Landgräfin von Thüringen zurück. Die bekannteste Elisabeth-Legende, das Rosenwunder, ziert die Rosette auf der Westseite. Das große Rundfenster hatte man aus Birmingham importiert. Ansonsten wurde das meiste Inventar eigens für die Hoensbroechsche Kapelle geschaffen.
Vertracktes Schadensbild
Trotz der kontinuierlichen Nutzung, vor allem als Haus- und Taufkapelle der gräflichen Familie, ist der bauliche Zustand besorgniserregend. Ab den 1890er Jahren hatte man die Braunkohleförderung in der Region um Kerpen im großen Stil ausgebaut. Auch die Hoensbroechs wurden mit dem Ankauf des Schlosses zu erfolgreichen Brikettfabrikanten. Doch der Tagebau, der ihnen zunächst das Geld für den teuren Kapellenneubau bescherte, sollte das Fortbestehen der Anlage später gefährden. Als in den 1950er Jahren der Grundwasserspiegel in der unmittelbaren Umgebung abgesenkt wurde, kam Dynamik ins Fundament des ohnehin schlecht gegründeten Wasserschlosses. Das 1757-66 wahrscheinlich vom kurfürstlichen Hofarchitekten Michael Leveilly errichtete Herrenhaus ist seit Jahrzehnten unbewohnbar, ja drohte sogar auseinanderzubrechen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz trägt als Partner von Land und Eigentümer seither einen wesentlichen Teil dazu bei, das Gebäude mit seinem wertvollen Rokoko-Raumschmuck instand zu setzen.
Momentan steht die Kapelle im Fokus. Schon in den 1930er Jahren wurde festgestellt, dass aus dem Boden aufsteigende Feuchtigkeit in dem unmittelbar neben dem Schlossweiher gelegenen Gotteshaus für ein ungutes Raumklima sorgt. Nach einem Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg konnte jahrelang auch von oben Feuchtigkeit eindringen, wodurch einige Wandgemälde arg in Mitleidenschaft gezogen wurden oder sogar gänzlich verloren gingen. Die vom Braunkohleabbau ausgelösten Veränderungen des Geländes haben die Situation in jüngerer Zeit noch verschlimmert. Dass verschiedene Ursachen ineinandergreifen, macht das Schadensbild so komplex.
Mittlerweile ist die wandfeste Ausstattung von der Durchfeuchtung ernsthaft bedroht. Die kostbaren Marmorverkleidungen im Sockelbereich werden mehr schlecht als recht von ausgewaschenem Mörtel gehalten, Teile sind bereits weggebrochen. Der prächtige Fliesenteppich ist an einigen Stellen regelrecht aufgeworfen.
Die Familie von und zu Hoensbroech, die hier Bio-Landwirtschaft betreibt, setzt alles daran, das Ensemble zu erhalten, und möchte es in weiteren Teilen der Öffentlichkeit zugänglich machen. Schon jetzt locken der Schlosspark und der demeter-Hofladen mit Café zahlreiche Besucher an. Geplant ist, die gesamte Anlage in eine Stiftung "Kultur- und Umweltzentrum Schloss Türnich" zu überführen und das Erdgeschoss des Herrenhauses zum Beispiel für Seminare zu nutzen. Die Schlosskapelle wird auch in Zukunft ein Ort der Ruhe und der Andacht bleiben und nicht etwa zur "Eventkirche" umgewidmet werden.
Mit St. Elisabeth soll ein Sakralraum gesichert werden, der zum Interessantesten zählt, was der Rheinische Historismus hervorgebracht hat. Ein hehres Ziel, das allergrößte Anstrengungen erfordert. Dass die Besitzer dabei auf Unterstützung angewiesen sind, liegt auf der Hand. 2005 wurde die treuhänderische "Stiftung Schlosskapelle Türnich" in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz errichtet, die sich derzeit vor allem um die Restaurierung der Malereien kümmert. Dem Freundes- und Förderkreis Schloss Türnich e. V. ist zu verdanken, dass ein großer Teil der 1945 zersplitterten Fenster bereits wiederhergestellt werden konnte. Ein erst vor wenigen Jahren entdeckter "Scherbenhaufen" entpuppte sich als über 70 Prozent Originalsubstanz.
Fachliche Unterstützung kam auch von der Fachhochschule Köln: Der Lehrstuhl für Steinkonservierung führte über mehrere Jahre Voruntersuchungen in der Kapelle durch, drei Diplomarbeiten sind im Rahmen dieser Kooperation entstanden.
Trockenlegung ist jetzt das wichtigste Gebot. Den ersten Abschnitt der Notsicherung finanziert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gemeinsam mit der Schweizer Baechi-Foundation, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Bund. Um Untergrund und Mauerwerk festigen zu können, soll in Kürze der Bodenbelag heraus¬genommen und magaziniert werden. Parallel muss in der Apsiskalotte dringend für dauerhaften Luftaustausch gesorgt werden - die Voraussetzung für die Konservierung der wunderbaren Malereien.
Das eindrucksvolle Bodenmosaik in der Türnicher Schlosskapelle kreist um die Zeit - dem Gesamtkunstwerk läuft sie ohne weitere Hilfe davon.
Bettina Vaupel
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