Februar 2011
Wer war Freiherr Friedrich von Meder? Die Antwort auf diese Frage könnte das Geheimnis um das Simonetti Haus in Coswig (Anhalt) lüften - und die Geschichte um ein außergewöhnliches Kunstwerk erhellen. Zwischen 1699 und 1705 wurde der zweigeschossige Fachwerkbau mit hohem Walmdach vor den Toren der Stadt für den Berliner Adeligen Friedrich von Meder errichtet. 1709 stand das Landhaus mit dem reizvollen Ausblick über die Elbe bereits wieder zum Verkauf.
Friedrich von Meder war ein undurchsichtiger Mann, von dem man heute weiß, dass er die größte Loge in der Coswiger Stadtkirche St. Nicolai besaß und einige wohltätige Stiftungen an die Kirche machte. Und dass er sich für die Ausschmückung seines Privathauses einen vielbeschäftigten Hofstuckateur und Baumeister leistete: Giovanni Simonetti, geboren 1652 im Kanton Graubünden und 1716 in Berlin gestorben. Das Stuckhandwerk hatte in der Familie Simonetti Tradition, und so brachten ihm seine qualitätvollen Dekorationen viele Aufträge ein. Giovanni arbeitete in Böhmen, Schlesien, Kurbrandenburg, Kursachsen und eben auch im Fürstentum Anhalt-Zerbst. Leider sind seine Hauptwerke im Stadtschloss Berlin, in der Leipziger Handelsbörse und im Zerbster Schloss zerstört. Auch von seinem übrigen Schaffen ist wenig erhalten, darunter eine Stuckdecke im Junkerhaus in Frankfurt an der Oder und im Coswiger Schloss sowie der Taufstein von St. Nicolai.
Daher kommt es einer Sensation gleich, dass Simonetti und seiner Werkstatt auch die Stuckdecken im Wohnhaus des Freiherrn von Meder zugeschrieben werden. Zudem sind die hochbarocken Decken so gut erhalten, dass sie heute dem Fachwerkhaus den Namen geben. Auch der Verein Schloss Coswig (Anhalt) e. V., der das Gebäude 2007 in letzter Sekunde vor dem Abriss rettete und seither unermüdlich um seine Restaurierung kämpft, wird sich nun nach Simonetti umbenennen. So sehr nimmt das in Sachsen-Anhalt einmalige Denkmal die finanziellen und zeitlichen Kapazitäten des Vereins in Anspruch.
Vor fünf Jahren konnten es die Vereinsmitglieder unter dem Vorsitz des Architekten Volker Riedel nicht fassen, dass die reichgeschmückten Stuckdecken in den sieben Räumen und im Treppenhaus der Zerstörung preisgegeben werden sollten. Zumal sie nicht die ersten waren, die ihren Wert erkannten. Seit 1709 haben die Decken fast unversehrt die unterschiedlichen Nutzungen des Hauses überstanden. Nach dem Verkauf blieb es zunächst Adelssitz. Im 19. Jahrhundert wurde hier der Gasthof "Zum schwarzen Adler" eingerichtet, später Arbeiterwohnungen und ein Altenheim. Seit den 1990er Jahren stand es leer.
Zigfach übertüncht, wirkten die qualitätvollen Reliefszenen und Ornamente zwar immer grobschlächtiger, doch erzählten sie weiter ihre Geschichten aus der griechischen Mythologie: von Perseus, der Andromeda rettet, oder vom Götterboten Hermes, der den Riesen Argos besiegt. Sie lassen die vier Jahreszeiten lebendig werden und preisen im Zimmer des Apoll die fürstlichen Staatstugenden Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit und Mäßigung. Neben dem Duktus der Arbeiten scheint noch ein anderes Merkmal für den höfischen Stuckateur Simonetti zu sprechen: In ihrer Größe wirken die Deckenreliefs für die Wohnräume viel zu wuchtig - Simonetti arbeitete eben häufiger in herrschaftlichen Sälen.
Wie der Künstler dazu kam, für Freiherr Friedrich von Meder tätig zu werden, ist eines der Rätsel. Aber manches deutet darauf hin, dass der Freiherr ihn über seine Beziehungen zum Fürstentum Anhalt-Zerbst und nach Brandenburg Preußen kennenlernte. Darüber hinaus verkehrte von Meder offensichtlich in Alchimistenkreisen. Nach den mageren Notizen und den Baubefunden hatte sein Haus "einen Feuerherd" - ein Laboratorium, wo er im Auftrag des Zerbster Fürsten "aus dem Silber Gold imprägnieren" sollte. Auf dem Dach seines Hauses befand sich eine Aussichtsplattform, ein Observatorium zur Beobachtung der Gestirne. Im Gedankengut der Alchimie waren die chemisch-technischen Vorgänge bei der Metallgewinnung mit spirituellen Vorstellungen verwoben. Das höchste Ziel aber war die Herstellung von Gold mit Hilfe des geheimnisvollen Steins der Weisen.
Auch im Simonetti Haus lassen sich über das damals übliche Bildprogramm hinaus Verbindungen zur Symbolsprache der Alchimie knüpfen. So zeigen die Taler in der Geldschatulle, die ein Löwe in seinen Pranken hält - ein Zeichen für Maßhaltigkeit - nach dem Ablösen der Farbschichten verschiedene zeitgenössische Prägungen. Neben dem im Zahlungsverkehr üblichen Hannoveraner "Roßtaler" ist auch ein schwedischer Schautaler dargestellt. Der schwedische Königshof beschäftigte zu jener Zeit den Alchimisten und Glasmacher Johannes Kunckel, dessen Arbeit dort sehr angesehen war. Bemerkenswert ist, dass 1709 der berühmte italienische Alchimist Domenico Caetano beim preußischen König Friedrich I. in Ungnade fiel, auf der Flucht angeblich in Coswig aufgegriffen und kurze Zeit darauf in Küstrin hingerichtet wurde. Im gleichen Jahr steht das Coswiger Haus zum Verkauf, Freiherr von Meder selbst taucht in Prag auf, wo sich seine Spur dann aber verliert.
Diese interessanten Nachforschungen stehen jedoch beim Coswiger Verein derzeit nicht im Fokus. Er treibt vielmehr die Restaurierung des heute siebenachsigen Gebäudes voran - immer wieder durch unerwartete Schwierigkeiten beeinträchtigt. So sollten im letzten Jahr eigentlich die Fassaden fertiggestellt werden, um mit den Barockdecken fortfahren zu können. Doch eine vom Bauordnungsamt des Landkreises geforderte Baulast, die nicht mit der Baugenehmigung im Einklang stand, zwang die 35 Mitglieder letztlich, für 50.000 Euro das unmittelbar angrenzende Grundstück zu erwerben. Ein nervenaufreibender, finanzieller Rückschlag für die Projektfinanzierung, wenn auch das angrenzende Grundstück sinnvoll in das Konzept eingebunden werden kann.
Nach der Aufhebung des Baustopps konnte im letzten Herbst endlich weitergearbeitet werden. Nun sind auch die Stuckdecken an der Reihe. Angesichts der dramatisch aussehenden Metallverstrebungen, wird einem deutlich bewusst, welcher Schatz hier vor dem Verfall bewahrt wird. Teilweise neu eingebrachte, bis zu 30 Zentimeter lange Nägel fixieren den schweren Stuckdekor - ein Löwenrelief wiegt zum Beispiel rund 60 Kilogramm - an den Decken aus Holz und Schilfrohr.
Auf diese Weise gut abgefangen, wird derzeit der prächtige Stuck im repräsentativsten Raum von seinen Farbschichten befreit. Es ist die erste der sieben reichgeschmückten Decken. Wann die Restaurierung der sechs weiteren folgen kann, ist ungewiss. Um die Restaurierung des Denkmals mit Eigenmitteln finanzieren zu können, finden hinter dem Simonetti Haus in einem ebenfalls denkmalgeschützten, nicht minder restaurierungsbedürftigen Tanzsaal von 1888 ausgewählte Konzerte und kulturelle Veranstaltungen statt. "Katzenmusik" heißt eine feste Konzertreihe. Sie ist nach dem Kater Felix Baron von Simonetti benannt, der das Maskottchen des Vereins ist.
Katzen, so sagt man, haben neun Leben. Dennoch traut sich Kater Felix sehr selten, eine Runde durch das Haus seines Namensgebers zu drehen. Ob er fürchtet, dass ihm die Decken auf den Kopf fallen könnten?
Christiane Rossner
Besichtigungsmöglichkeiten:
Termine können unter der Telefonnummer 034903/49 92 23 vereinbart werden. www.simonettihaus.de
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz