Barock Interieur Ikonographie April 2007 E

Adelsspäße des 17. Jahrhunderts

Die Bilderrätsel von Ludwigsburg

Das kleine barocke Bild öffnet uns den Blick in eine Werkstatt mit sonderlichem Treiben: Da untersucht ein geflügelter Putto ein Goldstück, während ein weiterer eine Goldmünze ins Feuer hält. "Come l'oro nel foco" ist die Szene überschrieben: Wie das Gold im Feuer. Dass die Liebe sich erst erweisen muss, wollen die beiden Amoretten wohl aussagen.

"Wie das Gold im Feuer" muss die Liebe bestehen. 
© Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein/Friedhelm Schneider
"Wie das Gold im Feuer" muss die Liebe bestehen.

Die Gäste, denen Friedrich Christian Kielmann von Kielmannseck (1639-1714) dieses und weitere 174 Miniaturgemälde auf seinem Landsitz bei Eckernförde vorführte, mögen noch andere Deutungen gefunden haben. Denn der Hausherr unterhielt seine Festgesellschaften nicht nur durch erlesene Speisen oder musikalische Einlagen - die adeligen Damen und Herren sollten ganz nebenbei auch Embleme entschlüsseln. Ein anspruchsvoller Zeitvertreib, der in den höfischen Salons des 17. Jahrhunderts keineswegs ungewöhnlich war.

Friedrich Christian von Kielmannseck war ein universell gebildeter und sprachgewandter Mann, der am Hof der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf eine ansehnliche Karriere gemacht und 1665 in den alten Holsteiner Adel eingeheiratet hatte. Im Jahr 1672 erwarb er das Gut Kohöved, heute Ludwigsburg, in der Landschaft Schwansen und gestaltete es zu seinem Hauptwohnsitz um. Zu einem Raumkunstwerk der besonderen Art geriet dabei der Festsaal. Er erhielt eine wandhohe Vertäfelung aus Eichenholz, in die eckige oder ovale Ölgemälde integriert wurden.

Die Täfelung der bunten Kammer stammt von 1673. 
© ML Preiss
Die Täfelung der bunten Kammer stammt von 1673.

Jedem Bild ist ein Motto zugeordnet: Neben deutschen finden sich auch lateinische, niederländische, italienische, spanische und englische Sinnsprüche.
Dieses Muster entstammte der zeitgenössischen Emblematik - jene kunstvolle Kombination von Text und Bild gehörte vom 16. bis zum 18. Jahrhundert bei den gebildeten Ständen zum Allgemeingut. Ein Emblem besteht aus einer allegorischen Darstellung und einem knappen Text - Lemma, Motto oder Inscriptio genannt -, der über dem Bild platziert ist. Normalerweise gehört auch eine erläuternde Unterschrift - Epigramm oder Subscriptio - dazu. Die logische Verknüpfung der einzelnen Elemente herzustellen, ist Aufgabe des Betrachters.

Kinder mit Seifenblasen illustrieren "Ich greife nach allem und halte nichts". 
© Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein/Friedhelm Schneider
Kinder mit Seifenblasen illustrieren "Ich greife nach allem und halte nichts".

Der italienische Humanist Andrea Alciati hatte mit seinem 1521 in Mailand und 1531 in Augsburg erschienenen Werk "Emblematum liber" die Vorlage für diese Kunstform geliefert, die dann für drei Jahrhunderte mehr oder weniger verbindlich blieb. Die Emblembücher Alciatis und seiner Nachfolger vermittelten universelle Gedanken oder Tugendlehren und dienten auch als Vorlage für Kunsthandwerker. So fanden sich die verschlüsselten Lebensweisheiten etwa auf Mobiliar, Tapeten, Trinkbechern und Spielkarten oder in Kirchen und Klöstern. Für die Embleme, mit denen Friedrich Christian seine Bunte Kammer ausschmückte, lassen sich über 20 verschiedene Werke als Quellen ausmachen - sämtlich im Besitz des äußerst belesenen Auftraggebers. Allerdings wurden die Vorlagen nicht einfach kopiert, sondern Bilder und Motti oft ganz neu kombiniert, womit der Anspruch humanistischer Gelehrsamkeit noch deutlicher zum Ausdruck kommt. Dass in Ludwigsburg nur wenige religiöse Embleme zu finden sind, dafür aber um so mehr um Liebe, Freundschaft oder Politik kreisende, liegt bei einem adeligen Gut nahe.

Dabei sind die Schwierigkeitsgrade der einzelnen Rätsel höchst unterschiedlich. Wenn ein Mann unter dem Motto "Tutius cedis quam caedis" (Besser weichen als schlagen) aus der Küche einer zürnenden Frau flieht, liegt die Aussage auf der Hand.

"Ni aspicit non aspicitur" zählt zu den anspruchsvollen Emblemen. 
© Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein/Friedhelm Schneider
"Ni aspicit non aspicitur" zählt zu den anspruchsvollen Emblemen.

Bei dem "Ni aspicit non aspicitur" (Sieht er einen nicht an, wird man nicht erblickt) betitelten Emblem sind die Interpretationsmöglichkeiten schon vielfältiger: In einer Studierstube steht eine Armillarsphäre auf einem Tisch, darüber hängt eine Karte der schleswigschen Ostseeküste an der Wand, durch das Fenster sieht man den nächtlichen Sternenhimmel. Durch das astronomische Messgerät, das die Himmelskugel abbildet, ist das Emblem sowohl religiös als auch weltlich zu deuten: Dass man es ohne Gottes Gnade nicht zu Ansehen bringt, wäre die eine Aussage. Das Verhältnis zwischen Himmel und Erde kann jedoch ebenso gut auf den Regenten und seine Untertanen bezogen werden. Darauf verweist nicht nur die Landkarte, sondern auch der Himmelsglobus, wurden am Gottorfer Hof doch astronomische Studien betrieben. Lokale Bezüge, Ansichten von Schloss Gottorf oder Kohöved selbst finden sich in mehreren Emblemen. Damit wollte Friedrich Christian seinen eigenen politischen Ambitionen und dem Anspruch auf eine führende Rolle selbstbewusst Ausdruck verleihen. Allerdings nahm seine vielversprechende Karriere bereits 1676 ein schnelles Ende, als er beim dänischen Landesherrn in Ungnade fiel und für ein gutes Jahr in Kopenhagen inhaftiert wurde. Danach zog er sich von der politischen Bühne zurück und trennte sich 1690 schließlich auch von seinem Gut Kohöved.

Das heutige Herrenhaus Ludwigsburg entstand nach 1730. 
© ML Preiss
Das heutige Herrenhaus Ludwigsburg entstand nach 1730.

Das Herrenhaus wurde im frühen 18. Jahrhundert bis auf die Grundmauern abgebrochen und neu errichtet. Dabei übernahm der damalige Besitzer Friedrich Ludwig von Dehn, der das Gut später in Ludwigsburg umbenannte, die Täfelung der Bunten Kammer. Er verkleinerte den Raum jedoch erheblich, so dass die heutige Bunte Kammer nur noch 145 Embleme enthält. Weitere 25 Bilder finden sich in der Bibliothek, ein kleiner Teil ist verloren.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz stellte 1996 über 60.000 Euro für Restaurierungsarbeiten an den verschiedenen wertvollen Raumausstattungen zur Verfügung. Die flächendeckende Denkaufgabe, die Friedrich Christian von Kielmannseck hinterlassen hat, fasziniert bis heute. Bei der spielerischen Suche nach Antworten auf ernste Fragen sind ein wacher Geist und die Kenntnis der einschlägigen Emblembücher allerdings nicht die einzigen Voraussetzungen: Bei einer Wandhöhe von 3,80 Metern sollte man auch nicht kurzsichtig sein.

Dr. Bettina Vaupel

Literatur:
Gesprächskultur des Barock. Die Embleme der Bunten Kammer im Herrenhaus Ludwigsburg bei Eckernförde. Hrsg.: Hartmut Freytag, Wolfgang Harms, Michael Schilling. Verlag Ludwig, Kiel 2004. 168 S., 19,90 Euro.

Weitere Infos im WWW:

www.gut-ludwigsburg.net

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1 Kommentare

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  • Kommentar als unangemessen melden
    leopold.schuette@gmx.de schrieb am 14.10.2020 18:01 Uhr

    Es fehlt eine Hinweis auf die Edition der Ludwigsburger Emblemata in Buchform von (etwa) 1985-95.

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