Öffentliche Bauten Archäologie Dezember 2006

Das römische Theater am Mainzer Südbahnhof

Bühnenschau für Drusus

Mainz ist wahrlich nicht arm an kunsthistorischen Schätzen. Ein großer Teil davon liegt jedoch in der Erde verborgen. Wo auch immer in Mainz gebaut wird, stehen die Archäologen parat. So auch an den Gleisen des Mainzer Südbahnhofs: Dort stieß man Ende der 1990er Jahre auf ein Bühnentheater, das sich das römische Mogontiacum einst für seine Soldaten und Bewohner leistete.

Ein aktuelles Luftbild des römischen Theaters in Mainz 
© Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz
Ein aktuelles Luftbild des römischen Theaters in Mainz

Das heutige Mainz, wurde zwischen 13 und 12 v. Chr. am nördlichen Rand des Imperium Romanum gegründet. Von einer Anhöhe beherrschten zwei römische Legionen sowohl das Rheintal als auch die Mündung des Mains. Um das Römerlager, das bis ins 4. Jahrhundert bestand, wuchs die Stadt, die Mitte der 80er Jahre n. Chr. zur römischen Hauptstadt der Provinz Germania superior aufstieg. Von dort aus eroberte Drusus maior, Stiefsohn des Kaisers Augustus, in vier erfolgreichen Feldzügen vom Rhein bis zur Elbe Germanien. Im Jahre 9 v. Chr. starb Drusus mit 29 Jahren an den Folgen eines Reitunfalls. Feierlich wurde der hoch angesehene General in Rom im Mausoleum Kaiser Augustus' beigesetzt. In "seiner Stadt" Mainz wurde ihm ein Ehrengrabmal errichtet, an dem bis ins 3. Jahrhundert hinein einmal jährlich die Drusus-Gedenkfeiern stattfanden. Dort paradierten die Soldaten, die Abgeordneten der 60 gallischen Gebietskörperschaften jedoch veranstalteten ihre Gedenkfeiern in dem 340 Meter entfernten Bühnentheater.



Die noch erhaltenen Unterkonstruktionen zeigen, dass die Theaterbesucher durch unterirdische Gänge, Rampen und Treppen zu ihren Plätzen auf den steil aufsteigenden Rängen gelangten. Das Bauwerk bestand aus mörtelgebundenem Gussmauerwerk und war mit Handquadern aus Kalkstein verblendet. Nach den Grabungsbefunden hatte der halbkreisförmige Zuschauerraum einen Durchmesser von rund 116 Metern und die Bühne eine Breite von etwa 42 Metern. Damit war es größer als die berühmten römischen Theaterbauten in den südfranzösischen Orten Arles und Orange. Als die Stadtmauern im 4. Jahrhundert verkürzt wurden, lag das Theater vor den Toren der Stadt und wurde als Steinbruch freigegeben. Sowohl 1884 als auch 1914/1916 war man auf Mauerreste gestoßen, die jedoch wieder in Vergessenheit gerieten. 1997 entdeckte man bei Grünpflegearbeiten wiederum Mauerstücke. Nachdem auf einer Fläche von fünf mal vier Metern die gut erhaltenen Teile freigelegt worden waren, reservierte die Stadt das Gelände für archäologische Grabungen.

Im Hintergrund des Bühnentheaters ist eine Kirche von Otto Bartning zu sehen 
© Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz
Im Hintergrund des Bühnentheaters ist eine Kirche von Otto Bartning zu sehen

Seit 1999 werden mit Hilfe von Stadt, Sponsoren und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), die bislang über 158.000 Euro beisteuerte, die Ausgrabungen des größten Bühnentheaters nördlich der Alpen gefördert. Mittlerweile hat die Grabungsstelle eine Größe von 140 Metern Länge und 40 Metern Breite erreicht. Wie groß die Anlage tatsächlich ist, zeigen Bilder, die der Satellit Quickbird aus 450 Kilometern Höhe liefert. Das Bürgerengagement ist groß: Die Mainzer Ortskuratorin der DSD, Erika Friderichs, rührt bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Werbetrommel für das Theater. 2003 stiftete ihr Mann, der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Dr. Hans Friderichs, die 25.000 Euro des Sieghardt v. Köckritz-Preises. Den vergibt die DSD alle zwei Jahre an Persönlichkeiten, die sich um die Bewahrung von Kulturdenkmalen verdient gemacht haben. Auch durch dieses Preisgeld konnten die Arbeiten ohne Unterbrechung fortgeführt werden. 2007 wird der letzte Schritt der Grabungen eingeleitet: Eine Straße, die das römische Theater in zwei Hälften teilt, soll zurückgebaut und auch dieser Bereich archäologisch untersucht werden. Anschließend stehen die wissenschaftliche Auswertung sowie eine dauerhafte Präsentation für die Öffentlichkeit an. Dann bietet Mainz am Südbahnhof ein Denkmalensemble von besonderem Reiz: das römische Theater, die barocke Zitadelle und die Nachkriegskirche von Otto Bartning.

Christiane Rossner

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