Denkmalarten Öffentliche Bauten Stile und Epochen Renaissance Ausgabe Nummer Februar Jahr 2024 Denkmale A-Z D
500 Jahre perfekte Symmetrie und Standhaftigkeit, das macht die Zitadelle Dömitz aus. Der Schein trügt. Vor allem das Hauptgebäude der Festung, das Kommandantenhaus, ist massiv bedroht. Der Lichtblick: Es scheint eine Zukunft zu geben – auch dank der Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.
Es war im Sommer des Jahres 2021, als ein Brief die MONUMENTE-Redaktion erreichte. Dieser Brief setzte eine Geschichte in Bewegung, die gleichzeitig in ihren Anfängen steckt, aber eigentlich 500 Jahre alt ist. Es ist eine Erzählung davon, wie sehr die Rettung eines bedeutenden Kulturdenkmals manchmal einem Puzzlespiel gleicht – einem dreidimensionalen Puzzlespiel mit mehreren Unbekannten.
Immer wieder unterbreiten uns Leser konstruktive Ideen oder wenden sich an die Stiftung, wenn ihnen das Denkmalherz schmerzt. So auch diesmal: Es geht um die Festung Dömitz, gelegen an der mecklenburgischen Elbe. Die Briefeschreiber hatten die Stadt Dömitz mit der Zitadelle besucht, sich an der Schönheit von Ort und Landschaft erfreut und dann mit Schrecken festgestellt, dass das Hauptgebäude baufällig ist und nicht mehr betreten werden darf. „Es wäre schön, wenn sich MONUMENTE dieser bedeutenden Festungsarchitektur annehmen würde. Sie befindet sich teilweise in einem traurigen Zustand, der sicherlich nicht von dem kleinen Städtchen Dömitz behoben werden kann.“
Damit sprachen die Autoren eine Wahrheit aus: Die alte
Festungsstadt Dömitz, die in ihren Strukturen so faszinierend intakt ist und
ihre Wirkung genau aus ihrem unverbauten und ursprünglichen Zustand zieht, ist
der Last dieses architektonischen Erbes nicht gewachsen: Der Ort besitzt gerade
einmal knapp 3.000 Einwohner.
Sorge ums Kommandantenhaus
Zwei Jahre später stehen Bürgermeister Reinhold Suhrau und seine Marketing-Chefin Mandy Botzler in der Zitadelle und erzählen in einer Mischung aus Stolz, Verzagtheit und ein bisschen Optimismus von ihrem Sorgenkind. Hinter ihnen erhebt sich das größte Gebäude in der Zitadelle: das Kommandantenhaus. Risse durchziehen die Fassade. Ein Bauzaun verhindert den Zutritt. „Wir sind schon von einer Notsicherung völlig überfordert“, sagt Bürgermeister Suhrau.
Neben ihnen steht Guido Siebert, Teamleiter in der Abteilung Denkmalförderung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), und nickt. Er hatte sich 2021 an die Stadt Dömitz gewandt, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Die Stiftung brachte zunächst knapp 10.000 Euro. Geld, das gut angelegt werden sollte. Architekt Jörg Möser aus Stralsund konnte mit einer Erstkonsultation beauftragt werden. Und Möser begann mit diesem Puzzlespiel, das man beherrschen muss für die Rettung von Denkmalen dieser Größe. Inhalt des Spiels: Finanzierungen organisieren. Denn aus dem verworrenen Dickicht aus Fördertöpfen, Antragsstellungsabfolgen und Zuständigkeiten ein System zu erarbeiten, ist eine Kunst für sich, geradezu eine arithmetische Leistung.
Geometrie in Grün
So wie die Architekten der Renaissance nicht einfach nur anfingen, ein Bollwerk aus Stein in die Landschaft zu setzen, als der Herzog von Mecklenburg sie 1557 mit einem Festungsbau in Dömitz beauftragte. Sie bauten gleichsam eine mathematische Formel in die Elbaue. Herzog Johann Albrecht ließ Baumeister aus Italien kommen. Nur sie beherrschten damals die Art von Militärarchitektur, die einerseits aus kriegerischen Gründen errichtet wurde und gleichzeitig der Schönheit, der Symmetrie und den idealen Proportionen huldigte. Ein perfektes Fünfeck zeichnet der Grundriss der Dömitzer Zitadelle, Teil der städtischen Festung.
Fünf Bastionen ragen in die Landschaft, umgeben von einem Graben. Sie sind Ausguck und Rückzug in einem. Nicht nur im Verhältnis der Bauteile herrscht Harmonie, auch die Größe der Zitadelle selbst ist ein ausgewogenes Spiel zwischen Weitläufigkeit und Übersichtlichkeit. Zutritt verschafft eine Brücke über den Graben, ein großes Tor mit feiner Renaissancearchitektur und ein düsterer Gang durch eine der Kasematten. Eindrucksvoll und hell öffnet sich danach der Platz, der von den verschiedenen Gebäuden gesäumt wird.
Es sind nicht nur die Symmetrie, die Architektur und der in seinem gesamten Erscheinungsbild besonders gute Erhaltungszustand der Zitadelle, die den Besucher gefangen nehmen. Es ist die Lage des Städtchens Dömitz an der Elbe, fern von jeder größeren Stadt, inmitten des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe. Von den Bastionen der Zitadelle aus schaut man über die weite Elbaue, Wildvögel fliegen krächzend durch die Stille. An die Zitadelle schließt direkt der Ort an, über den nicht wie andernorts „Neubauten drübergewachsen sind“, wie Bürgermeister Suhrau es beschreibt.
Im Pulverkeller der Finanzen
Er steht jetzt im Pulverkeller des Kommandantenhauses, das einen Sanierungsbedarf von 18 Millionen Euro aufweist. Es ist das größte Gebäude der Festung. Lange diente es als Fritz-Reuter-Museum. Der Schriftsteller Reuter hatte wegen seiner aktiven Rolle als Burschenschaftler von 1838 an in der Zitadelle in Haft gesessen. Wenig beruhigend die Worte des Bürgermeisters hier unten: „Es ist nicht auszuschließen, dass das Kommandantenhaus schlagartig in sich zusammensackt.“
Damit zitiert er die Beurteilung eines Statikers aus dem Jahr 2012. Architekt Möser erinnert an vergangene Bemühungen, die jedoch damit endgültig ins Stocken gerieten. „Es ist nicht so, als wäre in der Vergangenheit nichts passiert. Von Anfang der 1990er Jahre bis zu den 2000ern hat man einiges gemacht.“ Aber es gab Streit mit einem Architekten. Und dann gab es im Kommandantenhaus bedrohliche Bewegungen. Nach dem Brandschreiben des Statikers wurde das Museum geschlossen und geräumt. „Seitdem lag hier alles wie in einem Dornröschenschlaf.“
Initiativförderung als Startschuss
Die Mittel, um die Möser gerade kämpft, sollen für eine Sicherung des Kommandantenhauses eingesetzt werden: für Dach, Wand, Fassaden, Türen, Böden und Fenster. „Dabei geht es um eine Summe von etwa fünf Millionen Euro, um die Denkmalsubstanz zu retten. Wenn dann das Außenrum in Ordnung ist und es braucht nur noch den Kulturraum im Inneren, dann ist da auch der politische Drive. Dann springen viele auf den fahrenden Zug.“ Jörg Mösers wichtigste Aufgabe scheint – zurzeit noch – das Mutmachen zu sein.
Man steht am Anfang eines Riesenprojekts. Und er ist derjenige, der die Räder ins Rollen bringt: „Wir sind Mitte letzten Jahres bei null gestartet.“ Er korrigiert sich: „Nein, nicht bei null. Denn Schritt 1 waren ja die 10.000 Euro der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Diese Initiativförderung der Stiftung war die Initialzündung für die Stadt, wieder aufzustehen und den Dornröschenschlaf zu beenden.“
Ein Tourismustraum
Guido Siebert von der DSD denkt weiter: „Dömitz ist ein Tourismusziel. Das Kommandantenhaus kann man nicht allein sehen. Mit der Instandsetzung des Kommandantenhauses wird die Festung aufgewertet. Das wirkt sich auf die Stadt aus, und das wiederum auf die Region. Es geht nicht nur darum, dieses Gebäude zu erhalten. Das ist eine Wirksamkeit, die weit darüber hinausgeht.“ Dömitz ist nämlich nicht nur als eine der besterhaltenen Renaissancefestungen touristisch interessant. Es ist auch Zeugnis der deutsch-deutschen Geschichte. Die Elbe war Teil der innerdeutschen Grenze, die Festung lag Jahrzehnte im Sperrbezirk. Das hat in Dömitz eine faszinierende Unversehrtheit von Ort und Natur zur Folge. Das Grüne Band, der Biotopverbund entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, hat sich im letzten Herbst für eine zukünftige Bewerbung als UNESCO-Welterbe entschieden. Es soll eine innovative Bewerbung für Kultur- und Naturerbe gleichzeitig sein.
Großartige Aussichten für Dömitz: vom Dornröschenschlaf auf die weltweite Kulturerbeliste. Eine Geschichte voller Zukunft – angestoßen durch unsere besorgten Briefeschreiber, fortgeschrieben hoffentlich ebenfalls mit Ihnen, den MONUMENTE-Lesern.
Beatrice Härig
www.denkmalschutz.de/festung-doemitz
Zitadelle Dömitz
An der Festung
19303 Dömitz
Dömitz liegt an der Elbe in Mecklenburg-Vorpommern.
Zitadelle Dömitz: Zeitreise samt Protagonisten
1557
Festung Dömitz: Nach dem Idealbild einer Renaissancestadt wurde Dömitz ab 1558 als größte Festung des Herzogtums Mecklenburg gestaltet, auch um den Elbzoll zu sichern. Die Zitadelle als Teil der Festung plante der Italiener Francesco a Bornau. Bis 1894 bleibt sie ununterbrochen in militärischer Nutzung.
1719
Kommandantenhaus: Das Gebäude stammt in Teilen von der Niederungsburg des 13. Jh. Es wurde seit dem 17. Jh. immer wieder umgebaut. 1719–23 diente es sogar als herzoglicher Regierungssitz.
1990
Die Elbe: Die Lage an der Elbe hat zum Bau der Festung geführt. Lange war die Elbe innerdeutscher Grenzfluss. Heute liegt Dömitz im Biosphärenreservat.
2019
Bürgermeister Suhrau: Er hat eine schwere Bürde übernommen, denn die so standhaft wirkende Festung bröckelt. Er weiß: Die Rettung kann Dömitz allein nicht schultern.
2021
Architekt Jörg Möser: Er ist begeistert von der Zitadelle als Baudenkmal und sieht sie als touristisches Highlight zwischen Hamburg und Berlin.
2023
Die Brücke von Dömitz: Die Reste der Brücke von 1873 auf der anderen Elbseite dienen seit 2023 als Skywalk mit bestem Blick auf die Festung und ihre Lage in den Elbtalauen.
2024
Guido Siebert: Er wird vonseiten der DSD das Projekt weiter
unterstützen und betreuen. Die ersten Spendengelder stehen bereits zur
Verfügung.
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Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
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