G
Das Berliner Generalshotel steht am Rand des neuen Flughafens BER. Nun soll es weg, obwohl dieses wichtige Zeugnis der deutschen Nachkriegsgeschichte völlig intakt ist. Über wichtige Geschichte und fatale Irrtümer in Schönefeld.
Es war mehr als ein schlichtes Empfangsgebäude für Staatsgäste der ehemaligen DDR. Es war ein Ort von Prunk und Propaganda. Ein Ort, an dem Politik gemacht und Geschichten, Geschichte geschrieben wurde. Das Berliner Generalshotel ist ein wichtiger Zeuge deutsch-deutscher Vergangenheit. 1996 wurde es als Denkmal klassifiziert. 2011 dann der Anfang vom Ende des historischen Bauwerks: Trotz des Einspruchs der Landesdenkmalpflege wurde das Generalshotel zum Abriss freigegeben. Der Plan: Das ehemalige Hotel sollte dem späteren BER-Flughafen weichen. Heute, zwölf Jahre später, laufen die Motoren der Abrissbagger
tatsächlich heiß.
Nicht nur für Denkmalschützer eine folgenschwere Entwicklung: „Der Abriss zerstört nicht nur Geschichte, sondern auch einen Teil der Identität der Menschen vor Ort – ohne plausiblen Grund und zeitliche Not“, sagt Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD). Vergangene Zeiten muss man sich nicht zurückwünschen, um dem Gebäude als Zeitzeugnis mit Respekt zu begegnen. Es brauche jedoch „niemand mehr Staatsverdrossenheit selbst in der Mitte der Gesellschaft zu beklagen, wenn Bundesregierung und Bundesbehörden derart rüde mit einem hochkarätigen Denkmal der deutschen Geschichte umgehen“, so Skudelny.
Aber der Reihe nach: Beim Bau des Berliner Großflughafens war auch ein neues Regierungsterminal geplant, aufgeführt im Planfeststellungsbeschluss von 2011. Bereits im Jahr 2022 jedoch bestätigte das Bundesfinanzministerium den Verzicht auf den Neubau. Stattdessen soll jetzt ein Interimsgebäude weitergenutzt werden. Nichts spräche also mehr gegen eine Neubeplanung des Areals und den Erhalt des völlig intakten Denkmals. Doch weit gefehlt: Das denkmalgeschützte Generalshotel soll weiterhin einem Flugzeug-Parkplatz weichen. „Die Planungen von 2011 sind längst überholt, die Vorteile von Alternativen liegen auf der Hand. Wir fordern von der Bundesregierung ein Moratorium des Abrisses, um alternative Nutzungen des Areals zu diskutieren“, so Skudelny.
Errichtet wurde das Generalshotel zwischen 1947 und 1950 nach Plänen des Potsdamer Architekten Max Schmidt. Das Haus war der erste Eindruck, den Staatsgäste wie Fidel Castro oder Nikita Chruschtschow von der DDR bekamen. Und der war imposant: große Marmortreppe, verzierte Kronleuchter, edle Wandbespannungen. „Das Hotel ist einmalig und historisch besonders wertvoll. Es ist aus gezeichnet erhalten und wurde kontinuierlich genutzt“, sagt Skudelny.
Die Geschichte des Generalshotels mag kurz erscheinen, erzählt aber anschaulich von drei wesentlichen Epochen der deutschen Nachkriegsgeschichte: die Zeit der sowjetischen
Besatzung, die Phase der DDR, die Nachwendezeit.
1945/46
Besetzung, Umgestaltung des Flugplatzes in Schönefeld durch die sowjetischen Besatzer
1947 bis 1950
Bau des Generalshotels nach Plänen des Architekten Max Schmidt
1950 bis 1961
Empfang von Politikern, Militärs und hochrangigen Gästen
21.2.1958
Übergabe des Flughafens an die DDR-Regierung, Betrieb durch die staatliche Fluggesellschaft Interflug,
Generalshotel wird zur Sonderabfertigung genutzt
1962
Umbauten, Entfernung sowjetischer Hoheitszeichen
bis 1989
Nutzung als Sonderabfertigung etwa für Fidel Castro, Helmut Schmidt und andere; Verabschiedung der Olympiamannschaften
ab Februar 1991
Liquidation durch die Treuhandanstalt, Einstellung der gastronomischen Leistungen und des Flugbetriebs
11.6.1992
Übergabe des Generalshotels
an das Verteidigungsministerium
1.2.1995
Übernahme durch das Innenministerium;
seitdem Nutzung durch die Bundespolizei, zuletzt als Rückführungsort für Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung
1996/1998
Unterschutzstellung als Denkmal, Eintragung in Landesdenkmalliste Brandenburgs
5.9.2006
Beginn des Flughafenbaus BER, Renovierung einzelner Räume
15.9.2011
Änderungsplanfeststellungsbeschluss:
Abrissgenehmigung mit denkmalrechtlichen Auflagen
August 2014
Vorschlag von Flughafenchef Hartmut Mehdorn zur Interimsnutzung als Regierungsterminal
wird abgelehnt
Oktober 2020
Eröffnung des Flughafens BER inklusive eines neu gebauten Interimsgebäudes als Regierungsterminal
2022
Bestätigung des Verzichts auf einen Neubau des Regierungsterminals durch das Bundesfinanzministerium
9.3.2023
Offener Brief gegen Abrissvorhaben
durch Bürgerinitiative
Juli 2023
Erfolgloser Versuch durch Gesine Lötzsch (Linke) im Haushaltsausschuss, Mittel für den Abriss zu sperren
Ende Juli 2023
Veröffentlichung von Bildern von Substanzzerstörungen im Innern des Gebäudes;
Brief der DSD an verantwortliche Politiker
14. September 2023
Vorbereitung für den Abriss trotz starker Proteste, erste Entkernungsarbeiten
Februar 2024
Der komplette Abriss ist vollzogen.
Bis 2022 hatte die Bundespolizei das Zeugnis der frühen Ostmoderne inne. Danach legten Fachleute diverse Alternativplanungen vor, die allesamt die Bewahrung des Generalshotels als Grundlage hatten. „Durch eine Verschiebung der benötigten Flächen, die nach der Entscheidung für die Beibehaltung des Provisoriums des Regierungsterminals möglich ist, ist der Abriss nicht mehr zu rechtfertigen“, sagt beispielsweise der Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa. Doch alle Bemühungen blieben bisher ungehört.
„Wir haben uns die Finger regelrecht wund geschrieben. Die Weigerung der Politik, auf die Expertise von Experten zu hören, die Absage an den Dialog, ist höchst undemokratisch“, sagt Stiftungsvorstand Skudelny. Man könnte fast meinen, es solle ein weiteres Stück wichtiger DDR-Geschichte entsorgt werden.
Einverständnis zur Zerstörung
Rechtfertigend ins Feld geführt wird, dass nicht nur Denkmalschutz ein hohes Gut sei, sondern auch Rechtssicherheit. Es gibt den Feststellungsbescheid, durch den die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben einen genehmigten Bebauungsplan hat, auf den sie sich verlassen können muss. Das Landesamt für Denkmalpflege musste daher im August 2023 das Benehmen herstellen, wie es im Behördendeutsch heißt, also absurderweise sein Einverständnis zur Zerstörung erteilen. Eine rechtliche Handhabe zum Abrissstopp steht kaum zur Verfügung. Die einzige juristische Möglichkeit ist der Gang zum Bundesverfassungsgericht. Bis zuletzt hatte man auf eine Einigung mit der Bundesregierung gehofft.
Legal, aber nicht richtig
Die aktuelle Entscheidungshast verdeutlicht die Absurdität des Abrisses weiter. „Es gibt keine zeitliche Not, noch im September abzureißen, da sowohl die Planungen für das alte Terminal als auch die für den obsoleten Neubau eines Regierungsterminals neu durchdacht werden“, so Skudelny. Diese Zeit der Einkehr sei unbedingt geboten. Dies ist die Forderung all jener, die sich zur Rettung zusammengefunden haben. Skudelny appelliert an die wichtige Vorbildfunktion des Staats: „Ein sachgerechter Umgang des Bundes mit unserer Baukultur ist von hoher Bedeutung für das Rechtsempfinden der Bürger.“ Denkmalschutz hat mit Politik und Gesetzen zu tun, manchmal scheitert er an verfahrensrechtlichen Zwängen. Behörden gehen zunehmend auf Nummer sicher, Ausschreibungen laufen oft so lange, dass die Angst vor Regressforderungen umgeht. Man kann dieses Prozedere in Fällen wie diesen gedankenlos und zynisch nennen. Ob die Regierung noch einmal umsteuert, wird sich zeigen. Klar bleibt: Die DSD wird immer an der Seite der Denkmale bleiben und für ihre Rettung ihre Stimme erheben.
Julia Greipl/Marco Eschenbach
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz