© Claus Boeckh
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Generalshotel: Abriss eines Denkmals

Unwürdig und undemokratisch

Das Berliner Generalshotel steht am Rand des neuen Flughafens BER. Nun soll es weg, obwohl dieses wichtige Zeugnis der deutschen Nachkriegsgeschichte völlig intakt ist. Über wichtige Geschichte und fatale Irrtümer in Schönefeld.

Es war mehr als ein schlichtes Empfangsgebäude für Staatsgäste der ehemaligen DDR. Es war ein Ort von Prunk und Propaganda. Ein Ort, an dem Politik gemacht und Geschichten, Geschichte geschrieben wurde. Das Berliner Generalshotel ist ein wichtiger Zeuge deutsch-deutscher Vergangenheit. 1996 wurde es als Denkmal klassifiziert. 2011 dann der Anfang vom Ende des historischen Bauwerks: Trotz des Einspruchs der Landesdenkmalpflege wurde das Generalshotel zum Abriss freigegeben. Der Plan: Das ehemalige Hotel sollte dem späteren BER-Flughafen weichen. Heute, zwölf Jahre später, laufen die Motoren der Abrissbagger

tatsächlich heiß.

Nicht nur für Denkmalschützer eine folgenschwere Entwicklung: „Der Abriss zerstört nicht nur Geschichte, sondern auch einen Teil der Identität der Menschen vor Ort – ohne plausiblen Grund und zeitliche Not“, sagt Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD). Vergangene Zeiten muss man sich nicht zurückwünschen, um dem Gebäude als Zeitzeugnis mit Respekt zu begegnen. Es brauche jedoch „niemand mehr Staatsverdrossenheit selbst in der Mitte der Gesellschaft zu beklagen, wenn Bundesregierung und Bundesbehörden derart rüde mit einem hochkarätigen Denkmal der deutschen Geschichte umgehen“, so Skudelny.

Wertvolle Originalausstattung, der eine museale Präsentation an anderem Ort kaum gerecht werden würde.
© Sahra Damus flickr.com / sahraguate
Wertvolle Originalausstattung, der eine museale Präsentation an anderem Ort kaum gerecht werden würde.


Aber der Reihe nach: Beim Bau des Berliner Großflughafens war auch ein neues Regierungsterminal geplant, aufgeführt im Planfeststellungsbeschluss von 2011. Bereits im Jahr 2022 jedoch bestätigte das Bundesfinanzministerium den Verzicht auf den Neubau. Stattdessen soll jetzt ein Interimsgebäude weitergenutzt werden. Nichts spräche also mehr gegen eine Neubeplanung des Areals und den Erhalt des völlig intakten Denkmals. Doch weit gefehlt: Das denkmalgeschützte Generalshotel soll weiterhin einem Flugzeug-Parkplatz weichen. „Die Planungen von 2011 sind längst überholt, die Vorteile von Alternativen liegen auf der Hand. Wir fordern von der Bundesregierung ein Moratorium des Abrisses, um alternative Nutzungen des Areals zu diskutieren“, so Skudelny.

DDR-Treffpunkt für Größen aus Politik, Wirtschaft und Boulevard: Im Generalshotel wurde hauptsächlich geplaudert und geplant, weniger genächtigt.
© BStU / BArch / MfS ZAIG Fp 2511, 70
DDR-Treffpunkt für Größen aus Politik, Wirtschaft und Boulevard: Im Generalshotel wurde hauptsächlich geplaudert und geplant, weniger genächtigt.


Errichtet wurde das Generalshotel zwischen 1947 und 1950 nach Plänen des Potsdamer Architekten Max Schmidt. Das Haus war der erste Eindruck, den Staatsgäste wie Fidel Castro oder Nikita Chruschtschow von der DDR bekamen. Und der war imposant: große Marmortreppe, verzierte Kronleuchter, edle Wandbespannungen. „Das Hotel ist einmalig und historisch besonders wertvoll. Es ist aus gezeichnet erhalten und wurde kontinuierlich genutzt“, sagt Skudelny.

Das einzigartige Denkmal soll weg - für einen Parkplatz der Flugbereitschaft.
© Claus Boeckh
Das einzigartige Denkmal soll weg - für einen Parkplatz der Flugbereitschaft.

Die Epochen des Generalshotels

Die Geschichte des Generalshotels mag kurz erscheinen, erzählt aber anschaulich von drei wesentlichen Epochen der deutschen Nachkriegsgeschichte: die Zeit der sowjetischen

Besatzung, die Phase der DDR, die Nachwendezeit.

1945/46
Besetzung, Umgestaltung des Flugplatzes in Schönefeld durch die sowjetischen Besatzer


1947 bis 1950
Bau des Generalshotels nach Plänen des Architekten Max Schmidt


1950 bis 1961
Empfang von Politikern, Militärs und hochrangigen Gästen

21.2.1958
Übergabe des Flughafens an die DDR-Regierung, Betrieb durch die staatliche Fluggesellschaft Interflug, 
Generalshotel wird zur Sonderabfertigung genutzt


1962
Umbauten, Entfernung sowjetischer Hoheitszeichen


bis 1989
Nutzung als Sonderabfertigung etwa für Fidel Castro, Helmut Schmidt und andere; Verabschiedung der Olympiamannschaften


ab Februar 1991
Liquidation durch die Treuhandanstalt, Einstellung der gastronomischen Leistungen und des Flugbetriebs

11.6.1992
Übergabe des Generalshotels 
an das Verteidigungsministerium


1.2.1995
Übernahme durch das Innenministerium; 
seitdem Nutzung durch die Bundespolizei, zuletzt als Rückführungsort für Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung


1996/1998 
Unterschutzstellung als Denkmal, Eintragung in Landesdenkmalliste Brandenburgs

5.9.2006
Beginn des Flughafenbaus BER, Renovierung einzelner Räume


15.9.2011
Änderungsplanfeststellungsbeschluss:  

Abrissgenehmigung mit denkmalrechtlichen Auflagen


August 2014
Vorschlag von Flughafenchef Hartmut Mehdorn zur Interimsnutzung als Regierungsterminal

wird abgelehnt

Oktober 2020
Eröffnung des Flughafens BER inklusive eines neu gebauten Interimsgebäudes als Regierungsterminal


2022
Bestätigung des Verzichts auf einen Neubau des Regierungsterminals durch das Bundesfinanzministerium

9.3.2023
Offener Brief gegen Abrissvorhaben

durch Bürgerinitiative


Juli 2023
Erfolgloser Versuch durch Gesine Lötzsch (Linke) im Haushaltsausschuss, Mittel für den Abriss zu sperren


Ende Juli 2023
Veröffentlichung von Bildern von Substanzzerstörungen im Innern des Gebäudes; 
Brief der DSD an verantwortliche Politiker

 14. September 2023

Vorbereitung für den Abriss trotz starker Proteste, erste Entkernungsarbeiten

 Februar 2024

Der komplette Abriss ist vollzogen.

 


Bis 2022 hatte die Bundespolizei das Zeugnis der frühen Ostmoderne inne. Danach legten Fachleute diverse Alternativplanungen vor, die allesamt die Bewahrung des Generalshotels als Grundlage hatten. „Durch eine Verschiebung der benötigten Flächen, die nach der Entscheidung für die Beibehaltung des Provisoriums des Regierungsterminals möglich ist, ist der Abriss nicht mehr zu rechtfertigen“, sagt beispielsweise der Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa. Doch alle Bemühungen blieben bisher ungehört. 

„Wir haben uns die Finger regelrecht wund geschrieben. Die Weigerung der Politik, auf die Expertise von Experten zu hören, die Absage an den Dialog, ist höchst undemokratisch“, sagt Stiftungsvorstand Skudelny. Man könnte fast meinen, es solle ein weiteres Stück wichtiger DDR-Geschichte entsorgt werden.


Einverständnis zur Zerstörung


Rechtfertigend ins Feld geführt wird, dass nicht nur Denkmalschutz ein hohes Gut sei, sondern auch Rechtssicherheit. Es gibt den Feststellungsbescheid, durch den die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben einen genehmigten Bebauungsplan hat, auf den sie sich verlassen können muss. Das Landesamt für Denkmalpflege musste daher im August 2023 das Benehmen herstellen, wie es im Behördendeutsch heißt, also absurderweise sein Einverständnis zur Zerstörung erteilen. Eine rechtliche Handhabe zum Abrissstopp steht kaum zur Verfügung. Die einzige juristische Möglichkeit ist der Gang zum Bundesverfassungsgericht. Bis zuletzt hatte man auf eine Einigung mit der Bundesregierung gehofft.

Ein intaktes, nutzbares, denkmalgeschützes Gebäude wird gegen den Widerstand von Fachleuten und Bürgern abgerissen: Innenansicht des sogenannten Generalshotels am Flughafen Schönefeld.
© Martin Maleschka
Ein intaktes, nutzbares, denkmalgeschützes Gebäude wird gegen den Widerstand von Fachleuten und Bürgern abgerissen: Innenansicht des sogenannten Generalshotels am Flughafen Schönefeld.

Legal, aber nicht richtig


Die aktuelle Entscheidungshast verdeutlicht die Absurdität des Abrisses weiter. „Es gibt keine zeitliche Not, noch im September abzureißen, da sowohl die Planungen für das alte Terminal als auch die für den obsoleten Neubau eines Regierungsterminals neu durchdacht werden“, so Skudelny. Diese Zeit der Einkehr sei unbedingt geboten. Dies ist die Forderung all jener, die sich zur Rettung zusammengefunden haben. Skudelny appelliert an die wichtige Vorbildfunktion des Staats: „Ein sachgerechter Umgang des Bundes mit unserer Baukultur ist von hoher Bedeutung für das Rechtsempfinden der Bürger.“ Denkmalschutz hat mit Politik und Gesetzen zu tun, manchmal scheitert er an verfahrensrechtlichen Zwängen. Behörden gehen zunehmend auf Nummer sicher, Ausschreibungen laufen oft so lange, dass die Angst vor Regressforderungen umgeht. Man kann dieses Prozedere in Fällen wie diesen gedankenlos und zynisch nennen. Ob die Regierung noch einmal umsteuert, wird sich zeigen. Klar bleibt: Die DSD wird immer an der Seite der Denkmale bleiben und für ihre Rettung ihre Stimme erheben.


Julia Greipl/Marco Eschenbach


www.denkmalschutz.de/denkmale-in-gefahr

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