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Die Geschichte des Badezimmers

Sauber bleiben

Das private Bad mit fließend Wasser und fest installierter Keramik ist eine junge Erscheinung. Im Laufe der Zeit waren die Badegewohnheiten weniger geprägt von technischen Neuerungen als von unterschiedlichen Ansichten zur Hygiene.

Der Bader hat das Horn geblasen. Die Gasse füllt sich mit Menschen, die zum Badehaus eilen. Dort ist das Feuer geschürt, die Schwitzstube wohlig warm. Die Gewandhüterin und die Badegehilfen stehen parat. Während die Gäste sich auf den unterschiedlich hohen Holzbänken niederlassen, werden die Steine auf dem Ofen mit Wasser übergossen – heißer Dampf breitet sich aus. Zum Waschen stehen Becken und Schwämme bereit. Wer es sich leisten kann, nimmt ein Bad im hölzernen Zuber. So darf man sich die Szene in einer deutschen Stadt um 1300 vorstellen. Im späten Mittelalter waren Badestuben ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens und der ganz persönlichen Körperpflege.

In der Badestube: Man trägt Badehüte aus Stroh, schwitzt, lässt sich abreiben, den Kopf waschen und schröpfen. So sollten die Körpersäfte ins Gleichgewicht gebracht werden. Tafelbild von Hans Wertinger (Ausschnitt), um 1520, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
© bpk / Germanisches Nationalmuseum / Monika Runge
In der Badestube: Man trägt Badehüte aus Stroh, schwitzt, lässt sich abreiben, den Kopf waschen und schröpfen. So sollten die Körpersäfte ins Gleichgewicht gebracht werden. Tafelbild von Hans Wertinger (Ausschnitt), um 1520, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Nach dem Untergang des Römischen Reiches geriet die hoch entwickelte Badekultur der Antike im Abendland in Vergessenheit. Erst mit dem Aufstieg der Städte blühte ab dem 12. Jahrhundert das Badewesen allmählich wieder auf. Selbst größere Dörfer hatten bald ein Badehaus aufzuweisen. Handwerker, Knechte und Mägde erhielten über ihren Lohn hinaus das Badegeld, das ihnen das samstägliche Schwitzbad ermöglichte. Normalerweise badeten Männer und Frauen getrennt, zu unterschiedlichen Zeiten oder in separaten Bereichen.


Der Besuch der Badestube diente nicht allein der Reinigung. Das Baderhandwerk umfasste Haarschnitt und Rasur, aber auch besonders einträgliche medizinische Anwendungen wie das Schröpfen und den Aderlass. Die Bäder waren Orte der Erholung und Geselligkeit: Man unterhielt sich, aß, trank und feierte. Da sich zu den städtischen Bädern mitunter Badebordelle gesellten, war der Badebetrieb den Sittenwächtern ein Dorn im Auge.


Dass im 16. Jahrhundert der Niedergang der Badestuben einsetzte, hatte viele Gründe. Neben steigenden Brennholzpreisen wuchs die Angst vor Ansteckung. Zu den allseits bekannten Infektionskrankheiten war noch die Syphilis hinzugekommen. Die besser gestellten Bürger badeten fortan lieber in den eigenen vier Wänden. Nur bei der einfachen Bevölkerung war die Einrichtung bis ins 18. Jahrhundert gefragt. Wie das „Frauenzimmer-Lexicon“ 1715 definierte, traf man in den öffentlichen Badstuben jetzt allenfalls „die Weibesbilder von schlechten Stande“ an.

Bad von Papst Clemens VII. in der Engelsburg mit eingemauerter Wanne. Die Fresken zeigen mythologische Szenen (1524–34).
© akg images / Andrea Jemolo
Bad von Papst Clemens VII. in der Engelsburg mit eingemauerter Wanne. Die Fresken zeigen mythologische Szenen (1524–34).

Allerhöchste Badefreuden


Für Adelssitze und Klöster war der private Badebereich schon im Mittelalter selbstverständlich. Bereits der St. Galler Klosterplan aus dem 9. Jahrhundert verzeichnet mehrere Badeanlagen. Für ein Wannenbad standen meist tragbare Zuber zur Verfügung, die auch in den Schlaf- und Wohnräumen aufgestellt werden konnten. Sie wurden mit Tüchern ausgekleidet und mit einem Baldachin versehen, der die Wärme halten sollte.

Aus der Frühen Neuzeit sind herrschaftliche Baderäume ebenfalls überliefert. Im Innsbrucker Schloss Ambras ist das Badegemach der Philippine Welser aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erhalten, mit Bade-, Heiz- und Schwitzraum sowie Ruhebereich. Der Clou: die große, in den Boden eingelassene Wanne aus verzinntem Kupferblech. Ausgewiesene Badebereiche blieben immer Bestandteil fürstlicher Residenzen und vornehmer Patrizierhäuser – ob als Teil des Wohntrakts oder freistehend im Garten.

Besonders prachtvolle Beispiele kennen wir aus der italienischen Renaissance: Päpste und Kardinäle ließen sich ihre Baderäume von den führenden Künstlern der Zeit ausstatten. Antiken Vorbildern folgte dabei nicht nur die Heiztechnik – dass von den Wandgemälden nackte Jünglinge und Mädchen auf die hohe Geistlichkeit herabschauten, fanden schon die Zeitgenossen bemerkenswert.

Badeappartement im Schwetzinger Schlosspark, 1769–73 von Nicolas de Pigage
Schwetzingen, Schlosspark © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Badeappartement im Schwetzinger Schlosspark, 1769–73 von Nicolas de Pigage

Erst im 17. Jahrhundert setzte sich namentlich in Frankreich ein ganz anderes Verständnis von Körperhygiene durch. Tatsächlich hatten angesehene Mediziner schon länger vor dem Baden gewarnt: Das Wasser lasse den Körper erschlaffen und aufschwemmen, die Dämpfe seien schädlich für das Gehirn. Vor allem die Theorie, durch die Poren der Haut würden Krankheitserreger eindringen, brachte das Baden in Misskredit. Es genüge, den Körper mit Tüchern abzureiben, lautete die vorherrschende Meinung. Unangenehmen Gerüchen wirkte man mit Parfüm und Duftsäckchen entgegen. Entscheidend war jedoch der häufige Wechsel der Leibwäsche. Ein frisches Hemd aus weißem Leinen galt den Wohlsituierten jetzt als Ausweis für Sauberkeit.

Dennoch besaßen die Schlösser und Paläste weiterhin Baderäume mit fest installierten Wannen, die – entgegen dem Klischee – offenbar genutzt wurden. Vor allem im deutschsprachigen Raum war das Waschen keineswegs passé, auch in Bürgerhäusern gab es Badestuben und Waschkästen für die Morgentoilette mit Wasser. Im Barock erlebte zudem das Prunkbad einen Aufschwung, das bei Hofe als Statussymbol und exklusiver Rückzugsort diente. En vogue war der Badepavillon im Park, meist mit vertieftem Becken im Zentrum und zuweilen als künstliche Grotte gestaltet.

Um 1900 kamen multifunktionale Blechwannen auf den Markt: Mit der Schaukelbadewanne ließen sich Wellen erzeugen.
© akg images / Interfoto / TV-Yesterday
Um 1900 kamen multifunktionale Blechwannen auf den Markt: Mit der Schaukelbadewanne ließen sich Wellen erzeugen.

Schwimmende Bäder


Im Zuge der Aufklärung wurde von Frankreich ausgehend ein moderner Hygienebegriff ausgeprägt und die Körperpflege mit Wasser offiziell rehabilitiert. Mit der Erkenntnis, dass individuelle Sauberkeit der Volksgesundheit diene, rückten funktionale Aspekte wieder in den Vordergrund.


1761 richtete der Bader Poitevin in Paris ein erstes Badeschiff auf der Seine ein. Die Kabinen verfügten über Wannen, die mit gewärmtem Flusswasser befüllt wurden. Das Vorbild machte Schule: Um 1800 hatte auch in Deutschland jede Großstadt ihr Badeschiff. Es waren vor allem Mediziner, die solche schwimmenden Badeanstalten eröffneten und die gründliche Körperreinigung priesen. Allerdings war das Gros dieser Einrichtungen mit ihren noblen Tempelfronten nur für gehobene Kreise gedacht. Auf dem Frankfurter Main-Badeschiff des Dr. Kohl waren feine weiße Badewannen aus England installiert, man konnte zwischen Kalt-, Warm- und Mineralbad wählen.


Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, mit fortschreitender Industrialisierung, rückte die Ganzkörperhygiene auch für die ärmeren Schichten ins Blickfeld. Fehlende Wasserleitungen, die mühsame Ver- und Entsorgung stellten ein großes Problem dar. Gerade in den elenden Wohnquartieren breiteten sich Krankheiten rasend schnell aus.

Bürgerlicher Wohntraum der 1920er Jahre: das Musterbad aus einem Guss.
© akg images / Interfoto / TV-yesterday
Bürgerlicher Wohntraum der 1920er Jahre: das Musterbad aus einem Guss.

In Liverpool war bereits 1842 die erste Waschanstalt für Arbeiter eröffnet worden. Hatte man doch in der britischen Gesundheitspflege einen Zusammenhang zwischen Sauberkeit und Moral postuliert. Der Londoner Ingenieur William Lindley, der Hamburg mit einer fortschrittlichen Wasserversorgung ausstattete, sah das nicht anders: „Eine unreinliche Bevölkerung verwildert.“ Bis 1855 errichtete er im Zentrum der Hansestadt eine Badeanstalt – die erste ihrer Art in Deutschland –, in der die „Unbemittelten“ ein warmes Bad nehmen und ihre Wäsche waschen konnten. Nachfolgende Anlagen waren meist Zechen oder Fabriken angegliedert. Auch bei den Waschgelegenheiten in Kasernen und Schulen ging es nicht zuletzt darum, die Leistungsfähigkeit der Adressaten zu sichern.


Ein Pionier in Sachen Volkshygiene war der Dermatologe Oscar Lassar: „Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad“, lautete seine Devise. Der Berliner Verein für Volksbäder förderte die flächendeckende Versorgung mit lauwarmen Brausebädern, die ohnehin hygienischer und kostengünstiger seien. 1883 stellte Lassar den Prototyp auf der Berliner Hygieneausstellung vor: In den Zellen der Wellblechhütte konnte man für zehn Pfennige duschen. Auch in den öffentlichen Schwimmanstalten, die jetzt überall errichtet wurden, war die Reinigungsabteilung der wichtigste Bestandteil. Hier gab es Wannen- und Brausebäder für kleines Geld, Seife und Handtuch inklusive – allein der Kamm kostete extra.

Moderne Armatur im Meisterhaus Feininger des Dessauer Bauhauses (1925/26)
© action press / imagebroker / Ingo Kuzia
Moderne Armatur im Meisterhaus Feininger des Dessauer Bauhauses (1925/26)

Wasser marsch!


Das private Badevergnügen blieb noch lange Zeit ein Luxus. Die Mehrheit musste sich daheim mit der schnöden Waschgarnitur aus Schüssel und Krug begnügen – während in Amerika und England eigene Bäder längst zum Standard gehörten. Ohnehin waren die Engländer Vorreiter in Sachen Sanitärtechnik, entwickelten doppelwandige Badewannen und ausgeklügelte Brausekombinationen. Der Installateur war ein gefragter neuer Berufsstand, der Wiener Architekt und Publizist Adolf Loos feierte ihn gar als den „quartiermacher der kultur“.


Dank der Versorgung mit Wasser, Gas und Strom hielt um 1900 das Badezimmer auch hierzulande Einzug in die großbürgerliche Wohnung. Jugendstilkünstler bezogen den Raum in ihre Entwürfe ein. Firmen boten jetzt komplette Sanitäreinrichtungen an: Wanne, Waschbecken, Bidet, Toilette – alles fest montiert und mit verheißungsvoll blitzenden Armaturen. Bei der Badewanne löste emailliertes Gusseisen das teure Porzellan ab, Waschbecken und WC wurden aus Keramik gefertigt. Eine weitere komfortable Neuerung: Dank Gasbadeofen floss warmes Wasser direkt in die Wanne.


Solche Annehmlichkeiten waren allerdings nur wenigen vergönnt. Um 1910 lag der Anteil der Wohnungen mit Bad in Berlin bei gerade einmal 14 Prozent. Im Arbeiterhaushalt behalf man sich weiterhin mit der verzinkten Volksbadewanne in der Küche – die es auch als Leihwanne frei Haus gab. Selbst in den Siedlungen der frühen Moderne war das Badezimmer keineswegs die Regel, stellten funktionale Gemeinschaftswaschräume schon einen großen Fortschritt dar.

"Lantelme Durrer verwendet den elektrischen AEG-Badeofen." Das Filmsternchen preist auf einer Werbepostkarte der 1920er-Jahre komfortable Technik an: fließend warmes Wasser für Wanne und Brause.
© akg images / Interfoto / TV-yesterday
"Lantelme Durrer verwendet den elektrischen AEG-Badeofen." Das Filmsternchen preist auf einer Werbepostkarte der 1920er-Jahre komfortable Technik an: fließend warmes Wasser für Wanne und Brause.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die komplett ausgestattete, aber knapp bemessene Nasszelle bei den Neubauwohnungen zur Norm. Auf dem Land oder in unsanierten Altbauten fehlte sie manchmal noch am Ende des 20. Jahrhunderts.


In der gehobenen Ausführung ist das Bad schon lange Spielwiese der Designer und Innenarchitekten. Die Luxus-Version wartet heute als geräumige Wellness-Oase mit freistehender Wanne und Ruheliege auf. Der jüngste Trend: die Öffnung zum Wohnbereich. Auch das Bedürfnis nach Intimität ist Moden unterworfen.


Bettina Vaupel

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1 Kommentare

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    Gisela Strobel schrieb am 06.04.2021 13:22 Uhr

    Wie schön, im Heft vom April 2021 eine Werbung für die Schaukelwanne der Firma Krauss aus Schwarzenberg zu finden! So eine Wanne kann man im Original in der Dauerausstellung des Industriemuseums Chemnitz bewundern.

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