Denkmalarten Landschaften, Parks und Friedhöfe Streiflichter Gärten Ausgabe Nummer Juni Jahr 2019 Denkmale A-Z Z
Historische Gebäude einer zeitgemäßen Nutzung zuzuführen, gehört zur täglichen Arbeit der Denkmalpflege. In den Zoologischen Gärten stellt sich diese Aufgabe als besonders verzwickt dar: Zwar bleibt die Bauaufgabe, die Rahmenbedingungen aber haben sich komplett gewandelt.
Von Professor Dr. Natascha Meuser, Hochschule Anhalt/Dessau
Ein Zoodirektor, so stellt sich das jedes Kind vor, kümmert sich um Elefanten, Affen und Pinguine. Wenn es ganz exotisch wird, um Flughunde oder besonders angsteinflößende Spinnen. Dass er sich aber auch um historische Bauwerke sorgen muss, das ist den wenigsten Zoobesuchern bewusst. Und diese Bauwerke sind oft nicht minder exotisch als die Tiere. Quer durch die Kontinente baute man sich im 19. Jahrhundert: Nicht selten finden sich in einem Zoo maurisch, afrikanisch oder asiatisch anmutende Gebäude nebeneinander. Sie sind Denkmale einer ganz besonderen Gattung.
Bei der Zooarchitektur kommt somit ein zentrales Problem der Denkmalpflege besonders zum Tragen: Einerseits gibt es Bauten mit Seltenheitswert, die als beispielhaft für eine Epoche erhalten werden sollen. Andererseits hat sich die Erwartung an die Funktionalität spezifischer Bautypen geändert. So unterschiedlich die Ansprüche über die Zeit hinweg sein mögen, die die Menschen an ihre Sakral-, Wohn- oder Schulbauten stellen, so haben hier doch immerhin Menschen für Menschen geplant und gebaut.
Anders ist dies im Zoo, wo die einzige Bautypologie entstand, die sowohl Mensch als auch Tier zum Maßstab hat. Die gesellschaftliche Wertvorstellung vom optimalen Zusammenleben von Mensch und Tier hat sich grundlegend gewandelt, seitdem 1793 in Paris der erste wissenschaftlich geführte Zoologische Garten erbaut wurde. Dieser Wandel der Vorstellung des Menschen vom Wildtier – von einem reinen Schauobjekt hin zu einem Wesen mit Rechten – ist in der historischen Entwicklung der Zooarchitektur ablesbar.
Unterscheiden lassen sich fünf Generationen: Die im Kolonialstil errichteten Ausstellungspavillons des 19. Jahrhunderts wurden abgelöst von den gitterlosen Gehegen, die der Hamburger Tierpark Hagenbeck um 1900 entwickelte. Es folgten im frühen 20. Jahrhundert, als es vor allem um hygienische Aspekte ging, funktionalistische Bauten der Moderne. In der vierten Generation gab es eine Tendenz zur Renaturierung und Verlandschaftlichung, sodass naturnahe Gehege mit größeren Flächen für mehrere Tierarten entstanden.
Die jüngste Generation verbindet dagegen die Aspekte Gestaltung und Zoologie: Erlebnisarchitektur hält Einzug in den Zoo, während Markenbildung durch spektakuläre Großbauten angestrebt wird. Der Zoologische Garten wandelt sich also von einer lebenden Trophäensammlung über ein Museum mit lebendigen Exponaten hin zum Erlebnispark mit moralischem Auftrag.
Im Zuge dieser Entwicklung wurden etliche als mittlerweile unzulänglich und für die Tiere als unzumutbar angesehene Zoogebäude zerstört, um Neubauten Platz zu machen, die dem aktuellen Tierschutzverständnis Rechnung tragen. Aber das Gelände eines Zoos ist in der Regel limitiert, jede Neugestaltung birgt auch ein Raumproblem. Das führt dazu, dass nur noch eine relativ geringe Zahl historischer Bauten existiert, die oftmals die letzten ihrer Art sind. Diese Relikte gilt es aber als über lange Zeit vernachlässigte Bauwerke in ihrer Authentizität, Exotik und in ihrem historischen Zusammenhang wertzuschätzen.
Weil man nur das erhalten könne, was man kennt, müsse die Inventarisierung des Bestandes am Anfang jeder Denkmalpflege stehen, schrieb schon Schinkel. Nur wenige Zoos wie der Tiergarten Schönbrunn in Wien, der Zoologische Garten in Berlin oder der Zürcher Zoo haben jedoch genügend Mittel und Zeit, um solche Archive zu pflegen. Zoodirektoren sind in erster Linie dem Tierwohl und wirtschaftlichen Zwängen verpflichtet.
Historischer Zooarchitektur eine neue Funktion zu geben, die einer modernen Zookonzeption entspricht, andererseits aber auch der ursprünglichen Nutzung Rechnung trägt, ist die Herausforderung der Moderne. Schwierige Entscheidungen müssen getroffen werden: Ist es beispielsweise legitim, die ehemalige Bärenanlage im Zoo Leipzig mit dem Segen der Denkmalpflege zum Kinderspielplatz umzufunktionieren?
Die Zooarchitektur ist die sichtbare Auseinandersetzung des Verhältnisses von Mensch und Tier und insofern auch immer Mahnmal inzwischen überwundener Fehler im Umgang mit der Natur. Wie man den Auftrag der Arterhaltung in Zoos durch Baukultur unterstützen kann, ist eine Aufgabe, an der sich künftige Generationen Zoologischer Gärten messen lassen müssen. Dazu gehört auch, den Besuchern die Denkmale der Zoologischen Gärten mehr bewusst werden zu lassen – und dazu noch die städtebaulichen und landschaftsarchitektonischen Qualitäten herauszustellen, war doch die Botanik in vielen Zoos als Gründungsziel verankert.
Tierpark Hagenbeck: Denkmal und Marketing – Elefantentor (1907)
Eine bahnbrechende Umwälzung war es, als Carl Hagenbeck um 1900 in seinem Panoramazoo die von exotischen Vorbildern geprägten niedlichen Tierpavillons um eine eigenständige Architekturlandschaft erweiterte. Hagenbeck verzichtete auf Gitterstäbe und trennte die auf einer Naturbühne präsentierten Tiere durch Gräben vom Betrachter. Diese Revolution in der Zooarchitektur, die sich Hagenbeck seinerzeit sogar patentieren ließ, schaffte es erst fast hundert Jahre später auf die Liste der Kulturdenkmäler in Hamburg-Stellingen.
Heute sind die weltbekannten Panoramen und das Elefantentor Wahrzeichen von Hamburg und für die Hansestadt vielleicht so wichtig wie das Markenzeichen jüngerer Vergangenheit: die Elbphilharmonie. Bei ihrer Entstehung wurden sie allerdings als Zweckbauten behandelt und nur nachlässig dokumentiert – was es schwierig macht, den Originalzustand zu rekonstruieren. Das 1907 im Jugendstil erbaute Elefantentor etwa wurde über die Jahrzehnte so oft frisch gestrichen und überarbeitet, dass die ursprüngliche Farbgebung kaum belegt werden kann. Da das Elefantentor als Eingang zum Zoo keine Aufenthaltszone von Tieren ist, kann der dekorative Bau mit Wiedererkennungswert unproblematisch weiterverwendet werden.
Tierpark München: Denkmal und Authentizität – Elefantenhaus von Emanuel von Seidl (1914)
Noch 100 Jahre nach seiner Fertigstellung ist der in seiner Kubatur gewaltige Zentralbau des Elefantengeheges ein Wahrzeichen des Tierparks München und gleichzeitig Zeugnis der Entwicklung von Großbauten in Zoologischen Gärten um die Jahrhundertwende. Durch die Fortschritte im Feld der Eisenbetonkonstruktion waren soeben Dächer mit enormen Spannweiten realisierbar geworden, als 1914 das Elefantenhaus auf ovalem Grundriss entstand – zeitgleich mit anderen großen Kuppelbauten wie der Breslauer Jahrhunderthalle. Zwar gibt es hier eine für historische Zoobauten vergleichsweise beständige Bausubstanz. Ammoniakhaltige Dämpfe führten jedoch mit der Zeit zu Korrosionsschäden an der Bewehrung sowie Rissen im Beton der 18 Meter hohen, freitragenden Eisenbeton-Glaskuppel-Konstruktion, sodass Fachingenieure 2010 eine akute Einsturzgefahr feststellten. Das Gebäude wurde gesperrt, die Tiere kamen in Provisorien unter. Die historische Kuppel wurde im September 2014 gesprengt und der Bau bis auf die Grundmauern abgetragen. Es folgte ein umfassender Wiederaufbau unter Berücksichtigung baukonstruktiver, denkmalgerechter und auch tierpflegerischer Aspekte. Der Neubau ist eine Rekonstruktion des Gebäudes mit modernen Materialien.
Zoo London: Denkmal und Moderne – Pinguinbecken von Bertold Lubetkin (1934)
Der Avantgardist Bertold Lubetkin definierte in den frühen Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zwei Gestaltungsansätze für Zoobauten: Entweder bedient sich die Architektur einer populären, vom Publikum nachgefragten Romantik wie bei Hagenbeck. Oder aber sie versucht ein architektonisches Statement abzugeben in Form einer abstrakten Bühne wie etwa im Zirkus. Letztere Haltung vertrat Lubetkin. Bei ihm spielten bereits die Standardisierung und die Erprobung von neuen Materialien wie Stahl, Stahlbeton und Glas eine große Rolle und ebneten den Weg für eine Zooarchitektur mit Glasflächen als wichtigem Gestaltungselement.
1970 wurde das Pinguinbecken unter Denkmalschutz gestellt. Noch heute pilgern Architekturinteressierte in den Londoner Zoo, um das außergewöhnlich schöne, 1934 geschaffene Pinguinbecken zu sehen. Das berühmte Gehege steht nun allerdings seit über einem Jahrzehnt wegen Problemen in der praktischen Nutzung leer: Die Pinguine hatten sich durch Betreten des Betons eine Hummelfuß-Infektion zugezogen. So haben wir hier das Beispiel eines einzigartigen Gebäudes, das nicht modernen tierpflegerischen Standards entspricht. Als Ikone der Zooarchitektur darf es bislang ohne neues Nutzungskonzept im Zoo stehen bleiben.
Tierpark Friedrichsfelde: Denkmal und Erweiterung – Alfred-Brehm-Haus von Heinz Graffunder (1963)
Eine Besonderheit stellen die Planungen und Neugründungen der Zoologischen Gärten in der DDR dar. Die Zoos sollten als „naturwissenschaftliche Schulen des Volkes“ eine gesetzlich festgeschriebene Bildungsaufgabe erfüllen und etablierten sich dadurch als Kulturinstitute. Der Ostberliner Tierpark Friedrichsfelde spielte als Hauptstadtzoo eine besondere Rolle. Mit dem imposanten Bau des Alfred-Brehm-Hauses verkörperte die über 160 Hektar große Anlage Anfang der Sechzigerjahre die kulturelle Wertstellung der Volkseinrichtung Zoo.
Untrennbar mit diesem Bauwerk und erst recht mit der Entwicklung der Zooarchitektur in der DDR ist der Name des Architekten Heinz Graffunder verbunden – der bedeutendste Architekt in der DDR, der sich der Typologie von Zoobauten verschrieben hatte. Die aktuellen Zoorichtlinien stellen die Betreiber heute allerdings vor große Herausforderungen. Wie kreativ und verantwortungsvoll können Zoogebäude denkmalgerecht und zugleich modern umgenutzt werden?
Obwohl der Berliner Tierpark bereits 1995/96 Außenkäfige und Gehege seines denkmalgeschützten Universal-Warmhauses vergrößert hatte, entschloss man sich letztlich doch zu einer Umnutzung in ein modernes Regenwaldhaus, das nur noch 25 Tiere statt ehemals 19 Raubtierarten mit 54 Tieren beherbergen wird. Wieviel von dem Ursprungsbau, der bei seiner Eröffnung 1963 als größtes und modernstes Tierhaus gefeiert wurde, erkennbar bleiben wird, können die Besucher erst nach der Neueröffnung im Herbst 2019 beurteilen. Zu hoffen ist auch hier, dass trotz neuem Nutzungskonzept die einzigartige Bausubstanz erhalten bleiben kann – Einfallsreichtum ist gefragt.
Prof. Dr. Natascha Meuser, Jg. 1967, Professorin für Innenraumplanung an der Hochschule Anhalt/Dessau. Studium in Rosenheim und in Chicago am Illinois Institute of Technology. Promotion an der Technischen Universität Berlin. Zahlreiche Publikationen im Bereich Bildungsbauten und Darstellungsmethodik sowie bauhistorische Forschungen zum Thema Architektur und Zoologie.
Umfangreich, praxisorientiert und doch spannend zu lesen und reich bebildert:
Natascha Meuser: Zoobauten. Handbuch und Planungshilfen. DOM publishers.
576 S., ISBN 978-3-86922-478-7, 128 m.
Seit April auch in englischer Sprache erhältlich.
ISBN 978-3-86922-680-4
Es sieht aus wie eine russisch-orthodoxe Kirche und ist
doch weder russisch noch sakral. In dem mehrschiffigen Innenraum des
sogenannten Südamerikahauses im Kölner Zoo standen einst Vogelkäfige und
Affengehege. Sein Äußeres wird geprägt von den flankierenden vier Ecktürmen,
exotisch gestaltet durch Zwiebelhauben und mehrreihige geschwungene Bögen. 1899
eingeweiht, ist es eines der ältesten erhaltenen Bauwerke des Kölner Zoos. In
Gesellschaft mit dem klassizistischen Direktorenhaus und dem maurisch-indisch
anmutenden Alten Elefantenhaus, beide ebenfalls von den Architekten Müller
& Grah entworfen, bildet es an der östlichen Seite des Zoos einen
malerischen Blickfang – auch wenn sein momentaner Zustand eher
besorgniserregend als romantisch ist.
Das Vogelhaus löste bei seiner Einweihung Begeisterung aus. Als „Prachtbau“ und als „Schloss“ betitelte es der Kölner Stadtanzeiger 1899. Die Glasdecke über dem mittleren Teil ließ das Innere licht und freundlich erscheinen und setzte die tierischen Bewohner geschickt in Szene. „Raum ist den munteren Geschöpfen auch ausreichend geboten“, stellte die Zeitung zufrieden fest und kann damit nicht deutlicher machen, wie sich Meinungen über ein Jahrhundert hinweg ändern können.
Nach der Sanierung soll in das Südamerikahaus eine Tropenhalle einziehen. Erlebnisarchitektur und eine möglichst tiergerechte Haltung, die den modernen zoologischen Anforderungen entspricht, finden sich dann zwischen ertüchtigten historischen Stahlträgern wieder. Es klingt ein wenig wie Schöpfer spielen, wenn Zoodirektor Professor Theo Pagel die Zukunft entwirft: „Hier wird ein tropischer Regenwald mit frei fliegenden Vögeln und kleinen kletternden Tropenaffen geschaffen werden.“
Eine Schöpfung, die technische Tücken bereithält: Die enorme Wärme und Luftfeuchtigkeit sind für Bauwerke – ob russisch anmutend oder nicht – eine Herausforderung. Aber zunächst muss dringend gehandelt werden: Risse in den Giebeln der Türme ließen Wasser eintreten, Abplatzungen bedrohten die Stabilität, sodass teilweise Gesimse ebenso wie Stuckornamente über den Portalen abgenommen werden mussten. Die Stahlfachwerkbogenkonstruktion, die dem Raum seine großzügige Weite gibt, ist stark angegriffen. Energetisch befindet sich das Gebäude in einem katastrophalen Zustand.
In Köln und Umgebung ist der Zoo eine Herzensangelegenheit fast jeder Familie – für viele so etwas wie das zweite Wohnzimmer. Manch einer kennt gefühlt so ziemlich jeden der über 10.000 tierischen Zoobewohner. Nun gilt es, das Augenmerk auch auf die baulichen Attraktionen zu lenken. Interessierten Besuchern bietet der Zoo bereits auf Tafeln Informationen über die Denkmale im Park. Das Südamerikahaus aber ist fürs Erste nicht zu besichtigen – in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege ist die Rettung des Gebäudes die Aufgabe der nächsten Monate. Dann kann der Regenwald einziehen.
Beatrice Härig
http://www.denkmalschutz.de/suedamerikahaus
Kölner Zoo
Riehler Str. 173, 50735 Köln
365 Tage im Jahr geöffnet!
März-Okt. 9-18 Uhr, Nov.-Feb. 9-17 Uhr.
Auch kleinste Beträge zählen!
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
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