Menschen für Monumente Oktober 2016

Die Jugendbauhütte half im Oldenburger Schlossgarten

Mobile Maurer im Einsatz

Die Teilnehmer der Jugendbauhütte im Landkreis Stade fanden sich zu einem Seminar in Oldenburg ein.

Der Oldenburger Schlossgarten ist ein Refugium inmitten der Stadt. Ende April 2016 sind in dem sonst so beschaulichen und stillen Park ungewohnte Töne auszumachen. Sie dringen aus dem Küchengarten im Zentrum der weitläufigen Anlage. 21 junge Menschen sitzen auf einem langen Gerüst und bearbeiten mit Hämmern und Meißeln einen Abschnitt der Ziegelmauer, die den knapp einen Hektar großen Nutzgarten umgibt. Rhythmisch und fröhlich hört sich das an.


Die Jugendbauhütte im Landkreis Stade der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) hat sich hier zu einem ihrer gemeinsamen Seminare eingefunden. Mit Regenkleidung trotzen die Freiwilligen der Witterung, die es zu dieser Jahreszeit nicht besonders gut mit ihnen meint: Kälte und Schneeregen könnten den Antrieb bremsen. Doch weit gefehlt! Die beiden Seminarleiter sind beeindruckt, mit welcher Begeisterung alle bei der Sache sind.

Hier wurden die Naturalien für die herzogliche Hofküche angebaut. Heute wird der Küchengarten wieder als Anzuchtfläche sowie für zahlreiche Veranstaltungen genutzt.
Oldenburg, Schlossgarten © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Hier wurden die Naturalien für die herzogliche Hofküche angebaut. Heute wird der Küchengarten wieder als Anzuchtfläche sowie für zahlreiche Veranstaltungen genutzt.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts plante Herzog Peter Friedrich Ludwig den Park im Stil eines englischen Landschaftsgartens. Die Mauer des Küchengartens wurde zusammen mit dem Hofgärtnerhaus in der ersten Bauphase 1810 errichtet. Ab 1814 erfolgte dann die Anlage des Schlossgartens im großen Stil durch den Hofgärtner Julius Friedrich Wilhelm Bosse. Heute zählt er zu den schönsten seiner Art im Nordwesten.
Die über 400 Meter lange Mauer, die dem Küchengarten ein eigenes Klima beschert, hat ihre zwei Jahrhunderte allerdings nicht unbeschädigt überstanden. Eindringende Feuchtigkeit und Frost, Efeuwurzeln und ein falscher Zementmörtel aus früheren Jahren haben die Substanz sichtbar angegriffen. Stück für Stück muss sie saniert werden.


Dörte Lossin, Leiterin des Oldenburger Ortskuratoriums der DSD, hatte die Idee, die jungen Leute, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Denkmalpflege absolvieren, im Küchengarten mithelfen zu lassen.
Bei Schlossgartenchefin Trixi Stalling rannte sie offene Türen ein.

Auf dem 30 Meter langen Gerüst erproben sich die Teilnehmer des Jahrgangs 2015/16 an der Mauersanierung.
Oldenburg, Schlossgarten © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Auf dem 30 Meter langen Gerüst erproben sich die Teilnehmer des Jahrgangs 2015/16 an der Mauersanierung.

Unter fachlicher Anleitung zweier erfahrener Maurer erproben sich die Nachwuchshandwerker also nun an diesem wichtigen Bestandteil des Gartendenkmals. Die Mauerkrone sowie ein großer Teil der Fugen können erhalten werden. Wo Ziegel ersetzt werden müssen, kommt historisches Material zum Einsatz. Das passt nicht nur optisch besser, sondern verspricht ähnliche physikalische Eigenschaften. Für neue Fugen wird Muschelkalkmörtel verwendet. Wenn diese Arbeit getan ist, will die Stadt mit der Sanierung der Mauerrückseite fortfahren.


Jetzt, wo die Seminarteilnehmer da sind, kommt Dörte Lossin jeden Tag vorbei. Mal hat sie einen Nachtisch dabei, mal bringt sie einen großen Topf mit heißem Punsch. Alkoholfrei, versteht sich. Kleine, aber wichtige Aufmerksamkeiten, die den Freiwilligen zeigen, dass ihr Tun wertgeschätzt wird.

In der Vergangenheit hat falcher Zementmörtel die Substanz geschädigt.
Oldenburg, Schlossgarten © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
In der Vergangenheit hat falcher Zementmörtel die Substanz geschädigt.

Die 2009 gegründete Jugendbauhütte im Landkreis Stade stellt eine sogenannte Mobile Einsatztruppe. Jeweils zwei junge Frauen und Männer werden ausgewählt, um Handwerker und Restauratoren bei unterschiedlichsten Projekten im Elbe-Weser-Dreieck und darüber hinaus zu unterstützen. Die anderen Jugendlichen haben feste Einsatzstellen, die von Forschungseinrichtungen bis zu einem historischen Feuerschiff reichen. Auf der „Elbe 1“ in Cuxhaven durfte Jonathan Hinz zusammen mit einem Tischler die Kajüten auf Vordermann bringen.


Der 18-jährige Jan Töpfer, dessen ältere Schwester auch schon das FSJ bei der Jugendbauhütte absolviert und die positiven Erfahrungen weitergegeben hat, arbeitet bei einem Reetdecker. Schon nach einer Woche Probezeit wusste er: „Das ist genau mein Ding.“ Nina Hansen kommt weit seltener an die frische Luft. Sie saugt lieber im Stadtarchiv Stade den Geruch der Geschichte in Gestalt alter Bücher und Dokumente ein. Dass sie dort Einblick in sämtliche Abteilungen bekommt, findet sie besonders spannend. Gerade hat sie sich mit Papierrestaurierung befasst.

Mittagspause zwischen Pflanzen: Der Glaspavillon im Küchengarten wurde kurzfristig zum Schlaf- und Esszimmer umfunktioniert.
Oldenburg, Schlossgarten © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Mittagspause zwischen Pflanzen: Der Glaspavillon im Küchengarten wurde kurzfristig zum Schlaf- und Esszimmer umfunktioniert.

Bei den Seminaren finden sich alle zu einem Projekt zusammen. Dabei steht nicht nur die handwerkliche Erfahrung im Vordergrund. Im Oldenburger Hofgärtnerhaus liegt Schlafsack an Schlafsack. Die Zeltlager-Romantik hat hier einen tieferen Sinn: Es geht um Arbeiten und Leben in der Gruppe, um gemeinsame Verantwortung und nicht zuletzt um den Austausch untereinander, das Erzählen von den vielen verschiedenen Einsatzstellen.


Mittlerweile ist das FSJ zu Ende gegangen. Und ein weiteres Mal schwärmt Eva Pfennig, Leiterin der Jugendbauhütte Stade, davon, was die jungen Leute innerhalb dieser Zeit aus sich herausgeholt haben. Die meisten sehen jetzt klar, wohin die Reise gehen soll. Dreiviertel dieses Jahrgangs werden der Thematik bei ihrer Berufswahl treu bleiben, werden sich zum Tischler oder Kunstschmied ausbilden lassen, Kunstgeschichte oder Archäologie studieren. Jonathan Hinz hat sich als seetauglich erwiesen und beginnt eine Lehre als Schiffsmechaniker; Jan Töpfer wird, weiterhin schwindelfrei, in das alte Reetdachdecker-Handwerk einsteigen.


Eva Pfennig bleibt nicht viel Zeit zum Luftholen. Schon hat der nächste Schwung motivierter junger Menschen die Arbeit aufgenommen.  


Bettina Vaupel

Jugendbauhütten


Die Jugendbauhütten eröffnen jungen Menschen die Möglichkeit, ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege zu absolvieren und ein Verantwortungsbewusstsein für unser bauliches Erbe zu entwickeln.


Nähere Informationen zu den

14 Jugendbauhütten:
Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Referat Jugendbauhütten, Silke Strauch, Tel. 0228 9091-160, silke.strauch@denkmalschutz.de



Jugendbauhütten-Fonds


Mit dem Jugendbauhütten-Fonds sorgt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für die Zukunft des Jugendbauhütten-Programms. Nähere Informationen unter Tel. 0228 9091-250.

Zustiftungen in den Gemeinschaftsfonds Jugendbauhütten sind herzlich willkommen.



 

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