Material Restaurierungstechniken April 2015
Kopflos trabte eines der Schafe in der Stiftskirche von Bassum umher. Nun ist es wieder - vollständig und formvollendet - Teil der Herde, die sich um das wellige Wasser mit dem Stiftskirchen-Modell auf dem Boot gruppiert.
Weil das Fußboden-Bild im Chorquadrat der Kirche ansonsten in seiner leuchtenden Farbigkeit und exakten Symmetrie so stimmig war, fiel der fehlende Schafskopf stark auf. Man entschloss sich deshalb zu seiner Rekonstruktion. Gefragt waren Restauratoren, die die Technik der Gipsinkrustation beherrschen, in der der Fußboden im niedersächsischen Bassum ausgeführt ist. Die im 13. Jahrhundert errichtete backsteinerne Kirche wurde 1860-69 von Conrad Wilhelm Hase instand gesetzt und in Teilen erneuert; dabei wurde auch der Inkrustationsboden aus Hochbrandgips geschaffen. Bei dieser Technik werden in eine Mörtelgrundmasse aus Hochbrandgips Flächen eingeschnitten, mit gefärbtem Gips aufgefüllt und geglättet. Lage für Lage, Farbe für Farbe entstehen so flächendeckende Darstellungen - sehr aufwendig, aber auch sehr beeindruckend. Nur wenige Böden in dieser schon im Mittelalter angewandten Werktechnik sind erhalten geblieben.
Andere Zeiten, andere Auffassungen: Bei Restaurierungsmaßnahmen in den 1920er-Jahren drehte man die Schafe auf der linken Seite einfach um. Sie laufen nun nicht mehr gen Osten zum Lamm Gottes, sondern im Kreis. Warum man das tat, verraten uns die Archive allerdings nicht.
Beatrice Härig
Das Stift Bassum selber, etwa 25 km südlich von Bremen gelegen, ist ebenfalls einen Besuch wert. Es wurde 858 gegründet und gilt als das älteste noch bestehende Kanonissenstift in Europa. Um das Abteigebäude und die Kirche gruppieren sich diverse weitere Gebäude wie Stiftsmühle, Speicher, die ehemaligen Stiftsdamenhäuser und die Rentei. Im 2012 eingeweihten Ausstellungsraum im Abteigebäude werden wertvolle Ausstattungsstücke und Stoffe gezeigt. Führungen auf Anfrage.