Kleine und große Kirchen Historismus Herrscher, Künstler, Architekten Menschen für Monumente April 2015
Der Anblick scheint einer romantischen Phantasie entsprungen: In die Parklandschaft von Sanssouci hineinkomponiert, ist die Potsdamer Friedenskirche vom Wasser des künstlich angelegten Friedensteichs umgeben. Sie ist ein steingewordenes Ideal. In ihr verbinden sich Friedrich Wilhelms IV. (1795-1861) Begeisterung für die frühchristliche Kunst und seine Liebe zu Italien.
Eingebettet in einen von Peter Joseph Lenné geschaffenen Landschaftsgarten, war die Friedenskirche Gemeindekirche der Brandenburger Vorstadt und Hofkirche.
Das Ensemble, dessen Entwurf auf eigenhändigen Skizzen des kunst- und architekturbeflissenen Königs fußt, nahm vor 170 Jahren seinen Anfang. Er beauftragte Ludwig Persius (1803-45) mit dem Bau, der zwei wesentliche Aspekte bei der Ausführung zu berücksichtigen hatte: Die Kirche sollte "dem Muster und der Größe" von San Clemente in Rom entsprechen, und ein Apsismosaik, das Friedrich Wilhelm 1834 aus der zum Abbruch bestimmten Kirche San Cipriano bei Venedig erworben hatte, musste integriert werden. Persius war es nicht vergönnt, das ehrgeizige Projekt zu realisieren. Nach dessen frühem Tod vollendete August Stüler (1800-65) das 1845 begonnene Bauwerk im Jahr 1848.
Herzstück der Kirche ist die Grabstätte ihres geistigen Schöpfers Friedrich Wilhelm IV. und seiner Frau Elisabeth. Ganz nach mittelalterlichem Vorbild befindet diese sich in einer Gruft unterhalb des Hauptaltars.
Die Friedenskirche ist aber nicht nur Grablege des Königs, sondern auch Ausdruck seines kirchenpolitischen Programms. Der Monarch wünschte sich die Aussöhnung der Konfessionen. Dazu passt seine Heirat mit der bayerischen Prinzessin Elisabeth, die zunächst nicht zum protestantischen Glauben konvertierte. Als Liebhaber des Mittelalters war er größter finanzieller Förderer der Vollendung des Kölner Doms nach den damals aufgefundenen Originalplänen. Dessen Fertigstellung sah er als "Werk des Brudersinns", das die Integration des katholischen Rheinlands in den preußischen Staat symbolisieren sollte. Die protestantisch-preußische Kirche wollte der König vom gotisch-katholischen Mittelalter absetzen. Er suchte nach anderen Konzepten. Sein Anknüpfungspunkt war nicht Luther, sondern die von den Aposteln eingesetzte Urkirche. Ihre Gemeindeverfassung und Liturgie erschienen ihm vorbildlich, ihre Architektur die geeignete Formensprache. Frühchristliche Kunst fand sich in Italien, das Friedrich Wilhelm als Kronprinz bereiste. Sein Blick in den Süden war schwärmerisch, aber von einem regen wissenschaftlichen Interesse an der christlichen Antike begleitet, deren Erforschung gerade begann.
Einen Beitrag dazu erbrachten Johann Gutensohn und Gottfried Knapp. In mehreren Lieferungen gaben sie ein Kupferstichwerk mit bis dahin unübertroffen exakten Ansichten der christlichen Basiliken Roms aus der Zeit vom 4. bis 13. Jahrhundert heraus, kommentiert vom preußischen Gesandten am Heiligen Stuhl in Rom, Christian Karl Josias von Bunsen. Dem König gewidmet, war das Werk Richtschnur für Kirchenplanungen im Umkreis seiner Schlösser.
Von der im 4. Jahrhundert gegründeten Kirche San Clemente zeigen die Kupferstiche nicht die barock überformte Oberkirche des 12. Jahrhunderts - wie der König sie während seiner Italienreise besichtigt hatte -, sondern einen frühchristlichen Idealzustand. Die Epochengrenzen zwischen frühchristlicher und mittelalterlicher Architektur waren für Friedrich Wilhelm noch fließend. Es war für ihn kein Widerspruch, die frühchristlich gedachte Friedenskirche nach der hochmittelalterlichen Kirche San Clemente zu bauen.
Die Potsdamer Friedenskirche wirkt wie eine Idylle. Die dreischiffige Basilika mit einer von zwei Nebenapsiden gerahmten Hauptapsis im Osten besitzt im Westen eine Vorhalle mit Atrium. Der Chor und die Nordseite sowie ein Säulengang, der in die Vorhalle mündet, grenzen an den künstlich angelegten See. Von Schloss Sanssouci kommend, gelangte das Königspaar durch eine Pforte und den Säulengang zur Kirche. Den Übergang von der Stadt zum Park markiert der achtgeschossige Campanile.
Während - wie vom König gefordert - die Maße der Friedenskirche nur knapp von San Clemente abweichen, agierte man an anderen Stellen freier. Für den Campanile stand beispielsweise der Turm der römischen Kirche Santa Maria in Cosmedin Pate, ebenfalls Teil des Kupferstichkom-pendiums. Wertvollstes Stück war das venezianische Mosaik aus dem 13. Jahrhundert. Um das goldglänzende Kunstwerk passgenau anzubringen, wich man auch bei der Apsis von San Clemente ab. Der Idee, dem Original möglichst nahe zu kommen, folgen die im 19. Jahrhundert nach hochmittelalterlichen Vorbildern geschaffenen Ausstattungsstücke. Blickfang im Langhaus ist der Fußbodenbelag, der mit seinen kreisrunden Platten an die Dekorationen der Cosmati erinnert. Die Künstlerdynastie hatte im mittelalterlichen Italien mit den nach ihnen benannten Arbeiten Furore gemacht. Der Ornamentboden reicht fast bis zum Altarraum, wo zwei weiße Schranken Kanzel und Lesepult aufnehmen. Auch sie entstanden nicht ohne Inspiration und wurden dem ebenso bei Gutensohn und Knapp dargestellten Ambo aus San Lorenzo fuori le Mura in Rom frei nachgearbeitet.
Mit der Friedenskirche schuf Friedrich Wilhelm IV. einen Sehnsuchtsort, ein Stück Italien in Potsdam. Schöpfungen wie diese brachten dem König wohl den Ruf des "Romantikers auf dem Thron" ein, mit dem er in die Geschichte eingegangen ist. Doch diese Wertung greift etwas zu kurz: Es ist die Kombination aus wissenschaftlicher Kenntnis, kirchenpolitischer Idee und eigener Phantasie, die die besondere Ästhetik des Gebäudes ausmacht. Das einzigartige Kunstwerk mit seinen harmonisch aufeinander abgestimmten Materialien und ausgewogen komponierten Baukörpern zieht noch heute jeden Besucher in seinen Bann.
Julia Ricker
Von der Friedenskirchengemeinde genutzt, ist das Gotteshaus nach wie vor ein Anziehungspunkt - vor allem Hochzeiten und Taufen werden hier gerne gefeiert, Konzerte und Führungen besucht.
Doch der Schein trügt. Weil es nie eine Generalsanierung gab, haben sich über viele Jahre bauliche Mängel angesammelt, die in der Summe die Friedenskirche gefährden: Größtes Sorgenkind ist der Campanile, an dem bereits Notsicherungen vorgenommen werden mussten. Außerdem wird ohne schnelle Hilfe das mittelalterliche Mosaik, das in seinem originalen Mörtelbett nach Potsdam transportiert wurde, Schaden nehmen. Die eisernen Teile der Tragekonstruktion sind durch eindringende Feuchtigkeit vom Rost zerfressen. Darüber hinaus gefährdet durch die undichten Seitenschiffdächer sickerndes Wasser die Substanz.
Gemeinsam mit dem Bauverein Friedenskirche Potsdam e. V. sowie der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg macht sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für die Erhaltung des wertvollen Bauwerks stark. Unterstützt wird sie von Botschaftern, die mit ihrem Namen für das Sanierungsprojekt werben: Georg Friedrich Prinz von Preußen, Chef des Hauses Hohenzollern und Mitglied im Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die SPD-Landtagsabgeordnete Klara Geywitz und das Gemeindemitglied Ursula Weyrauch.
Spendenkonto: Deutsche Stiftung Denkmalschutz
IBAN: DE71 500 400 500 400 500 400
BIC: COBA DE FF XXX
Verwendungszweck: "1009998X Friedenskirche"
Friedenskirche, Am Grünen Gitter 3, 14469 Potsdam
Besichtigung bis 30.4. Mo-Sa 11-17, So 12-17 Uhr, 1.5.-1.10. Mo-Sa 10-18, So 12-18 Uhr, 2.10.-1.11. Mo-Sa 11-17, So 12-17 Uhr
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz