Öffentliche Bauten Menschen für Denkmale Juni 2014
Das Karl-Liebknecht-Gymnasium in Frankfurt (Oder) befasst sich im Rahmen von "denkmal aktiv - Kulturerbe macht Schule", dem Schulprojekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, mit einem alten Lichtspieltheater an der Heilbronner Straße.
Kennen Sie das? Jeden Morgen gehen Sie an einem Gebäude vorbei, das schon bessere Zeiten erlebt hat. Es liegt mitten in der Stadt und ist ungenutzt. Nach einer Weile gehört der Anblick zum Alltag. Sie haben sich daran gewöhnt. Dann zerbrechen Fensterscheiben. Graffiti erscheint am Sockel. Taschentücher, Kaffeebecher und Flaschen nehmen zu im Gestrüpp. Erdgeschosstüren werden zugemauert. Die ehemals vornehme Fassade wirkt wie eine verlotterte Festung. Auch daran gewöhnen Sie sich. Sie speichern das Grundstück als verlorenen Ort ab.
Die Menschen in Frankfurt (Oder) hatten in ihrem Stadtzentrum ebenfalls einen solchen blinden Fleck. Schülerinnen und Schüler des Karl-Liebknecht-Gymnasiums holten ihn ins Gedächtnis zurück. Es handelt sich um ein Kino an der Heilbronner Straße, dessen Anblick die meisten Passanten schon lange nicht mehr schmerzte. 1998, als das CineStar in der Stadt eröffnete, hatte das Lichtspielhaus ausgedient. Die Baugeschichte bis dahin war bewegt: Entstanden 1919 aus dem Umbau einer Brauerei mit Festsälen, wurde es nach der Wende ab 1955 als "Lichtspieltheater der Jugend" geführt. Nach 2000 plante ein Investor ein Kasino einzurichten. Dieses Vorhaben scheiterte.
Für das Denkmal ist es ebenso gefährlich wie für Menschen, wenn sie abgeschrieben werden: Es droht eine Negativspirale. Daher ist das Schulprojekt, das der Kunst- und Deutsch-Lehrer Winfried Bellgardt zusammen mit dem pensionierten Stadtplaner Dr. Dieter Freudenberg seit Schuljahresbeginn in Frankfurt (Oder) leitet, eine besonders große Herausforderung für alle. Es geht darum, an einem ehemals bedeutenden Platz im Zentrum Verfall und Vandalismus an einem Denkmal nicht mehr länger hinzunehmen. In einem ersten Schritt erforschten die Schüler der 9. Klasse die Vergangenheit, sahen sich alte Stadtansichten an, beschäftigten sich mit der Geschichte der Kinos im Allgemeinen und mit der in Frankfurt und im benachbarten polnischen Slubice im Besonderen. Sie befragten Eltern und Großeltern nach ihren Erinnerungen und den Filmen, die sie dort gesehen hatten.
Um den Stil des Lichtspieltheaters einordnen und seinen Wert beurteilen zu können, reisten die Schüler nach Eisenhüttenstadt und nach Berlin, wo sie das Hansaviertel als Beispiel westdeutscher Nachkriegsarchitektur kennenlernten. An der Karl-Marx-Allee im östlichen Teil der Stadt konnten sie Vergleiche zur DDR-Baukunst nach 1945 ziehen.
Die Schüler erfuhren, wie qualitätvoll der Eingangstrakt des Frankfurter Kinos nach den Plänen von Wilhelm Flemming, Karl Irmler und Gerhard Oßwald 1955 gestaltet wurde. Typisch für ihre Zeit sind die Plastiken "Trümmerfrau" und "Stahlwerker" von Edmund Neutert vor dem Haus und die Sgraffiti von Rudolf Grunemann. Mit der Kubatur des Kinos setzten sie sich auseinander, indem sie das Gebäude aufmaßen und ein Modell im Maßstab 1:100 fertigten - dies mit Hilfe des Restaurators Bernhard Klemm.
Ein wichtiger Punkt war es, Konzepte zu erarbeiten, wie das Lichtspieltheater wiederbelebt werden könnte. Nach Ansicht der Schüler sollte es verschiedene Zwecke zur gleichen Zeit erfüllen. Die Vorschläge reichen von einem kombinierten Regional- und Weltladen über ein Szene-Kino, ein Fitness-Center, ein Café und ein Stadtbüro, in dem sich die Vereine Frankfurts präsentieren, bis hin zum Theater des Lachens. Sie dachten auch an den wachsenden Raumbedarf der Universität. Ausgestattet mit den Erkenntnissen eines dreiviertel Jahres Arbeit außerhalb des regulären Unterrichts baten die Schüler und ihre Pro-jektleiter Experten zu einem Arbeits-gespräch in die Schule. Das Interesse war groß. 16 Fachleute folgten der Einladung, darunter der Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, Ulrich-Christian Dinse, Birgit Walter vom Landesamt für Bauen und Verkehr, die Restauratorinnen Diana Walter und Dagmar Dammann, die an der Europa-Universität Viadrina ihren Master im Bereich "Schutz europäischer Kulturgüter" anstreben und sich gleichfalls mit dem alten Lichtspieltheater beschäftigen, sowie Magdalena Abraham-Diefenbach. Sie promoviert über die Kinogeschichte an der deutsch-polnischen Grenze nach 1945 bis 1989.
So viele Menschen an einen Tisch zu bringen und einen Meinungsaustausch über die Schule, die Universität und sogar über die Stadt hinaus zu initiieren, ist nur eine der hervorragenden Leistungen der Gymnasiasten. Die Gesprächsteilnehmer vertraten die Ansicht, dass das Kino trotz der rasant zunehmenden Bauschäden gerettet werden kann und muss. Nun werden Lösungen gesucht, wie es künftig rentabel zu "bespielen" sei. Die Studentinnen der Viadrina führten Ideen aus, um auf das Gebäude öffentlich aufmerksam zu machen. Sie schlugen vor, es zu verhüllen, es nachts anzustrahlen oder an die Fassade einen Film zu projizieren. Dieser Gedanke wurde gerne aufgegriffen. Außerdem sollen Geschichten zum Kino und Positionen zur Erhaltung auf einer Internetplattform gezeigt werden.
In Absprache mit dem Grundstücksnachbarn ist geplant, eine Informati-onstafel zur Historie des Denkmals aufzustellen. Denn eines ist sicher: Möglichst viele Menschen in Frankfurt (Oder) müssen den Wunsch haben, ihre Stadtmitte verschönern zu wollen, anstatt tatenlos beim Verfall des Kinos zuzusehen.
Für die Frankfurter Gymnasiasten ist das durch unsere Stiftung geförderte Schulprojekt "denkmal aktiv" ein Lehrjahr nicht nur in der Denkmalpflege, sondern auch ein Lehrjahr in Politik. Ohne dass die verschiedenen Parteien - Eigentümergemeinschaft, Denkmalpfleger, Restauratoren und Kommunalvertreter - zusammenarbeiten, wird das Lichtspielhaus nicht zu retten sein. Daher planen die Schüler, einen offenen Brief mit einem entsprechenden Appell an die Stadtverordneten zu schreiben. Schon lange gibt es eine "Pattsituation", weil die Eigentümer nicht bereit sind, das Gebäude denkmalgerecht zu nutzen oder die notwendigen Sicherungen vorzunehmen.
Aber auch für die Teilnehmenden am Arbeitsgespräch war es eine
Lehr-stunde: In ihrer Unvoreingenommenheit lassen sich junge Menschen
nicht so schnell entmutigen und haken nach. Sie gehen Ursachen auf den
Grund, warum ein Gebäude mitten in ihrer Stadt so lange leer steht, und
holen für ihre Ziele die Presse und das Fernsehen mit ins Boot.
Ob das Kino letztlich erhalten werden kann, bleibt eine spannende
Frage. Der grenznahen Stadt an der Oder, die seit 1990 fast die Hälfte
ihrer Einwohner verloren hat, wäre dieser Hoffnungsschimmer zu gönnen.
Denn wer etwas ändern möchte, beginnt am besten vor der eigenen Haustür -
so wie die Gymnasiasten der Karl-Liebknecht-Schule.
Christiane Schillig
Das Karl-Liebknecht-Gymnasium in Frankfurt (Oder) mit dem Projekt "Unsere Stadt und ein altes Kino" gehört zu den insgesamt 91 Schulen, davon 16 in Brandenburg, die im Schuljahr 2013/14 im Rahmen von "denkmal aktiv - Kulturerbe macht Schule" gefördert werden. In Brandenburg nehmen unter anderem Schulen aus Eberswalde, Potsdam, Neuzelle, Peitz und Perleberg am Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) teil.
Seit 2002 förderte die DSD 841 "denkmal-aktiv"-Projekte. Im Unterricht, in Arbeitsgemeinschaften oder als Ganztagsangebote erkunden Schülerinnen und Schüler in ihrem Lebensumfeld das kulturelle Erbe. Das Spektrum der Themen reicht von historisch bedeutenden Bauwerken über gestaltete Parks bis hin zu Welterbestätten. Während ihres Projektjahrs setzen sich die Schüler beispielsweise mit Fragestellungen auseinander, was Kulturdenkmale sind, worin ihr Wert besteht, welche Bauten erhalten bleiben sollen und warum und wie man sich für den Schutz und die Pflege des Kulturguts einsetzen kann.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
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Genial dieses Projekt.
Bis 1989 habe ich in Frankfurt gelebt und natürlich habe ich Erinnerungen an dieses Kino. Dirty Dancing habe ich dort gesehen. In meiner Ausbildung war ich im Olga-Benario-Club aktiv. Dort konnten wir uns den Film Coming out ansehen und nette Gespräche mit den Hauptdarstellern führen. Schön das es Leute gibt, die sich an diesem Anblick stoßen. Ich mache es jedesmal, wenn ich die Stadt mal wieder besuche und finde es schade, wie die Stadt mit diesem Haus umgeht. Kein schöner Anblick.
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