Februar 2013
Weil seit Jahrzehnten Feuchtigkeit in die Dorfkirche in Behrenhoff bei Greifswald dringt, sind die großflächigen Wandmalereien aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Gefahr. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz möchte mit Hilfe engagierter Denkmalfreunde die kleine Gemeinde dabei unterstützen, sowohl das Gotteshaus selbst als auch die kunstvolle Ausstattung zu retten.
Caspar David Friedrich hätte seine Freude an diesem Motiv gehabt: ein Friedhof unter pudrigem Schnee, und dahinter eine Backsteinkirche mit hölzernem Glockenturm im Morgenlicht. Der Maler der Frühromantik stammt ganz aus der Nähe von Behrenhoff, aus Greifswald. Er kannte die Kirche sicherlich. Zu seiner Zeit, im frühen 19. Jahrhundert, werden mehr Menschen die Gottesdienste besucht haben. Heute liegt die Kirche verwaist da. Zu nutzen ist sie kaum, und es gibt ohnehin wenige, die sie nutzen könnten. Die Morbidität, die sie umgibt, wäre reizvoll für den Künstler gewesen, für die Gemeinde im Landkreis Vorpommern bedeutet sie eine große Last.
Pastor Hans-Joachim Jeromin, der die Gemeinde Gützkow betreut, zu der das benachbarte Behrenhoff gehört, gibt jedoch nicht auf: weder die Kirche, die durch Feuchtigkeit zerstört wird, noch die Menschen, die sich zurückgezogen haben. Schon viele Jahre fährt er zweigleisig. Seit seine Stadtkirche St. Nicolai in Gützkow trocken und im Winter warm ist, fallen keine Gottesdienste mehr aus. Die Menschen kommen wieder. Parallel zum Haus Gottes baut Jeromin Schritt für Schritt die Gemeinde wieder auf. Denn er weiß, dass es nicht genügt, eine Kirche nur zu restaurieren. Um die Menschen wieder für Glaubensinhalte zu interessieren, hält Jeromin Kurse zur Bibel, über die Bildnisse von Propheten und Heiligen, den Sinn von Kollekten und zum Verständnis des Gottesdienst-Ablaufs. Seine Frau Martina verantwortet die Arbeit mit den Kindern. In Gützkow wächst die Zahl seiner Gemeindeglieder, und für Behrenhoff wünscht er sich das ebenso.
Zusammen mit der Ortsgemeinde kümmern sich Engagierte rund um den Kirchengemeinderat in Behrenhoff darum, dem 560 Einwohner zählenden Ort wieder eine Mitte zu geben. Die Kirche soll wiederaufleben, als geistlicher und kultureller Mittelpunkt des Dorfes.
Glücklicherweise ziehen junge Familien nach Behrenhoff, die die Landschaft, die Ruhe und die Nähe zu Greifswald schätzen. Wenn die Menschen hier am Ort stolz auf ihre Kirche blicken, Gottesdienste feiern und Konzerte besuchen, kann sie auch für die Ostsee-Touristen ein Anziehungspunkt werden.
Zudem verdient es der Bau, in kunst- und kulturgeschichtliche Führer aufgenommen zu werden, denn er birgt außergewöhnliche, leider nahezu unbekannte Malereien aus dem Mittelalter. Im Moment lenken von seiner Schönheit die tiefen Risse in den Mauern, vor allem am Westgiebel, ab. Ziegel sind desolat und Fugen zum Teil ausgewaschen, Quer- und Windeisen der Fenster im Obergaden und im Seitenschiff stark verrostet, das Blei ist schadhaft. Weil es keine Dachrinnen gibt, läuft Regenwasser die äußeren Wände hinab, und Feuchtigkeit dringt seit Jahrzehnten nach innen. Es riecht nicht nur modrig, sondern es breiten sich unübersehbar Schimmelpilze und Algen aus. Das gefährdet die Malereien in hohem Maße und versetzte Pastor Jeromin in Alarmbereitschaft. Er trommelte Hilfe herbei, und im Frühjahr soll, sobald das Wetter Bauarbeiten zulässt, mit der Sanierung des Westgiebels begonnen werden. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz möchte sich gerne finanziell beteiligen, denn die kleine Gemeinde ist mit der Wiederherstellung der Kirche völlig überfordert.
Das Gotteshaus wurde ab dem 13. Jahrhundert als dreischiffige Basilika, teils aus behauenen Feldsteinen, teils aus Backsteinen, errichtet. Damals gab es im pommerschen Herzogtum nur sehr wenige Kirchenbauten. Bis 1300 sind in ganz Pommern 150 Kirchen nachgewiesen, ein Drittel davon in den Städten. Auch Bildhauer fanden hier kaum eine Beschäftigung. Steinerne Taufen, Kapitelle und einzelne Holzbildwerke sind Ausnahmen oder Importe aus anderen Gegenden. Es war daher üblich, Kirchen durch Malerei zu schmücken. Eine dieser pommerschen Werkstätten wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von Mitgliedern des einflussreichen Rittergeschlechts von Behr beauftragt, ihre Hauskirche im heutigen Behrenhoff auszumalen.
© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die Nordwand zieht alle Blicke auf sich, weil hier in epischer Breite verschiedene Höllenqualen gezeigt werden. Hinter dieser Farbenpracht verblassen sogar die Schimmelflecken und ausblühenden Algen. In der Nähe des Chors zerrt ein Dämon eine Schar Verdammter durch ein zinnenbewehrtes Tor. Unter ihnen ein König, ein Bischof und zwei Mönche. Links davon Folterszenen: Ein kniend um Gnade Flehender wird von einem Teufel mit einem Saiteninstrument traktiert. Daneben muss ein Mann auf einem glühenden Amboss sitzen, auf der Schulter ein heißes Hufeisen. Eine Frau, die Wasser aus einem Fass schöpft, wird durch eine Hängevorrichtung am Trinken gehindert, während ihr ein Teufel siedende Flüssigkeit über den Kopf gießt. Ganz links ist der gewaltige Höllenrachen in Gestalt eines Mauls mit Reißzähnen, in den mehrere Sünder stürzen, raumgreifend in Szene gesetzt. Davor thront der gekrönte Höllenfürst mit Zepter und Blitzen in den Händen. In den Ausmaßen und in der Wirkung bescheidener wird auf der Südwand der Sündenfall gezeigt.
Die Malereien sind nicht vollständig überliefert. Sie wurden 1897 fragmentarisch freigelegt und ergänzend restauriert. Der Berliner Maler und Graphiker Hans Karl Seliger führte sie in den Jahren bis 1899 aus und orientierte sich weitgehend an den mittelalterlichen Konturen. Er bemühte sich, der alten Farbgebung gerecht zu werden, die Binnenzeichnung der Gesichter und die Gewandfalten wurden zum Teil erneuert oder frei nachempfunden.
Bemerkenswert ist die klare horizontale Gliederung der Darstellungen. In der oberen Zone der drei Wände befinden sich paarweise angeordnet die Apostel auf dem Wolkenband. In der unteren reihen sich Weihekreuze und - ganz untypisch vor 1300 - Familienwappen der Behrs zwischen Ranken aneinander. Der Erzählzyklus, der im Südschiff beginnt und im Norden endet, ließe sich als Abfolge vom Ursprung der Sünde bis zu ihrem furiosen Finale deuten.
Das Bildprogramm bekundet den hohen Anspruch eines aus dem Braunschweiger Raum eingewanderten Geschlechts. Die pommerschen Herzöge hatten seit etwa 1230 den massiven Zuzug deutscher Adliger gefördert, sie reich begütert und indirekt auch mit der kirchlichen Organisation des dünn besiedelten, durch Kriege und religiöse Konflikte geschundenen Landes betraut. Die aufstrebende Familie Behr ergriff diese Chance.
Die Kirche wurde - zum Erstaunen von Pfarrer Jeromin, der für beide Pfarreien verantwortlich ist - in Konkurrenz zum Saalbau in Gützkow errichtet. Dies geschah in einer Epoche, in der einzelne Geschlechter um ihre Stellung in einem noch nicht sicher verteilten Gebiet rangen, in dem Grenzen und Lehnsherrschaften noch keine lange Tradition hatten. Anders als den Grafen von Gützkow gelang es den Behrs nicht, ein Hauskloster zu gründen oder sich als umfangreiche Stifter eines der vorpommerschen Klöster zu etablieren. Der Chorbau in Behrenhoff sollte ein deutliches Zeichen der Macht setzen - daher die Größe der Kirche, ihre reiche, ambitionierte Ausstattung und die Wappen.
So kündet die Kirche sowohl vom Fantasiereichtum mittelalterlicher Höllenbilder als auch von politischem Kalkül. Neben dem künstlerischen Rang steht der historische.
Die Malereien bieten Jeromin die Möglichkeit, Kirchenbesucher auf die veränderten Zeiten hinzuweisen: Der strafende Gott und seine Drohungen spielen längst keine Rolle mehr in den Predigten. Was heute wichtig ist, leben Pastor Jeromin und seine Frau vor: Die Gemeinschaft zählt - gerade in dem dünn besiedelten Gebiet. Jeromins führen ein offenes Pfarrhaus in Gützkow. Es ist von Montag früh bis Freitag abends ständig belebt, es wird zu Mutter-Kind-Gruppen, zum Chorsingen, zu Frauentreffs und Männergesprächen eingeladen. Das barocke Pfarrhaus drohte 1999 einzufallen, eine Decke brach ein, aber das Paar hat es mit Liebe zum Detail restaurieren lassen.
Bitte helfen Sie mit, dass auch die Kirche in Behrenhoff überlebt und wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden kann. Ihr Untergang wäre nicht allein ein regionaler, sondern auch ein großer kultureller Verlust. Unterstützen Sie das Engagement vor Ort mit Ihrer Spende, damit bald viele Menschen an den Wänden des wunderbaren Kirchenraums das in Himmel und Hölle geteilte Weltbild des Mittelalters ablesen können.
Christiane Schillig
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
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Einen solchen völlig unbekannten Freskenschatz gilt es wahrhaftig zu retten und dann auch bekannt zu machen. Ich danke für den Hinweis, werde helfen und verfolgen, was in Behrenhoff geschieht.
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Die Idee mit der Panorama-Kamera finde ich genial! So bekommt man einen sehr realistisch wirkenden Einblick in die Kirche und fühlt sich wirklich als Besucher, der sich beim Betrachten des Kirchenschiffes um seine eigene Achse dreht.
Vielen Dank für diesen Einblick.
Susanne Dräger
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