Februar 2012

Ein Verein kaufte die Schönfelder Gutskirche

Zum Besten der Menschen

Ein jeder baut nach seiner Nase,ich nach der meinen, Baurat Hase."

Es war purer Zufall, dass Felix Meister am Karfreitag 2010 in das altmärkische Dorf Schönfeld kam. Man hatte dem Juristen und angehenden Kunsthistoriker einen Besuch der dortigen Gutskirche empfohlen. Sie war verschlossen, aber ein Schlüssel im benachbarten Gutshaus schnell besorgt. Felix Meister war von der Schönheit der unbekannten Perle und der Qualität ihrer Ausstattung so überwältigt, dass er sich erst nach über zwei Stunden wieder von ihr trennen konnte.

Der hölzerne Altaraufsatz wurde nach Plänen Conrad Wilhelm Hases gearbeitet. Diebe entwendeten 2001 die Johannes- und die Marienfigur sowie weitere Stücke. 
Schönfeld, Gutskirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der hölzerne Altaraufsatz wurde nach Plänen Conrad Wilhelm Hases gearbeitet. Diebe entwendeten 2001 die Johannes- und die Marienfigur sowie weitere Stücke.

Umso bestürzter machte ihn die Nachricht, dass das Evangelische Kirchspiel Schinne bereits einen Vorvertrag mit einem Abbruchunternehmen geschlossen hatte. Um den wertvollen Bau zu retten, trommelte Felix Meister Menschen aus ganz Deutschland zusammen, die auf unterschiedliche Weise mit der Gutskirche verbunden sind: die Restauratorin Uta-Barbara Riecke, die gerade ihre Masterarbeit im Fach Denkmalpflege über das Gotteshaus geschrieben hatte, deren Vater Hermann, der über 20 Jahre als Baudenkmalpfleger der Propstei Altmark und angrenzender Kirchenkreise tätig war, Hubertus von Rundstedt, dessen Urgroßtante die Gutskirche errichten ließ, den in der Baudenkmalpflege engagierten Aachener Architekten Wolfram Backes und den Bauhistoriker Professor Günther Kokkelink, Verfasser eines Standardwerks über ihren Baumeister Conrad Wilhelm Hase (1818-1902). Sie gründeten im August 2010 den Verein "Freunde der Gutskirche Schönfeld" und kauften sie für einen symbolischen Euro, mussten dann aber an die Landeskirche noch 2.500 Euro für den Grund, auf dem sie steht, bezahlen.

Die Gutskirche bietet heute einen traurigen Anblick. Ein Verein möchte sie wiederbeleben. 
Schönfeld, Gutskirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die Gutskirche bietet heute einen traurigen Anblick. Ein Verein möchte sie wiederbeleben.

Mit dem Bau der Schönfelder Kirche war 1883 begonnen worden, ihre Weihe fand am 23. September 1885 statt. Zwar gab es damals in dem Ort bereits eine mittelalterliche Feldsteinkirche, doch sie war für die 130 Christen zu klein geworden. Der benachbarte Neubau bot 160 Menschen Platz. Wie aber kommt der Begründer der Hannoverschen Architekturschule, ein bedeutender Architekt, preußischer Baurat und Hochschullehrer wie Conrad Wilhelm Hase dazu, Pläne für eine Kirche in dem kleinen altmärkischen Dorf Schönfeld zu liefern? "Er war", so die Restauratorin Uta-Barbara Riecke, "von den Gutsbesitzern Elisabeth und Otto von Rundstedt beauftragt worden. Elisabeth entstammte der reichen saarländischen Industriellenfamilie Stumm, und ihr Bruder Carl Ferdinand hatte sein prächtiges Schloss Halberg 1877-80 von Edwin Oppler, einem Schüler Hases, errichten lassen." Über diesen Weg haben die von Rundstedts den Architekten wohl kennengelernt.

Im Mittelpunkt der Hannoverschen Architekturschule stand eine Abkehr vom Klassizismus hin zu mittelalterlichen Bauformen. Conrad Wilhelm Hase entwarf mehr als 310 Gotteshäuser, Bahnhöfe, Schulen, Rathäuser und Wohnbauten in Nord- und Mitteldeutschland. Er betätigte sich außerdem als Denkmalpfleger, restaurierte über 60 Kirchen und rettete viele vor dem Abriss, darunter die romanische Sigwardskirche in Idensen. 

Die neugotische Backsteinkirche in Bismark-Schönfeld 
© Uta-Barbara Riecke
Die neugotische Backsteinkirche in Bismark-Schönfeld

Die Schönfelder Gutskirche ist ein Backsteinbau und gehört zu den wichtigen Zeugnissen der Hannoverschen Architekturschule. Sie ist einschiffig und hat einen kreuzförmigen Grundriss. Im Westen erhebt sich ein für altmärkische Kirchen charakteristischer, mächtiger Turm, und im Osten schließt die Kirche mit einem polygonalen Chor ab. Auf Hases Entwürfe, der die Bauarbeiten durch den Architekten Eduard Wendenbourg aus Hannover leiten ließ, gehen außerdem einige Ausstattungsstücke zurück: die Kanzel, das ebenfalls hölzerne Altarretabel, ein Antependium, ein großer schmiedeeiserner Radleuchter, die Schranken zur Sakristei und zur Patronatsloge sowie das Mobiliar der Sakristei.

Für die Wandgestaltung des Chorbereichs konnte Hermann Schaper, ein weiterer Schüler Hases, gewonnen werden. Die Malereien zählen zu seinen frühen Werken. Später macht er sich mit Arbeiten im Aachener Dom und in vielen anderen Kirchen einen Namen. Schaper schuf in Schönfeld eine fünf Meter hohe Wandmalerei mit thronendem Christus sowie den Erzengeln Michael und Gabriel.

Die Gutskirche konnte mit den besten Materialien ausgestattet werden, denn Elisabeth von Rundstedt erhielt eine hohe Mitgift. Es wurde viel Eichenholz verbaut, und die sehr gut erhaltenen Mosaikfliesen im Chor stammen von Villeroy & Boch aus Mettlach. Die Glocken, die im Ersten Weltkrieg zerschlagen wurden, stifteten ihre Brüder.

Hubertus von Rundstedt, Felix Meister und Uta-Barbara Riecke (v. l.) gründeten 2010 einen Freundeskreis für die Kirche in Schönfeld und kauften sie, um sie vor dem Abriss zu retten. 
© A. Donath
Hubertus von Rundstedt, Felix Meister und Uta-Barbara Riecke (v. l.) gründeten 2010 einen Freundeskreis für die Kirche in Schönfeld und kauften sie, um sie vor dem Abriss zu retten.

Die von Rundstedts waren 1871 auf den Schönfelder Gutshof gezogen. Zwei Jahre später begannen sie mit dem Bau ihres Schlosses, einem zweigeschossigen Putzbau, der 1875 fertiggestellt wurde. Er ist in einen ab 1885 angelegten Landschaftspark eingebettet. Sie beschenkten das Dorf mit weiteren Neubauten, und Elisabeth von Rundstedt ließ im Gutshaus eine der ersten Kindertagesstätten einrichten. Sie sorgte außerdem dafür, dass Schönfeld eine Strom- und Wasserversorgung erhielt. Lehrer Hermann Stäcker hielt in seiner 1927 erschienenen Dorfchronik einen Ausspruch der Gutsherrin fest, der sie wohl treffend charakterisierte: "Ich habe nur die eine Sorge, dass ich den Reichtum, den Gott mir gegeben hat, auch wirklich recht und zum Besten der Menschen verwende."

Das Ehepaar starb kinderlos. Das Gut erbte ein Neffe, dessen Familie 1945 enteignet wurde und in den Westen floh. Die Kirche gehörte zunächst zum Volksgut Schönfeld und wurde 1952 der Kirchengemeinde übergeben. In der durch einen Kanonenofen beheizbaren Vorhalle richtete man eine Winterkirche ein. Als Mitte der 1960er Jahre gefordert wurde, dass eine Gemeinde, die zwei Kirchen besitzt, eine davon schließen müsse, entschieden sich die Schönfelder notgedrungen dafür, ihren neugotischen Bau aufzugeben. Das fiel manchem Gemeindemitglied nicht leicht. "Aber", schrieb Helmut Klose, von 1952 bis 1983 Pfarrer in Schönfeld, "die Alte Kirche wurde unter unseren Verhältnissen in der DDR einfach das passende Kleid, das für den Leib der Gemeinde zugeschnitten war."

Das Kruzifix des Altarretabels konnte gesichert werden. 
Schönfeld, Gutskirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Das Kruzifix des Altarretabels konnte gesichert werden.

Dennoch fand um die Gutskirche herum weiterhin viel Leben statt: Pfarrer Klose veranstaltete Kinderkirchentage und Feste für Blinde. Nach der letzten Hochzeit 1984 nutzten die Schönfelder ihre große Kirche kaum noch. Damals gab es bereits Schäden am Dach, die in den folgenden Jahrzehnten zunahmen. Durch die Feuchtigkeit wurde ein Teil der Wandmalereien zerstört, so auch der obere Teil der Christusfigur, die beiden Erzengel sind dagegen noch gut erhalten. Da Conrad Wilhelm Hase eine Sperrschicht aus flüssigem Teer in den Feldsteinsockel eingebracht hatte, gibt es keine aufsteigende Feuchtigkeit.

Ein Teil des Gestühls wurde in den 1990er Jahren an Gaststätten in Leipzig und Dresden verkauft. Leider gelangten 2001 Diebe durch die Tür der Patronatsloge in die Kirche und rissen das Altarretabel auseinander, das seither nicht mehr vollständig ist. Die Tür wurde inzwischen zugemauert. Außerdem gingen im Laufe der Jahre einige Fensterscheiben zu Bruch, die Glasmalereien, ebenfalls nach Entwürfen Hases, sind jedoch noch vorhanden.

Nach und nach möchte der Verein die Gutskirche restaurieren. Ein wichtiger Schritt ist mit der Sanierung der Dächer getan, an der sich neben der Deutschen Stiftung Denkmalschutz das Land und Lotto Sachsen-Anhalt sowie die Stiftung Preußisches Kulturerbe beteiligen.

Von den 86 Einwohnern Schönfelds besuchen nur wenige den alle vier Wochen stattfindenden Gottesdienst in der kleinen romanischen Kirche. "Wir möchten", so Felix Meister, "die großen Kirchenfeste in der neugotischen Kirche feiern, wenn die Arbeiten an der Bauhülle abgeschlossen sind, außerdem Konzerte und Vorträge veranstalten, eben eine Kulturkirche etablieren." Bevor man das Gebäude jedoch wieder nutzen kann, müssen die Fenster ergänzt werden.

© Privatarchiv v. Rundstedt
© Privatarchiv v. Rundstedt
Diese historische Innenaufnahme stammt aus dem Jahr 1914.
©  Uta-Barbara Riecke
© Uta-Barbara Riecke
Die Wandmalereien im Chorbereich entwarf Hermann Schaper.
©  Uta-Barbara Riecke
© Uta-Barbara Riecke
Die Patronatsloge im nördlichen Querhaus
©  Uta-Barbara Riecke
© Uta-Barbara Riecke
In unmittelbarer Nähe zum neogotischen Backsteinbau befindet sich eine kleine spätromanische Feldsteinkirche.
©  Riecke
© Riecke
Die Mosaikfliesen im Chor stammen von Villeroy & Boch aus Mettlach.
©  Uta-Barbara Riecke
© Uta-Barbara Riecke
Das Familienwappen Elisabeth von Rundstedts, einer geborenen Stumm
Schönfeld, Gutskirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Schönfeld, Gutskirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Das blaue Antependiun in der ehemaligen Gutskirche wird ebenfalls dem Baumeister Conrad Wilhelm Hase zugeschrieben.
 
 
© Privatarchiv v. Rundstedt
Diese historische Innenaufnahme stammt aus dem Jahr 1914.
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© Uta-Barbara Riecke
Die Wandmalereien im Chorbereich entwarf Hermann Schaper.
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Die Patronatsloge im nördlichen Querhaus
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© Uta-Barbara Riecke
In unmittelbarer Nähe zum neogotischen Backsteinbau befindet sich eine kleine spätromanische Feldsteinkirche.
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© Riecke
Die Mosaikfliesen im Chor stammen von Villeroy & Boch aus Mettlach.
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© Uta-Barbara Riecke
Das Familienwappen Elisabeth von Rundstedts, einer geborenen Stumm
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Schönfeld, Gutskirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Das blaue Antependiun in der ehemaligen Gutskirche wird ebenfalls dem Baumeister Conrad Wilhelm Hase zugeschrieben.
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Die Schönfelder Kirche bildet zusammen mit der benachbarten Feldsteinkirche, der Gutsanlage, die durch Hubertus von Rundstedt seit 1993 als Ökohof betrieben wird, und dem zur Zeit leerstehenden Schloss ein reizvolles Ensemble. Professor Günther Kokkelink fand heraus, dass es nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg nur noch drei authentische Kirchen der Hannoverschen Architekturschule gibt. Eine davon ist die Schönfelder, doch ihre Zukunft hing an einem seidenen Faden. Zu ihrem Glück erkannten engagierte Menschen ihre Bedeutung und machten sich auf den Weg, sie zu bewahren. Ihnen möchten wir helfen, damit die Gutskirche in Schönfeld noch lange von dem segensreichen Wirken einer Elisabeth von Rundstedt und der Genialität eines Conrad Wilhelm Hase kündet.

Carola Nathan

Weitere Infos im WWW:

www.gutskirche-schoenfeld.de

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2 Kommentare

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    Peter Troche schrieb am 21.03.2016 15:12 Uhr

    Durch den Artikel in der Februarausgabe 2012 der Zeitschrift Monumente der Deutschen Stiftung Denkmalschutz auf die Gutskirche Schönfeld aufmerksam geworden, konnte unsere Kirchengemeinde aus unserer Christuskirche in Hannover, C.W. Hases größtem Sakralbau, am 19. März sieben Kirchenbänke für die Gutskirche abgeben. Die Christuskirche bleibt zwar weiterhin in kirchlicher Nutzung, wird aber zurzeit zu einem Chorzentrum Hannover erweitert und musste sich von den Bänken trennen. Seit der aufgenommenen Verbindung verfolgt unsere Kirchengemeinde die Restaurierung der Gutskirche mit Interesse und wünscht dem schönen Hase-Bau eine optimale Zukunft in alter Schönheit.

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    Almut Luther schrieb am 21.03.2016 15:12 Uhr

    Ihr Artikel hat mich außerordentlich interessiert, weil ich dank der Fotos feststellen konnte, dass es in einigen Einzelheiten starke Ähnlichkeiten mit unserer 1895/96 von dem Architekten Wendebourg umgebauten und umgestalteten Dorfkirche St. Pankratius in Esebeck/Göttingen gibt, v.a.Altar und Kanzel. Ich sehe mich bestätigt in der Annahme, dass die Entwürfe von Hase stammen, konnte aber nicht herausfinden, wer die Ausführung vorgenommen hat. Unser ebenfalls hözerner Altaraufsatz ist ähnlich strukturiert, allerdings mit anderem Bildprogramm: links vom "Siegeslamm" der König und Priester Melchisedek, rechts der Mosebruder Aaron. Unsere hölzerne Kanzel weist ebenfalls die vier als Intarsien gearbeiteten Evangelisten auf.

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