Kleine und große Kirchen Herrscher, Künstler, Architekten Dezember 2011

Wie Friedrich II. Land gewann

Die Kirche der Kolonisten

Hier habe ich im Frieden eine Provinz erobert", soll der preußische König Friedrich II. ausgerufen haben, nachdem es ihm gelungen war, das häufig überschwemmte Oderbruch trockenzulegen und fruchtbares Ackerland zu gewinnen. Schon sein Vater Friedrich Wilhelm I. hatte mit dem Gedanken gespielt, die Oder zu begradigen. Doch ihm war das Unternehmen letztlich zu teuer gewesen. Friedrich II. wagte sich an das Projekt und gab dafür rund 600.000 Taler aus. Bis 1786 gründete er 50 Dörfer, in denen sich nach und nach 300.000 Kolonisten aus dem In- und Ausland ansiedelten.

Die klassizistische Ausstattung der Kirche in Neulietzegöricke wurde restauriert.  
Neulietzegöricke, Kirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die klassizistische Ausstattung der Kirche in Neulietzegöricke wurde restauriert.

Neulietzegöricke, das seit 2003 zu Neulewin gehört, gilt als erster Ort, den Friedrich II. nach der Trockenlegung des Oderbruchs errichten ließ. Der Name leitet sich aus dem Wendischen "Glizik Goerkia" ab, was "kahler Hügel" bedeutet. Die meisten Weiler, die in dieser Region entstanden, erhielten die Vorsilbe "neu".

1753 legte man in Neulietzegöricke beidseitig des Angers zwei Straßen an und bebaute sie mit eingeschossigen Fachwerkhäusern. Auch an ein Bethaus für die Kolonisten wurde gedacht, das allerdings 13 Jahre später bereits wieder baufällig war. Vermutlich rächte sich, dass man das Gebäude auf einem verfüllten Schachtgraben errichtet hatte. Der sumpfige Grund im Oderbruch tat ein Übriges.

Bei einem Brand wurde das Bethaus 1832 zerstört, und die Neulietzegöricker bekamen nun eine stattlichere Kirche, die 350 Gläubigen Platz bot. Am 28. Oktober 1840 weihte man die Saalkirche mit ihrem 18 Meter hohen Turm feierlich ein. Die klassizistische Ausstattung mit Kanzelaltar, Taufe, dreiseitig umlaufender Empore und einer Orgel der Berliner Firma Gebrüder Dinse ist noch weitgehend im Original erhalten.

Die Kirche war bei unserem Besuch innen noch nicht ganz fertig.  
Neulietzegöricke, Kirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die Kirche war bei unserem Besuch innen noch nicht ganz fertig.

Weil die Kirche an gleicher Stelle wie das Bethaus, also auf unsicherem Grund errichtet worden war, entstanden an dem verputzten Fachwerkbau ebenfalls Setzschäden. Wann die ersten auftraten, weiß niemand so genau. Die gerissenen Außenwände wurden jedenfalls 1975/76 durch Zuganker stabilisiert. Doch die Probleme mit dem Baugefüge gingen weiter. 2002 gelang es schließlich, das Fundament zu stabilisieren, und im letzten Jahr begann man damit, die Kirche außen und innen zu restaurieren.

Mit großem Engagement sammelte der Gemeindekirchenrat zusammen mit vielen Neulietzegörickern einen Teil der benötigten Gelder, in dem sie die Kirche täglich bei Wind und Wetter öffneten, Konzerte sowie Basare veranstalteten und Türstopper - kleine Säckchen mit Bausand - verkauften. Auf diese Weise kamen 27.000 Euro zusammen. Durch Unterstützung der EU, des Landes Brandenburg, der Landeskirche, des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg, der Stiftung KiBa, des Mitteldeutschen Kulturrats, der Annemarie Hilgemann Stiftung und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnten die Arbeiten mittlerweile beendet werden. Am 30. Oktober 2011 feierte man dies bei einem fröhlichen Festgottesdienst. Unter den Gästen waren auch Nachfahren der Kolonisten, die einst dem Ruf Friedrichs II. gefolgt waren und sich in Neulietzegöricke angesiedelt hatten.

Carola Nathan

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