Menschen für Denkmale April 2006
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben mit Kirchen eines gemeinsam: Sie stecken voller Geschichte(n), Leben und Veränderung. Was läge näher, als beide zusammenzubringen? Mit diesem Ziel vermittelt die noch junge Kirchen- und Denkmalpädagogik neben historischem und künstlerischem Wissen auch Lebens- und Glaubenswelten von Kirchenbauten.
Und fördert damit gerade bei jungen Kirchenbesucher Verstehen und Engagement für diese besonderen Baudenkmale. Der folgende Beitrag schildert hierfür exemplarisch drei Projekte der Verfasserin, die als freiberufliche Kunsthistorikerin M. A. und Diplom-Theologin deutschlandweit bei der Wahrnehmung, Gestaltung, Nutzung und Entwicklung von Kirchenbauten berät und begleitet.
Kirchenräume erzählen Geschichte, Kinder lieben Geschichten. Beides verbindet die gotische Lutherische Pfarrkirche in Marburg eindrücklich mit ihren Engelsdarstellungen, die daher 2003 im Mittelpunkt einer Reihe adventlicher Kirchenerkundungen standen. Mithilfe des zeitlosen Motivs "Engel" konnten Grundschüler den Kirchenraum jenseits historischer Schematisierungen kennen und sehen lernen, spielerisch in seine Bildwelten eintauchen.
Zu Beginn wurden die Kinder, nach einer Einführung in den behutsamen Umgang mit dem Bau und seinen Kunstwerken, in eine Engel-Geschichte einbezogen. Ein nur noch schemenhaft erkennbares Engel-Bild, Überrest einer mittelalterlichen Wandmalerei, "erzählte" von der Bedeutung der Flügel für einen "Boten Gottes" und beklagte den Verlust seiner eigenen Flügel. Um dem Engel zu "helfen", suchten und verglichen die Schülerinnen und Schüler daraufhin mit einem Erkundungsbogen verschiedenste Engelsflügel im Kirchenraum. Schließlich gestalteten die Kinder auf einer Malvorlage "ihrem" Engel neue Flügel und konnten diese als Erinnerung oder Weihnachtskarte mitnehmen.
Kirchenräume sind verwoben mit Lebensläufen, junge Erwachsene suchen noch nach "ihrem" Lebens-Verlauf. Den außergewöhnlichen Lebensentwurf der Elisabeth von Thüringen, der Marburg und seine Kirche und Kirchen prägte, erarbeiteten sich Oberstufenschülern der Marburger "Elisabethschule" 2004 in einem Lernzirkel. Um die Unterrichtsreihe mit Bildern aus dem Umfeld der jungen Erwachsenen zu vertiefen, wurde sie von der Verfasserin mit Kirchen- und Stadterkundungen gerahmt. In der ehemaligen Grablege der "Heiligen", der gotischen Elisabethkirche, weckte zunächst die gruppenbezogene Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Elisabeth-Darstellungen - von der "Armen unter Armen" bis zur distanziert mildtätigen Aristokratin - Neugier und Sensibilität für die Vielfalt historischer Elisabeth-Bilder des folgenden Lernzirkels.
Am Ende der Unterrichtsreihe besuchten die Schülerinnen und Schüler, vor dem Hintergrund ihres erworbenen Wissens, verschiedenste Elisabeth-Orte ihrer Stadt: Von der Friedhofskapelle, an der Philipp "der Großmütige" die Gebeine seiner Vorfahrin verstreute, über das historistische Kirchenfenster mit einer "caritativen" Elisabeth bis zur Nachkriegskirche mit noch heute "verehrten" Elisabeth-Reliquien. Diese weite Spanne der Elisabeth-Interpretationen mündete in eine lebendige Diskussion über das heutige Bild der "Heiligen", ihre Bedeutung für das Leben der Schüler und ihrer Stadt.
Kirchenräume verändern sich immer wieder, Jugendliche unterliegen fast täglich Veränderungen. Kein kirchlicher Raum Marburgs wandelte und wandelt sich derart schnell wie das Ökumenische Zentrum am Richtsberg. Der 1973 eingeweihte Baukomplex der Architektengemeinschaft "Theodor London Collective" wurde in den vergangenen Jahren mit einem Anstrich seiner Betonsichtigkeit beraubt, mit Glockenträger und neuem Namen zur Thomaskirche "sakralisiert". Konfirmanden-Gruppen näherten sich 2004 ihrem noch jungen Gemeindezentrum in einer Raumwahrnehmung, die einen neuen Blick auf den vertrauten Bau eröffnete. Zu Beginn "bewerteten" die Jugendlichen einzeln anhand eines Fragebogens die Raumwirkung und tauschten sich anschließend über ihre Eindrücke aus.
Alle hier umrissenen Raumwahrnehmungen verbindet die Idee, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit ihnen biografisch entsprechenden Themen an kirchliche Baudenkmale anzunähern. Und darüber hinaus den gesamten Kirchenraum in seinen überkommenen Bildwelten, geschichtlichen Hintergründen und gegenwärtigen Verwandlungen sichtbar zu machen. Ähnliche Projekte können unter fachkundiger Begleitung auch andernorts langfristig das Verstehen historischer wie moderner Kirchenbauten stärken, die Unterstützung für ihre Erhaltung fördern und vielleicht sogar "vorbeugend" künftige Denkmale schützen.
Karin Berkemann
Berkemann, Karin, Menschen und Steine. Was Gemeinde(n) und Kirchenbauten verbindet, in: Musik und Kirche 75, 2005, S. 328-333 Garscha, Jörg/Koch, Hartmut/Soltendieck-Vuraldi, Jutta (Bearb.), Elisabeth. Lernzirkel für Freiarbeit und Regelunterricht in den Jahrgangsstufen 9 bis 12 (Veröffentlichung im Auer Verlag in Vorbereitung) Glockzin-Bever, Sigrid/Schwebel, Horst (Hg.), Kirchen - Raum - Pädagogik (Ästhetik - Theologie - Liturgik 12), Münster 2002Goecke-Seischab, Margarete L./Ohlemacher, Jörg, Kirchen erkunden, Kirchen erschließen, Lahr/Kevelaer 1998Görbing, Martin/Graß, Hans/Schwebel, Horst (Hg.), Planen - Bauen - Nutzen. Erfahrungen mit Gemeindezentren (Bild und Raum 3), Gießen 1981Jung, Werner-Christian/Ludwig, Matthias (Bearb.), Dorfkirchen (Kirche im ländlichen Raum 53, 4), Altenkirchen/Westerwald 2002
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
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