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Die Schalker Knappen aus der Zeche Consol

Kohle brechen und Tore schießen

Mit viel Pomp feierte 2004 der Gelsenkirchener Fußballverein Schalke 04 mit seinen über 37.000 Vereinsmitgliedern das hundertjährige Bestehen. Schon ein paar Jahre zuvor gönnte er sich mit der Arena "Auf Schalke" eines der größten, teuersten und spektakulärsten Fußball-Stadien Europas. In den Anfängen des Vereins wurden die Spiele der Schalker allerdings nicht in Arenen der Superlative, sondern auf Straßenplätzen angepfiffen, bis man sich 1927 die Kampfbahn "Glückauf" leisten konnte. Bis heute werden die Spieler von "S04" die "Knappen" genannt.

Aus den Knappen - so hießen die Bergleute in den Zechen - rekrutierte sich vor hundert Jahren die Mannschaft von Schalke. Besonders von der benachbarten Zeche Consolidation kamen die Jungs - zum Spielen und zum Zuschauen. Die Zeche unterstützte den Verein 1923 beim Aus- und Umbau des Sportplatzes, und man munkelt, dass sie schon vor den Zeiten des offiziellen Profisports "ihre" Spieler durch besonders leichte Arbeiten privilegierte oder gar freistellte.

Fußball und Bergbau haben in Gelsenkirchen schon immer zusammengehört.  
© R.Rossner
Fußball und Bergbau haben in Gelsenkirchen schon immer zusammengehört.

"Consol", wie das Steinkohlenbergwerk von den Kumpels genannt wurde, war einst auch Ort einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte: 1863 wurde nach sogenannten Mutungsbohrungen der erste Schacht der Zeche in der Nähe des Schalker Markts "abgeteuft". Danach folgten hundert Jahre stetiges Wachstum an Fördermengen und Beschäftigten. Mehr und mehr Schächte wurden benötigt, bis man 1915 mit der Abteufung des Schachts 9 im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck begann. Eigene Kokereien ließen Consol, schon um 1870 eine der größten Zechen des Ruhrgebiets, zu einem wichtigen Teil der "Stadt der tausend Feuer" werden.

Aber ab Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts begann im Zuge des großen Zechensterbens auch die Krise von Consol. Trotz der Zusammenlegung mit "Pluto", "Nordstern" und "Hugo" konnte der Untergang nicht mehr aufgehalten werden. 1993 erfolgte das endgültige Aus.

Denkmal einer Bergbauepoche: Fördergerüst über Schacht 9 von Consol  
© R.Rossner
Denkmal einer Bergbauepoche: Fördergerüst über Schacht 9 von Consol

Die Schächte wurden verfüllt, viele der Übertagebauten abgerissen. Eines der wenigen erhaltenen Bauwerke ist das Doppelstrebengerüst über Schacht 9, dem damaligen Zentralförderschacht von Consol. Zwischen den "Knien" der Doppelstrebe befindet sich die Hängebank, in der die Förderwagen mit der Kohle entladen wurden.

Das Fördergerüst von Schacht 9, 1922 errichtet, ist aber nicht nur ein Andenken an die große Zeche, es ist als eines der beiden letzten Fördergerüste des Ruhrbergbaus in Gitterträgerbauweise auch ein wichtiges Dokument der Zechenarchitektur des 20. Jahrhunderts.

Im 19. Jahrhundert waren die Schachttürme massiv in Stein aufgemauert worden. Die sogenannten Malakofftürme erinnerten mit ihren aufwendigen, historistischen Formen oft an Burgen oder Schlösser. Sie wurden ab 1870 von den stählernen Fördergerüsten in Fachwerkbauweise wie über Schacht 9 abgelöst, was wesentlich preiswerter im Bau und vor allem viel brandsicherer war. Ab dem Ende der 1920er Jahre wurden die Fördergerüste mit nüchternem Stahlblech verkleidet und bekamen erneut eine wuchtige Silhouette.

In den Jahren nach der Stilllegung der Zeche Consol begann an den Streben des Fördergerüsts von Schacht 9 der Rost zu nagen. Seit 1998 werden die noch vorhandenen Gebäude von der "Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur" betreut. Um sie beim Erhalt der stählernen Zeugen zu unterstützen, hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 66.000 Euro bereitgestellt. Damit kann das Fördergerüst mit Korrosionsschutz behandelt werden. Hauptgeldgeber der Sanierung aber ist das Land Nordrhein-Westfalen. Die beiden Maschinenhäuser rechts und links der Hängebank hat die Stadt Gelsenkirchen instandgesetzt. Im nördlichen werden Fotografien, Installationen und Collagen zu bergbaulichen Themen gezeigt, und das ConsolTheater hat hier sein Domizil. Im südlichen Haus kann die sehenswerte Zwillingsdampffördermaschine von 1963 besichtigt werden.

In den Industriegebäuden haben sich kulturelle Einrichtungen etabliert. 
© R.Rossner
In den Industriegebäuden haben sich kulturelle Einrichtungen etabliert.

25 Hektar Industriebrache hinterließ die Stilllegung des Bergwerks Consolidation. Ein kleines Stück der ehemaligen Zeche und damit ein großes Stück der Geschichte von Gelsenkirchen-Bismarck und -Schalke zu bewahren, ist das Ziel der Bemühungen von Stiftung, Stadt und Land. Denn erst das filigrane Fördergerüst von Consol macht das neue Fußballstadion als Wahrzeichen der Stadt komplett.

Beatrice Härig

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1 Kommentare

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  • Kommentar als unangemessen melden
    Michael Heider schrieb am 24.03.2016 12:15 Uhr

    Ein gelungener Artikel. Weiter so.
    Glückauf

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