Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Öffentliche Bauten Stile und Epochen 1600 Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Februar Jahr 2024 Denkmale A-Z R

Denkmal in Not

„Entweder jetzt oder es hat sich erledigt!“

Herrenlos und einsturzgefährdet: Jahrzehntelang kümmerte sich keiner um das Raspehaus in Rastenberg. Nun nahm ein junger Verein das Fachwerkgebäude in Eigentum. Die Rettung des ältesten Hauses des thüringischen Ortes hat begonnen.

Löcher, überall – auch dort, wo sie nicht sein dürften: in der Fassade, in den Decken. Das nasse Haus beginnt zu trocknen, die Lehmfüllungen ziehen sich zusammen und brechen in Quadratmeter großen Stücken aus dem alten Holzgefüge. Viele mögen denken, es sei zu spät. Was lässt sich da noch retten? Andere können nicht wegschauen, müssen selbst aktiv werden.

Andreas Martini (links) und Stefan Wagner vom Förderverein Raspehaus möchten das Denkmal für die nächste Generation vor dem Ruin retten.
© Roland Rossner / DSD
Andreas Martini (links) und Stefan Wagner vom Förderverein Raspehaus möchten das Denkmal für die nächste Generation vor dem Ruin retten.

Auch die Cousins Andreas Martini und Stefan Wagner fühlen sich angetrieben zu handeln: Sie möchten für zukünftige Generationen ein wichtiges Stück Heimat und das älteste Haus der thüringischen Kleinstadt Rastenberg vor dem Verfall retten. „Vor drei Jahren stand ich mit meinen Kindern vor dem Raspehaus und erzählte ihnen von dessen langer Geschichte“, erinnert sich Stefan Wagner an sein Schlüsselerlebnis im schneereichen Januar 2021. „Es war meine Initialzündung. Der kalte, nasse Winter hatte dem Haus einen weiteren Schub Richtung Ruine gegeben. Und ich dachte, entweder jetzt oder es hat sich erledigt.“ So gründeten die Vettern den Förderverein Raspehaus.


Verwaist und verfallen


Seit den 1980er Jahren steht das 400 Jahre alte Denkmal leer. Kurz nach der Wende war es an seine Alteigentümer rückübertragen worden, die das große Kellergewölbe restaurierten und das Dach provisorisch mit Wellbitumenplatten abdeckten. Dann kapitulierten sie und entledigten sich des Hauses. Das Gebäude wurde herrenlos. Der Verfall setzte sich wieder ungehindert fort. Das Notdach wurde undicht, erneut drang Nässe ein und weichte zahlreiche Holzbalken auf. Manche brachen sogar durch und mit ihnen die Lehmgefache. Besonders tragisch ist, dass 1996 die Hofmauer mit ihren wertvollen Portalen in sich zusammenfiel, deren Inschriften Baudaten und die Bauherrenschaft bezeugen: 1605, 1641 und Thomas Raspe. Doch die Ursprünge des Bauwerks sind noch älter: Das in seiner heutigen Gestalt auf die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurückgehende Denkmal gründet auf einem spätmittelalterlichen Vorgängerbau.

Räume, in denen man vom Erdgeschoss bis ins Dach schauen kann: So verfallen ist das rund 400 Jahre alte Raspehaus.
© Roland Rossner / DSD
Räume, in denen man vom Erdgeschoss bis ins Dach schauen kann: So verfallen ist das rund 400 Jahre alte Raspehaus.

„Es hatte eine zentrale Funktion und hervorgehobene Gestalt. Seine Geschichte hängt eng mit der des Ortes zusammen“, erklärt der Rastenberger Andreas Martini. Um 1640 war Thomas Raspe als Amtsvogt in der Kleinstadt tätig und erweiterte das Gebäude als Regierungsbeamter des Herzogtums Sachsen-Weimar zu seiner Wohn- und Arbeitsstätte. „Seine Funktion lässt sich entfernt vergleichen mit der eines höheren Verwaltungsbeamten heute“, erklärt Martini, studierter Diplomverwaltungswirt. Thomas Raspe erledigte in dem Haus seine Amtsgeschäfte, vermutlich hielt er hier Gericht und kümmerte sich um Steuereinnahmen. Menschen aus der Stadt und dem Umland gingen ein und aus. Entsprechend dieser herausgehobenen Funktion stach der stattliche Bau mit dem steinernen Erdgeschoss und dem Fachwerkobergeschoss gegenüber anderen im Ort durch Größe und Ausstattung hervor. Heute muss der Betrachter repräsentative und schmuckvolle Bauelemente suchen. Doch es gibt sie noch.


Baukunst auf den zweiten Blick


Wohin genau zu schauen ist, weiß der Architekt Heiko Pludra, der sich in den letzten Jahren intensiv in Bausubstanz und -geschichte eingearbeitet hat. Ein großes Glück sei er für das Raspehaus, sagen Martini und Wagner. „Gerade sind wir durch den alten Kamin gegangen“, erklärt Pludra die im 18. und 19. Jahrhundert leicht veränderte Raumsituation im Erdgeschoss. Damals baute man in die mannshohe Feuerstelle eine Tür ein. Heute erschweren überall Kanthölzer, die das Fachwerkskelett wie Krücken stützen, den Durchblick in die zwei großen Arbeitsstuben, Kammern und die alte Schwarzküche. Dort finden sich noch die vom Rauch gefärbten Balken, in den Amtsstuben Reste der barocken Modelstuckdecke und unter vielen Farbschichten verborgene Malereien des 17. Jahrhunderts. Von Seltenheitswert ist ein kleines Loch in der Gebäudeecke zur Straße. Vermutlich kommunizierten durch diese Öffnung die im Haus Tätigen mit den Menschen draußen vor dem Tor. Auf den zweiten Blick weist auch das Äußere des Baus aufwendig gestaltete Details auf, wie profilierte Fenstergewände, dekorierte Balkenköpfe und Balken mit Zahnschnitt.

In der ehemaligen Schwarzküche: Architekt Heiko Pludra (Mitte) erläutert MONUMENTE-Redakteurin Amelie Seck (2. v. r.) sowie Petra Rose und Andreas Martini  vom Förderverein Raspehaus die Sicherungsmaßnahmen am Raspehaus.
© Roland Rossner / DSD
In der ehemaligen Schwarzküche: Architekt Heiko Pludra (Mitte) erläutert MONUMENTE-Redakteurin Amelie Seck (2. v. r.) sowie Petra Rose und Andreas Martini vom Förderverein Raspehaus die Sicherungsmaßnahmen am Raspehaus.

Ungeachtet des desaströsen Zustands von Haus und seinen Kostbarkeiten blicken der Architekt und der Vereinsvorstand optimistisch in die Zukunft. Was auch damit zusammenhängt, dass sie in den drei vergangenen Jahren eine Menge geschafft haben. Bei Vereinsgründung 2021 waren sie nur neun Personen. Heute sind sie 30 Mitglieder, die nicht nur in der Umgebung wohnen, sondern auch in Jena, Köln und der Schweiz. Im Sommer 2023 wurde der Verein Eigentümer des herrenlosen Raspehauses, ein wichtiger und mutiger Schritt: „Bei ungeklärten Eigentumsverhältnissen hätten wir kaum etwas bewirken können“, ist Vereinsvorsitzender Martini überzeugt, der sich trotz – oder besser mit – dieser Verantwortung gut fühlt. „Nun sind wir Bauherren und können durchstarten.“ Zahlreiche Aktionen haben sie schon umsetzen können: Kreativwettbewerbe für Schulen, diverse Spendensammlungen und sogar einen Weltrekord haben sie mit Hilfe vieler Menschen aufgestellt: Ihnen gelang die längste Luftmatratzenkette der Welt, veranstaltet im Rastenberger Waldschwimmbad – so kurios wie öffentlichkeitswirksam.


Auf sicheren und vielen Füßen


Was dem Verein wichtig ist: Er möchte gern alle Interessierten am Sanierungsprozess teilhaben lassen. So wurde in einem jüngst veranstalteten öffentlichen Workshop weiter an der Nutzungskonzeption des Denkmals gefeilt. „Die Prämisse ist, dass sich das Haus später selbst trägt“, sagt Wagner. „In Rastenberg und Umgebung herrscht absolute Gastronomiewüste.“ Daher sei ein Café im Erdgeschoss fest eingeplant, das mittelalterliche Kellergewölbe könne als Weinkeller dienen, ins Dachgeschoss soll ein großer Mehrzweckraum. Auch ein kleines Museum für Verwaltungsgeschichte ist angedacht.

Als Veranstaltungsraum schon jetzt gut vorstellbar: Der Gewölbekeller, wohl aus dem 15. Jahrhundert, ist seit 1995 restauriert.
© Roland Rossner / DSD
Als Veranstaltungsraum schon jetzt gut vorstellbar: Der Gewölbekeller, wohl aus dem 15. Jahrhundert, ist seit 1995 restauriert.

Heute steht die Rettungsaktion auf sichereren und viel mehr Füßen als in den 1970er Jahren, als eine Einzelperson sich vergeblich um eine Instandsetzung bemüht hatte. Martini und Wagner haben die Rettung des Raspehauses nämlich in den Genen. Es war ihr Urgroßvater Robert Wagner, Heimatforscher und Lehrer an der örtlichen Schule, der sich für die Erhaltung eingesetzt hatte. Allerdings blieben seine Bemühungen damals als Einzelkämpfer ohne Erfolg. Nun übernehmen die Vettern die Verantwortung und begeistern bereits die nächste Generation. So half Wagners elfjährige Tochter dabei, auf dem zugewucherten Grundstück Fragmente der eingestürzten Hofmauer zu bergen. „Stolz wie eine Schatzfinderin war Ronja. Nein, ich korrigiere: stolz als Schatzfinderin“, so der Vater. Alle, selbst die kostbaren Werksteine mit Inschriften, konnten geborgen werden und warten nun auf die Zusammensetzung.


Weitere Hilfe tut not


Denn erst mal geht es um die weitere Sicherung und Sanierung des Hauses selbst. Das Dach ist bereits provisorisch abgedichtet und die Notsicherung abgeschlossen. Aktuell hilft die Deutsche Stiftung Denkmalschutz dabei, den besonders gefährdeten Hofgiebel zu stabilisieren, um den drohenden Einsturz abzuwenden. Außerdem finanzierte sie die Planungsleistungen der Sicherungsarbeiten. „Diese Projektierung ist Grundvoraussetzung für alle weiteren Schritte“, sagt Martini. „Für diese Hilfe sind wir der Stiftung so dankbar, weil wir selbst dafür nicht ausreichend Mittel zur Verfügung hatten.“ Was sind die nächsten Schritte? Sie sind sehr aufwendig – baulich wie finanziell: Das Dach und die Holzkonstruktion sollen instand gesetzt werden. „Wenn wir das geschafft haben, ist uns ein Meilenstein für die Erhaltung gelungen“, sagt Martini.

Was ihre Spende bewirken kann


  • Biberschwanzziegel, naturrot 10 Stück 7,50 €
  • Dachlattung Biberschwanzdoppeldeckung pro Quadratmeter 20 €
  • Dacheindeckung mit Biberschwanzziegeln inkl. Lattung pro Quadratmeter 80 €

(beispielhafte Nettokosten)

Heute vermittelt das Haus am Raspeplan 1 nur noch eine Ahnung seiner einst stattlichen Architektur mit einem hohen, massiven Erdgeschoss aus Bruchstein, einem Obergeschoss in dekoriertem Sichtfachwerk und Krüppelwalmdach.
© Roland Rossner / DSD
Heute vermittelt das Haus am Raspeplan 1 nur noch eine Ahnung seiner einst stattlichen Architektur mit einem hohen, massiven Erdgeschoss aus Bruchstein, einem Obergeschoss in dekoriertem Sichtfachwerk und Krüppelwalmdach.


Der Förderverein Raspehaus hat verhindert, dass das so wertvolle Bauzeugnis abgerissen und ein Parkplatz daraus wurde – wie manch Rastenberger wünschte. Er hat den weiteren Verfall des überregional bedeutenden Kulturdenkmals gestoppt und jahrhundertealte Originalsubstanz gesichert. Daher bitten wir Sie: Helfen Sie nun dabei, die bevorstehenden großen baulichen Anstrengungen zu meistern. Nach dem Credo von Andreas Martini: „Gemeinsam geht mehr!“


Amelie Seck


www.denkmalschutz.de/denkmal-in-not


Raspehaus

Raspeplan 1

99636 Rastenberg

Rastenberg liegt circa 30 Kilometer nördlich von Weimar.

Denkmal in Not

Bitte retten Sie mit uns das Raspehaus in Rastenberg

Der Sanierungsbedarf an der historischen Fassade ist groß: Hölzer müssen ausgetauscht, viele Gefache mit Lehmstakengeflecht erneuert werden.
© Roland Rossner / DSD
Der Sanierungsbedarf an der historischen Fassade ist groß: Hölzer müssen ausgetauscht, viele Gefache mit Lehmstakengeflecht erneuert werden.
 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Service

Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


 
 
Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


1
Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland
2
Monumente Abo



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


3

Newsletter

Lassen Sie sich per E-Mail informieren,

wenn eine neue Ausgabe von Monumente

Online erscheint.

Spenden für Denkmale

Auch kleinste Beträge zählen!

 
 
 
 
0 Kommentare

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar!

Antwort auf:  Direkt auf das Thema antworten

 
 

© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn