Sehen und Erkennen - "Man sieht nur, was man weiß" heißt es schon bei Johann Wolfgang von Goethe. In diesem Sinne schauen wir in dieser Rubrik auf Details, die den Bauwerken ihr unverwechselbares Gesicht geben und dem Betrachter so manches über ihre Entstehungszeit verraten.
Der wirtschaftliche Aufschwung nach der Reichsgründung 1871 hatte eine enorme Zunahme des Straßenverkehrs zur Folge, so dass man sich gezwungen sah, Fahr- und Fußgängerverkehr voneinander zu trennen. Der öffentliche Bürgersteig wurde überall eingeführt, ihm musste der halbprivate Bereich vor den Bürgerhäusern geopfert werden.
Ist ja kein echter Marmor, nur ein Ersatz." Diese abfällige Bemerkung vernimmt man oft vor Bauwerken mit Stuckmarmor. In Wirklichkeit ist es heute teurer, Stuckmarmor herzustellen, als echten Marmor zu beschaffen. Die einzelnen Arbeitsschritte erfordern einen beachtlichen Zeitaufwand und große handwerkliche Fähigkeiten.
Das zusammenwachsende Europa muss sich in erster Linie seiner gemeinsamen Kultur bewusst werden, deren Anfänge weit zurückreichen. Dies ist auch an einem baugeschichtlichen Detail abzulesen, der Entwicklung der Mauertechnik.
Die Renaissance als Wiederbesinnung auf die Kunst der Antike entstand in Italien bereits im zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, als Filippo Brunelleschi in Florenz 1418-36 die Kuppel des Domes und ab 1420 die Kirche San Lorenzo erbaute. Nach Deutschland gelangte sie erst ein Jahrhundert später. Die ersten Beispiele sind die Fuggerkapelle in Augsburg (1509-12) und der Fürstenhof in Görlitz (1525).
Mit Bayern assoziiert so mancher das Bild satter, grüner Landschaften, in denen die Zwiebeltürme der Klöster, Kirchen und Kapellen eine selbstverständliche, in der Tradition fest verwurzelte Orientierung bieten. In ihrer leichten Verspieltheit - weniger ernsthaft und streng als die steilen gotischen Turmhauben des Nordens, weniger meditativ und erdverbunden als die unspektakulären Zeltdächer der rheinischen Romanik - verweisen die bayerischen Kirchtürme geradezu signalhaft auf die Eigenart der Region, die sie so reichhaltig markieren.
Das Fachwerk prägt zahlreiche Ortsbilder in Deutschland. Es gewann im Laufe seiner Geschichte und in den verschiedenen Kulturlandschaften eine Fülle von Erscheinungsformen. Man sollte es deshalb nicht nur als geschlossene Wand in anheimelnden historischen Dörfern und Städten, sondern auch im Detail wahrnehmen. Dabei wird man immer wieder Neues entdecken und Zusammenhänge erkennen zwischen dem praktisch Notwendigen und dem Bereichern mit Schmuckformen.
Die älteste Taufkirche der Christenheit ist San Giovanni in Fonte in Rom, erbaut bald nach 313 durch Kaiser Konstantin den Großen. Sie ist nur in der veränderten Gestalt erhalten, in der Papst Sixtus III. (432-440) sie nach den Zerstörungen durch die Vandalen wieder errichten ließ. Im Zentrum des ursprünglich kreisrunden Raumes lag das in den Fußboden eingelassene Taufbassin für die im Frühchristentum übliche Erwachsenentaufe.
Verfolgt man ein Architekturmotiv, zum Beispiel den Kreuzbogenfries, auf seiner Wanderung von Spanien über Italien nach Deutschland, so wird deutlich, wie eng bereits im Mittelalter in Europa die kulturellen Bindungen zwischen den einzelnen Ländern waren.
Im Außenmauerwerk großer mittelalterlicher Bauten fallen häufig regelmäßig angeordnete Löcher auf, die sich viele Betrachter nicht recht erklären können. Es handelt sich um Aussparungen zur Aufnahme der horizontalen Tragbalken für die Gerüste. Heute werden die Baudenkmale mit Stahlrohrgerüsten vom Boden aus eingerüstet, was Kosten erfordert, die gelegentlich höher sind als die der nötigen Reparaturen.
In der gotischen Bildschnitzerkunst wurde Holz nur in seltenen Ausnahmefällen ohne eine farbige Fassung gelassen. Letztere war allerdings nicht die Aufgabe des Holzschnitzers, sondern die des Fassmalers, der zugleich auch die Flügel des Wandelaltars mit Tafelgemälden ausstattete. Das mittelalterliche Handwerk war nämlich sehr spezialisiert und streng nach Zünften geordnet. Ein Mitglied der Bildschnitzerzunft durfte sich deshalb nicht als Maler betätigen, ein Maler seinerseits nicht Werke der Schnitzkunst erschaffen.
Schon seine aus dem Italienischen stammenden Namen zergehen leicht wie Baiser auf der Zunge: stucco, stucco lustro, scagliola. Die deutschen Begriffe Stuck und Stuckmarmor klingen noch immer ganz appetitlich, sind aber weit weniger luftig. Ernüchtert durch die Architektur-Theoretiker der Moderne, die das Ornament als Verbrechen verteufelten, überkommt wohl die meisten, wenn sie heute von Stuck hören, der Geschmack von Zuckerguss.
Der Wiederaufbau der Wismarer Georgenkirche war 2001 schon weit fortgeschritten. Von außen sah sie fast fertig aus, hatten doch alle Bauteile mit Ausnahme des Turmes wieder ein Dach. Aber für die Bauleute begann nun eine besonders spannende Phase: Die zerstörten Gewölbe sollten wieder eingebracht werden. Dies geschah selbstverständlich mit den traditionellen Materialien Backstein und Kalkmörtel. Die alte Technik des Wölbens aber musste von den Baumeistern erst erprobt und von den Handwerkern wieder erlernt werden.
Wenn man die Fenster als die Augen eines Hauses bezeichnet, so sind die Türen der Mund. Sie können verschlossen sein oder einladend geöffnet, ernst oder heiter, schön oder hässlich. In unserer Zeit ist letzteres leider überwiegend der Fall. Denn heute geht es oft nur um die Zweckmäßigkeit.
Betrachtet man den Dom in Bautzen von Südosten aus, kann man den Knick in der Südwand nicht übersehen, setzt er sich doch auch deutlich in dem mächtigen Dach bis in den First hinein fort. Der Blick auf den Grundriss bestätigt die Wahrnehmung, und sogar im Innenraum ist die Achsenabweichung unübersehbar. Beim Blick nach Osten wandert die südliche Pfeilerreihe aus dem Bild heraus, die nördliche hinein. Beim Dom in Bautzen kann man einen Achsenknick am stärksten wahrnehmen, aber er findet sich auch bei anderen mittelalterlichen Kirchenbauten.
Die Südfassade des Münsters in Colmar weist ein stattliches, reich ausgeschmücktes Säulenportal auf, in dessen linker äußerer Bogenlaibung eine Reihe von Statuetten zu erkennen sind.
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