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Die Kulturgeschichte der Kupferhäuser erzählt von Krieg und Frieden – und von Heimat. Es war das erste private Fertighaus: schnell errichtet, kostengünstig, modern, hygienisch. Ein trautes Heim in einer Welt voll Krisen.
Als Klaus Schöpp sein heutiges Zuhause im Frühjahr 1998 zum ersten Mal sah, regnete es. Es war dunkel und das Haus in Berlin-Lichterfelde ließ sich von der Straßenseite nur von außen betrachten. „Es war eine faszinierende Fassade“, sagt er. „Ich habe erst gedacht, sind das portugiesische Kacheln? Es hat so geleuchtet im Regen, ein unglaublich romantischer Anblick.“ Gemeinsam mit seiner Frau Yoriko Ikeya lebt Schöpp seit mittlerweile 30 Jahren in jenem Haus aus Kupfer. Die metallene Hülle, die Schöpp noch heute zum Schwärmen bringt, sorgt allerdings für schlechtes Netz – zum Telefonieren muss sich das Paar deswegen an ein Fenster stellen.
Ende der 1920er Jahre – als man die Kupferhäuser entwickelte, waren ständige Erreichbarkeit, Funklöcher und Internet eben noch kein Thema. In manchen Häusern gab es, so schreibt es ein Prospekt, eine eingebaute „Telefonnische“. Vermarktet und produziert wurden die Kupferhäuser von der Hirsch Kupfer- und Messingwerke AG (HKM) im brandenburgischen Eberswalder Ortsteil Finow nordöstlich von Berlin. Während des Ersten Weltkrieges hatte man Vorprodukte für die Kriegsindustrie hergestellt. In Friedenszeiten war das noch während des Krieges konzipierte und 1920 fertiggestellte Neuwerk – damals die größte und modernste Buntmetallfabrik Europas – nicht ausgelastet. Die Branche steckte in einer Überproduktionskrise. Es brauchte dringend neue Absatzmöglichkeiten.
Die Idee dazu fanden die HKM in dem ungarischen Ingenieur Frigyes (Friedrich) Förster. Bereits 1924 hatte er ein Patent auf beidseitig mit Metall verkleidete Wandelemente angemeldet. Der Clou dabei war die neuartige Wärmedämmung. „Der mehrschichtige Wandaufbau aus isolierenden und ruhenden Luftschichten ähnelt dem Funktionsprinzip einer Thermoskanne“, schreibt der Ingenieur Karsten Thieme in seiner Dissertation „Kupferhäuser in Berlin und Brandenburg“ (2012). Denn die eigentlichen Metallverkleidungen waren jeweils nur wenige Millimeter dünn. Nach Thiemes Messungen haben die Wände auch nach heutigem Standard eine exzellente Isolierung.
„Einheit von Kunst und Technik“
Um die Idee weiter voranzutreiben, gründete man 1929 unter dem Dach der HKM die Kupferhaus-abteilung. Dort tüftelte Förster zusammen mit dem Architekten Robert Krafft an einem modernen und leicht zu transportierenden Fertighaus. Man wollte damit der seit Jahren grassierenden Wohnungsnot begegnen. Für die HKM war die Umstellung von staatlichen Munitionsfabriken auf private Hauskäufer als Kunden ein gewaltiger Schritt. Nicht nur musste die Produktion neu ausgerichtet werden, auch die Vermarktung war ein neues Metier.
Förster und Krafft entwickelten in wenigen Monaten sieben Haustypen, mit klingenden Namen wie „Frühlingstraum“, „Kupfercastell“ und „Lebensquell“. Die poetischen Beschreibungen waren Teil einer Verkaufs-strategie, um den vermeintlichen Geschmack einer Zielgruppe zu treffen, die das traute Heim im traditionellen Landhausstil suchte: günstig, modern, hygienisch – weil abwaschbar und schnell errichtet. Eine ältere Nachbarin hat 1998 Klaus Schöpp in Lichterfelde erzählt, dass man sein Haus an einem Tag errichtet habe. Die Schlüsselübergabe fand dann nach den Innenraumarbeiten acht Tage später statt.
Über die rot-bräunliche Färbung der Fassade legt sich mit der Zeit die typische schwarz-grüne Patina.
Neben der Werkssiedlung unweit des Neuwerks in Finow baute man im Frühjahr 1931 sieben Modelle der zwölf im Verkaufskatalog angepriesenen Haustypen in einer Musterhaussiedlung auf und ließ sie von Arbeitern probebewohnen. „Das erinnert an Musterhäuser, wie sie heutige Fertighausanbieter an ihren Produktionsstätten stehen haben“, erklärt Thomas Steier. Der Architekt führt Interessierte mehrmals jährlich durch die alte Werkssiedlung und zu den Kupferhäusern. Zwei sind stark überformt, eines sogar weiß angestrichen, doch bei den meisten der seit 1996 unter Denkmalschutz stehenden Häusern lässt sich die markante dunkle, grün-bräunliche Außenhaut erkennen. „Eigentlich ist das ein klassischer Holzrahmenbau“, sagt Steier. Die vorgefertigten Bauelemente habe man dann auf einem gemauerten Fundament oder Keller montiert. „Das namensgebende Kupfer beschränkt sich dabei nur auf die dünne Außenschale und die Dachdeckung“.
Links das florale Reliefmuster „Englisch“, rechts das strengere „Diagonal“.
Innen wurden dünne Stahlblechverkleidungen montiert, bei denen die Kunden zwischen sechs Mustern wählen konnten: von neutralen „Kacheln“ über verspieltes „Englisch“ bis zu „Japanisch“, mit Fabelwesen, exotischen Pflanzen und Schriftzeichen. Außerdem waren neun Farben wählbar: von Korallenrot über Pastellblau bis Nilgrün. Fenster, Türen und Installationsleitungen waren bereits ab Werk in den zehn bis zwölf Zentimeter dünnen Wänden verbaut. Damit können die Kupferhäuser als erste Fertighäuser in unserem heutigen Sinne bezeichnet werden und als bedeutendes Zeugnis einer Experimentalphase.
Ein achtes Musterhaus steht etwas abseits seiner sieben Brüder in Finow. Das mit 35 Quadratmetern Wohnfläche kleinste Kupferhaus trägt den Namen „Sorgenfrei“. Es ist weitestgehend original erhalten. Einen „Rohdiamanten“ nennt es Steier und freut sich, dass es zurzeit aufwendig restauriert wird, um bald wieder öffentlich zugänglich zu sein. Entworfen und gebaut hat es 1932 der Berliner Architekt Walter Gropius. Er war auf die Kupferhäuser womöglich durch die Deutsche Bauausstellung auf dem Berliner Messegelände im Mai 1931 oder die zur gleichen Zeit in Paris stattfindende Internationalen Kolonialausstellung aufmerksam geworden. Obwohl die Häuser aus Finow in Paris mit einem Grand Prix geehrt wurden, gab es deutliche Kritik, besonders an ihrer architektonischen Qualität.
Gropius erstellte ein Gutachten, bei dem er neben der ästhetischen Form auch auf technische Mängel hinwies. Sein von ihm mitbegründetes Bauhaus forderte schon seit Langem die „Einheit von Kunst und Technik“. Gropius war dabei Verfechter der industriellen Bauproduktion, bei der durch Normierung und Typisierung die Wohnungsnot gelindert werden sollte. Sein Ideal waren „Baukästen im Großen“, schreiben der Designtheoretiker Friedrich von Borries und der Historiker Jens-Uwe Fischer in ihrem Buch „Heimatcontainer“ (2009): „Gebäude aus beliebig kombinierbaren, montagefertigen Einzelteilen, die in speziellen ‚Häuserbaufabriken‘ vorfabriziert werden sollten“.
Genau das fand er in den HKM, bei denen er rasch zum Leiter der Kupferhausabteilung aufstieg. Der Ingenieur Thieme attestiert ihm, dass er „einen erheblichen Anteil an der Verbesserung der Produktion und der Qualität der vorhandenen Haustypen hatte“.
Auf der Berliner Sommerschau „Sonne, Luft und Haus für alle“ 1932 konnte er eine leicht veränderte ästhetische Formsprache der Kupferhäuser präsentieren, die von der Kritik hochgelobt wurde. Doch bei HKM stieß er damit auf Ablehnung.
„Heimatcontainer“
Durch eben diese Krise geriet auch die HKM in Schieflage und wurde noch im selben Sommer zerschlagen. Aus der Konkursmasse gründete man die Deutsche Kupferhausgesellschaft (DKH), die sich von Gropius und seinen modernistischen Ideen verabschiedete. Neben dem Kassenschlager „Kupfercastell“ wurde als neues Flaggschiff das ebenfalls zweistöckige Modell „Favorit“ entwickelt. Im Juli 1933 errichtete man eines davon in Lichterfelde. Es sollte eines der letzten in Deutschland verwirklichten Kupferhäuser sein. Seine Fassade, die Klaus Schöpp 1998 so bewundert hatte, wurde im vergangenen Jahr durch einen Metallrestaurator instand gesetzt, ebenso wie die Innenwände. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) förderte die Maßnahmen.
Als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, griff man bei der DKH auf eine frühere Idee der Eigentümerfamilie der HKM zurück. Denn die Hirschs unterstützten als Juden die zionistische Idee. Vor allem osteuropäischen Juden sollten die Häuser eine neue Heimstätte im Heiligen Land schaffen. Die Nazis verfolgten bis zur sogenannten Endlösung der Judenfrage und dem Holocaust eine aggressive Politik der Zwangsemigration. Das britische Mandatsgebiet Palästina schien vielen deutschen Juden eine Option. So warb die DKH mit Slogans wie „Nehmen Sie ein Kupferhaus mit nach Palästina“.
Denn als Umzugsgut deklariert konnte man die antisemitische Devisenzuteilung umgehen, mit der die Nazis ausreisewillige Juden erpressten. Sie sollten zwar das Land verlassen, ihr Kapital aber da lassen. Bei der DKH änderte man die Modellnamen in „Haifa“, „Jerusalem“ und „Tel Aviv“.
Doch schon bald wurde Kupfer in Deutschland für die Aufrüstung gebraucht, weshalb sich die DKH 1934 auflöste. Während des Krieges strichen einige Hausbesitzer ihre Kupferfassaden weiß, um einer Zwangsabgabe zu entgehen.
In Berlin-Dahlem befreite sich ein Kupferhaus erst vor wenigen Jahren von der Farbe und erhielt dafür den Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege, den die DSD und der Zentralverband des Handwerks verleihen. Viele Kupferhäuser stehen in Berlin-Brandenburg. Eines etwa in Berlin-Rahnsdorf, dessen Restaurierung die DSD ebenfalls förderte. Man geht noch von etwa 40 erhaltenen Häusern in ganz Deutschland aus. Nach Palästina gelangten rund 14 Kupferhäuser, vier von ihnen stehen heute noch. Borries und Fischer bezeichnen sie als „Heimatcontainer“, ein Stück alte Heimat in der erzwungenen Fremde. Auch dort, im später gegründeten Staat Israel, stehen sie heute unter Denkmalschutz.
Stephan Kroener
www.denkmalschutz.de/kupferhaus
Schnelle Skizzen, üppige Präsentationszeichnungen oder filigrane Details: Handgezeichnetes bannt Baukunst auf Papier. Die Architekturzeichnung ist meisterliches Handwerk, künstlerischer Ausdruck und historisches Zeugnis.
Barbara Happe und Martin Fischer haben das erste private Bauhaus von Walter Gropius restauriert wie einen Kunstgegenstand. Aber sie finden nicht, dass sie in einem Museum leben.
Auf dem Friedhof II der Dreifaltigkeitsgemeinde im Berliner Bezirk Kreuzberg befinden sich zahlreiche Ehrengräber für bedeutende Söhne und Töchter der Stadt, darunter auch die Grabstätte für Martin Gropius, Architekt und viele Jahre Professor an der Bauakademie.
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