Denkmalarten Technische Denkmale Nach 1945 Neues Bauen 1800 Romanik Ausgabe Nummer Juni Jahr 2025 Denkmale A-Z B
Sie prägen Orte und Landschaften, überwinden Grenzen, sind eindrucksvolle Ingenieurleistungen und wichtige Verkehrsbauten – und das schon seit Jahrhunderten: Brücken in Deutschland. Viele von ihnen werden derzeit saniert, auch denkmalgeschützte.
Seit 128 Jahren rauschen Züge in schwindelerregender Höhe auf der Müngstener Brücke über die Wupper (Bild oben). Über ein Monument deutscher Ingenieurbaukunst, ein Wahrzeichen des Bergischen Landes, das auf der deutschen Vorschlagsliste für das UNESCO-Welterbe steht. In der 107 Meter hohen Brücke, die schon allein durch ihre Größe fasziniert, steckt viel Beeindruckendes: rund eine Million Niete – und jede Menge Wissen. Hier fand das neue Material Flussstahl Verwendung, wurden die innovative Konstruktionstechnik des Freivorbaus angewendet und neueste statische Berechnungen angestellt, ohne die die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands und viele weitere Brücken so nicht hätten gebaut werden können.
Ganz nüchtern betrachtet sind Brücken funktionale Verkehrsbauwerke, die tagtäglich ihren Zweck erfüllen, indem sie Wege durch schwer passierbares Gelände verkürzen, Hindernisse überwinden und Räume erschließen. Brücken sind – wie die Müngstener Brücke zeigt – aber mehr als rein technische Zweckbauten ohne Geschichte und ästhetischen Anspruch. Welche Symbolkraft sie haben, beweist schon der Blick ins Portemonnaie: Auf unseren Geldscheinen sind abstrahierte Brückenmotive aus verschiedenen europäischen Kunstepochen abgebildet. Brücken bringen Menschen zusammen – real wie metaphorisch: „Aus Grenzen sollen Brücken werden“, erklärte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Polen im Jahr 1990. Vor allem sind die Tausenden Brücken in Deutschland in ihrer vielfältigen Erscheinung auch ein enormer Wissensspeicher, der einen umfassenden Einblick in die Kulturgeschichte der Brückenbaukunst gibt.
Geschichte auf Balken und Bögen
Nachweisbare Spuren von Brückenbauten reichen bis in die Vorgeschichte zurück, als Menschen aus umgestürzten Bäumen und Ästen archaische Holzbrücken über Bäche und sumpfige Gebiete anlegten. Wann genau die ersten Brücken in Europa gebaut wurden, ist nicht zu belegen. Die Römer brachten die steinernen Bogenbrücken zur ersten Blüte. Neben Holzbrücken waren sie elementar für das weiträumig angelegte Straßennetz, das die römischen Provinzen mit der Hauptstadt verknüpfte.
Bis heute zeugen Fragmente, etwa bei der Trierer Moselbrücke, von ihrer baulichen Meisterschaft. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches verfielen auch die meisten ihrer Brücken. Auch von den frühmittelalterlichen Brücken gibt es nicht mehr viele Spuren, weil sich von den meist hölzernen Brücken nur wenige erhalten haben. Steinbrücken wurden in größeren Maßen und im größeren Umfang erst wieder ab dem 12. Jahrhundert gebaut. Bevölkerungswachstum, prosperierender Fernhandel und Stadtgründungen schufen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für monumentale Bauwerke wie die Mainbrücke in Würzburg oder bebaute Brücken wie die Krämerbrücke in Erfurt.
Eine der größten Brücken dieser Zeit überspannt bis heute in Regensburg die Donau: die von 1135 bis 1146 errichtete Steinerne Brücke. Die rund 300 Meter lange Konstruktion auf mächtigen Pfeilern war über Jahrhunderte der einzige feste Donauübergang. Die Stadt hatte größtes Interesse an einer funktionierenden Verkehrsverbindung und setzte das Bauwerk nach Hochwasserfluten, Eisgang und Kriegsattacken immer wieder instand. Stolz auf ihr bauliches Erbe investierte die Stadt zuletzt Millionen in eine langjährige Restaurierung der „Steinernen“, wie die Regensburger ihr wohl wichtigstes profanes Denkmal liebevoll nennen.
Brücken kamen im Mittelalter wegen der exponierten Lage vielfältige Funktionen zu. Als Nadelöhre im Wegesystem des Fernverkehrs waren sie Anlaufziele für Reisende und damit von wirtschaftlicher Bedeutung. Zollstation und Handelsstätte boten wichtige Einnahmequellen, als Zugangsweg hatten sie militärischstrategische Relevanz. Auf Brücken wurde Recht gesprochen und mit der Wasserstrafe wurden Urteile vollstreckt. Welchen enormen Einfluss Brücken für die Stadt- und Siedlungsgeschichte haben können, zeigt die Zerstörung der Brücke des Bischofs von Freising. Von da an führte die wirtschaftlich wichtige Salzhandelsstraße über das kleine Munichen und schuf die Grundlage dafür, dass sich aus der Siedlung die prosperierende Stadt München entwickelte.
In den folgenden Jahrhunderten verdichtete sich das Netz an Brückenbauten. Die Konstruktionsformen und Materialien der Brücken blieben über lange Zeit dieselben: Balken- und Bogenbrücken aus Holz, Ziegeln und Steinen. In der Renaissance wurden die Bauten unter vermehrter Nutzung geometrischer Regeln perfektioniert. An die Stelle von Rundbögen traten häufiger Segmentbögen mit einer größeren Spannweite, wie bei der Nürnberger Fleischbrücke.
Eisenbrücken für die Eisenbahn
Radikal veränderte sich der Brückenbau mit der Industrialisierung. Neue Baustoffe hielten Einzug in das Bauwesen: Gusseisen, Schmiedeeisen, Stahl und Beton. Deren Materialeigenschaften nutzend, schufen Ingenieure völlig neue Konstruktionen und Brückentypen: von komplizierten Drehbrücken bis hin zu großdimensionierten Hängebrücken.
Und von ihnen brauchte es im 19. Jahrhundert jede Menge. Besonders für den Ausbau des Eisenbahnnetzes, der in den 1840er Jahren seinen ersten Boom erlebte. Neben spektakulären, wie der Müngstener Brücke bei Solingen oder der Göltzschtalbrücke im sächsischen Vogtland, entstanden bis in das 20. Jahrhundert hinein vor allem kleinere Gewölbebrücken aus Stein und Beton sowie eiserne Konstruktionen mit geringen Spannweiten von rund 30 Metern.
Viele dieser eisernen Brücken werden aktuell durch standardisierte, schnell zu verwirklichende Neubauten ersetzt. Weil die Deutsche Bahn bis 2030 mehr als 4.000 Kilometer des Schienennetzes zum Hochleistungsnetz ausbauen will, steht sie stark unter Zeitdruck. In Chemnitz etwa gingen für die Erneuerung der Sachsen-Franken-Magistrale bereits viele denkmalgeschützte Eisenbahnüberführungen aus der Zeit um 1905 verloren, sogenannte Vollwandträgerbrücken mit genieteten Stahlstützen und aufwendig gestalteten Details.
Auch dem 275 Meter langen Chemnitzer Viadukt stand dieses Schicksal bevor. Gegen den Verlust des stadtbildprägenden Denkmals machte die Bürgerinitiative Viadukt e. V. zusammen mit einer großen Koalition aus Bürgern, Stadt und Denkmalpflegern – darunter der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) – so viel Druck, dass das Eisenbahn-Bundesamt die Deutsche Bahn schließlich zu einer Sanierung auf Grundlage der Erhaltung verpflichtete. Belohnt wurden dann aller Bemühungen im März dieses Jahres, als das sanierte Viadukt den Deutschen Brücken-Sonderbaupreis erhielt.
Dennoch werden für den Abbruch historischer Eisenbahnüberführungen immer wieder vermeintlich schlagende Argumente angeführt.
Es gibt eine Vielzahl von möglichen Brückentragwerken, die sich auf wenige Grundtypen in der Konstruktion zurückführen lassen. Die Balkenbrücke ist die einfachste Form. Daneben existieren Bogen-, Stabwerk- und Seiltragsysteme.
von oben nach unten:
Die stählernen Brücken hätten ihre nominelle Lebensdauer erreicht, könnten zukünftigen Anforderungen nicht gerecht werden und die Sanierung des Bestands sei nicht wirtschaftlich. Dagegen führen Fachleute an, dass in vielen Fällen eine zielgerichtete Ertüchtigung eine gute Alternative bietet.
„Wir haben heute hervorragende Mittel zur Verfügung, sowohl für die Bewertung des Zustands von historischen Stahlbrücken, ihrer Qualitäten, als auch für die gezielte Verstärkung und für genaues Monitoring“, sagt Prof. Dr.-Ing. Werner Lorenz von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.„Wir sollten daher von der Frage ausgehen, was der Bestandsbau noch kann, und diesen mit angemessenen Maßnahmen auf lange Sicht ertüchtigen, statt pauschal auf Neubau zu setzen.“
Werner Lorenz ist auch Koordinator des Schwerpunktprogramms Kulturerbe Konstruktion der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Disziplinübergreifend befassen sich in diesem Programm Bauingenieure, Architekten, Materialwissenschaftler, Bau- und Technikgeschichtler aus ganz Deutschland mit Methoden zur Bewertung und Bewahrung historischer Bauten der sogenannten Hochmoderne. Was sind die Charakteristika der etwa zwischen 1880 bis 1970 errichteten Bauten, auch der Brückenbauwerke? Wie sind sie denkmalkundlich zu bewerten?
Das Erbe der Hochmoderne
Im 20. Jahrhundert entwickelte sich das Auto zu einem Massenphänomen und wurde so zum entscheidenden Treiber des Brückenbaus. Parallel kam es zu einer Vielzahl von Neuerungen auf allen Gebieten der Brückenbautechnik. Auf Basis verbesserter Werkstoffe und neuer Berechnungsmethoden entwickelten die Ingenieure neuartige Konstruktionen wie Schrägseilbrücken. Stützenweiten von über 300 Metern waren für diesen Brückentyp – wie bei der Kölner Severinsbrücke – kein Superlativ mehr.
Unter den neu entwickelten Bauweisen kam der Spannbetontechnik besondere Bedeutung zu. Die Verbindung von vorgespannten Zugelementen in Stahl und druckfestem Beton ermöglichte eine deutliche Erhöhung von Tragfähigkeit und Rissfestigkeit. Mit den stilistischen Prinzipien der 1950er und 1960er Jahre übereinstimmend spannten sich schlanke Brückenbauwerke über die großen Flüsse Deutschlands in elegant-dynamischen Linien – gleich monumentalen Skulpturen im öffentlichen Raum. Die auf die Brücke einwirkenden Kräfte liegen wegen der im Beton eingebetteten Spannglieder teilweise im Verborgenen.
Heute aber stellt dies eine große Herausforderung für ihre Erhaltung dar, weil mögliche Korrosionsschäden nicht immer auf Anhieb sichtbar und schwer zu ermitteln sind. Der Einsturz der Dresdener Carolabrücke vergangenes Jahr führte diese Problematik dramatisch vor Augen.
Rund 150.000 Brücken gibt es hierzulande. 16.000 davon sind sanierungsbedürftig, besonders die Spannbetonbrücken der 1960er bis 1980er Jahre. Ihr schlechter Zustand resultiert vor allem aus verzögerten Investitionen in die Instandhaltung und einer gestiegenen Verkehrsbeanspruchung. Nun soll das milliardenschwere Sondervermögen Infrastruktur im künftigen Bundeshaushalt unter anderem für die Brückensanierung eingesetzt werden, auch für denkmalgeschützte Brücken.
Neueste Methoden zum Bestandserhalt können helfen, solche Brücken zu bewahren, die schon auf der Abrissliste standen. So war für die Nibelungenbrücke in Worms, die 1951 bis 1953 nach Plänen von Ulrich Finsterwalder und Gerd Lohmer als erste Spannbetonbrücke gerüstfrei über den Rhein errichtet wurde, für das Jahr 2028 ein Ersatzneubau geplant. Auf Basis digitaler Technologien und verfeinerter Berechnungsmöglichkeiten soll die Nutzungsdauer dieses bedeutenden Ingenieurbauwerks jetzt signifikant verlängert werden.
Brücken nicht hinter sich abbrechen
Historische Infrastrukturbauten, und dazu gehören ganz wesentlich auch Brücken, so weit wie möglich zu erhalten, ist nicht nur aus Gründen der Nachhaltigkeit wichtig. „Wir müssen ihre graue Energie (also die im Bauwerk gebundenen CO2-Emissionen) genauso bewahren wie ihre goldene Energie (also die baukulturelle, identitätsstiftende Kraft existierender [...] Brücken)“, heißt es im aktuellen Baukulturbericht der Bundesstiftung Baukultur. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz pflichtet dem bei. „Mit dem Abriss denkmalgeschützter, auch jüngerer Brücken gehen eminent wichtige bauliche Quellen verloren, in denen elementares Wissen über Bautechnik, über Kultur-, Wirtschafts- und Wissenschaftsgeschichte steckt“, sagt Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der DSD.
Schwer vorstellbar, aber genau dieses Schicksal stand vor rund 100 Jahren der berühmten Erfurter Krämerbrücke bevor. Als der Verkehr sich immer mehr in der Altstadt drängte, überlegten die Erfurter, die Brücke abzubrechen. Doch man entschied sich dagegen und baute eine moderne Brücke in unmittelbarer Nähe. Die 700 Jahre alte Krämerbrücke ist heute ein Wahrzeichen der Handelsstadt, das man feiert, ein lebendiger Ort, ein Brückenschlag zwischen gestern und heute. Und ein Aushängeschild für die Baugattung Brücke. Es lohnt sich daher, beim Überqueren historischer Brücken innezuhalten und für ihre tragende Bedeutung mehr die Augen zu öffnen. Alte Brücken, Denkmalbrücken – sie sind Bauten der Infrastruktur, die aktiv genutzt Verkehr ermöglichen und uns gleichzeitig mit der Vergangenheit verbinden.
Amelie Seck
Sie ist ein außergewöhnliches Brückendenkmal: die steinerne Krämerbrücke in Erfurt, die als die längste durchgehend mit Häusern bebaute Brücke Europas gilt. Seit dem Mittelalter dient sie Händlern und Handwerkern zum Verkauf ihrer Waren. 1325 errichtet, feiert die thüringische Landeshauptstadt in diesem Jahr das 700-jährige Jubiläum des Wahrzeichens mit einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm. Einen interessanten Einblick in die Geschichte und in eines der jahrhundertealten Brückenhäuser bietet das Haus der Stiftungen unter der Hausnummer 31. Um die Brücke und den alten Nutzungscharakter zu bewahren, gibt es seit 1996 die städtische Krämerbrückenstiftung. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und die von ihr treuhänderisch verwaltete Elisabeth und Fritz Thayssen-Stiftung beteiligten sich an dieser großen Aufgabe mit bisher über einer Million Euro.
Grabungen im Kloster Wedinghausen in Arnsberg zeigen ein farbenfrohes und geradezu komfortables Mittelalter.
Wind und Wasser sind Problem und Energie zugleich. Denn die beiden Elemente setzen der kombinierten Wind- und Wassermühle in Hüven zu. Die emsigen Emsländer bemühen sich, ihre Räder wieder zum Drehen zu bekommen.
Ein ereignisreiches Jahr für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die 2010 ihr 25-jähriges Bestehen feierte, liegt hinter uns. Als größte Bürgerinitiative für den Denkmalschutz in Deutschland ruht die Stiftung zwar auf festen Säulen, aber wir möchten sie in den kommenden Jahren noch stärker als Ergänzung zur staatlichen Denkmalpflege in unserer Gesellschaft fundamentieren.
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