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Mack-Kapelle Marianum

Das große M

Sie ist ein Geheimtipp für Kunstliebhaber und Gläubige – die Marienkapelle des berühmten Künstlers Heinz Mack. MONUMENTE besuchte mit dem ­DSD-Vorsitzenden Dr. Steffen Skudelny Künstler und Kapelle.

Lichtkünstler wird Heinz Mack genannt – und Licht ist auch im Marianum in Neuss Material, Werkzeug und Inspiration für den weltbekannten Künstler gewesen, als er 1986 den Auftrag annahm, die Kapelle des ehemaligen katholischen Studierendenheims neu zu gestalten. Dr. Steffen Skudelny und MONUMENTE-Redakteurin Beatrice Härig haben den mittlerweile 94-Jährigen besucht. Sie gingen mit ihm durch seinen denkmalgeschützten Fachwerkhof in Mönchengladbach, den der Künstler seit 1967 sein Zuhause nennt, und sprachen mit ihm über das Marianum – das andere, ausgesprochen außergewöhnliche Denkmal, das Heinz Mack seit über 35 Jahren begleitet.

Bei Heinz Mack zu Hause: Dr. Steffen Skudelny, DSD-Vorstand, und MONUMENTE-Redakteurin Beatrice Härig.
© Daniel Elke
Bei Heinz Mack zu Hause: Dr. Steffen Skudelny, DSD-Vorstand, und MONUMENTE-Redakteurin Beatrice Härig.

Interessiert hat sie, in einem Raum voller Kunstwerke sitzend, wie es damals zu diesem Auftrag kam. War der konfessionslose Mack doch nicht gerade bekannt für seine Nähe zur katholischen Kirche. Mack erinnert sich: „Der damalige Leiter des Marianums kam auf mich zu, ebenso Dr. Hofmann, der spätere Bischof von Würzburg und seinerzeit Künstlerseelsorger der Erzdiözese Köln. Ich habe das als kreative Provokation empfunden.“


Die Kapelle in dem kriegsgetroffenen neobarocken Gebäude war in keinem guten Zustand. Sie konnte den jungen Bewohnern des erzbischöflichen Collegium Marianum, die sich im Abendgymnasium auf theologische Berufe vorbereiteten, nichts mehr bieten. Mack nahm den Auftrag an, ließ die Kapelle entkernen und schuf ein, ja doch, wir nennen es so, Gesamtkunstwerk, auch wenn er selbst den Begriff Gesamtkunstwerk „wirklich höchst vorsichtig“ verwendet: „Mit größter Vorsicht gebrauche ich das Wort überhaupt.“ Doch wie soll man einen Raum bezeichnen, in dem Fußboden und Decke, Fenster und Wände, der Chor mitsamt aller liturgischen Ausstattung, die Kirchenbänke, ein Kreuzweg und auch die Orgel aus der Hand eines der bedeutendsten deutschen Nachkriegskünstler erschaffen wurden?

Die Orgel ist wesentliches Element der Kapelle und liegt Heinz Mack besonders am Herzen. Über die DSD-Förderung für ihre Restaurierung freute er sich sehr.
© Daniel Elke
Die Orgel ist wesentliches Element der Kapelle und liegt Heinz Mack besonders am Herzen. Über die DSD-Förderung für ihre Restaurierung freute er sich sehr.

Licht ist kein Privateigentum


Geschaffen von einem, der bis zu diesem Werk 1986 nicht mit und für Kirchen gearbeitet hat. ZERO, die Künstlergruppe, die Heinz Mack 1958 mit Otto Piene ins Leben rief und die den Ruf Düsseldorfs als Kunstzentrum begründete, war ja gerade im Nichts entstanden, wollte das durch den Krieg verursachte Vakuum überwinden. Geschaffen von einem, der im Gespräch Satz für Satz Distanz und gleichzeitig geistige Nähe zur christlichen Kunst herausarbeitet: „Fragen der Metaphysik und der Transzendenz waren mir durch mein Philosophiestudium nicht ganz fremd.“ Wie sah denn die Zusammenarbeit mit den Theologen aus? „Ikonografisch hat keiner reingeredet.“ Und wurde über die Farbgebung diskutiert? Über diese Farben, die in typisch Mackscher Chromatik die Kapelle leuchten lassen? „Kein Wort der Absprache mit den Theologen.“ Und dennoch, auch wenn die künstlerische Freiheit nie infrage gestellt wurde, räumt Mack ein, waren liturgische und ikonografische Programme zu beachten. Denn „es hat ja tiefere Zusammenhänge, ob man will oder nicht.“ Mit der Figur der Maria zum Beispiel habe er sich viel auseinander­gesetzt. Immer offensichtlicher wurde ihm, dass er zu keiner Vorstellung komme, die frei von Antworten aus der Kunstgeschichte ist.

Transzendenz: Tageslicht hinter dem Kreuz, angedeutete Engel an der Wand, eine Marienskulptur hinter dem transparenten Lettner.
© Daniel Elke
Transzendenz: Tageslicht hinter dem Kreuz, angedeutete Engel an der Wand, eine Marienskulptur hinter dem transparenten Lettner.

Lunares Mystikum


Und auch die Engel, die sich in der Kapelle auf der fensterlosen, weißen Wand als Sgrafitti wie hingehaucht finden, sind ihm von besonderer Bedeutung. Wenn bei tief stehender Sonne das Farbenlicht auf die Wand geworfen wird, dann tauchen die Engel auf, sind nur ein Abdruck, wie im Schnee. „Dann kommt der spirituelle Gehalt der Glasfenster mit dem spirituellen Gehalt der Sgrafitti überein.“ Von Kosmologie und dem „lunaren Mystikum“, das in der Verkündigung eine Rolle spielt, spricht Mack. Von seiner Bewunderung für die Verkündigungsbilder von Fra Angelico und dessen Lichtführung. Und davon, wie Licht von den Farben der Fenster aufgefangen wird. Licht – das Thema, das sich durch sein ganzes Künstlerleben zieht. „Das Wunder, dass das Licht selbst zu einer Botschaft wird.“ Um dann festzustellen: „Licht ist nicht nur das Privateigentum der Kirche.“


Das eigentliche ikonografische Programm der Kapelle, so kann man sagen, ist die Gegenwart des Spirituellen, vermittelt über Licht und Kunst. Der Versuch, ein neues Licht in die abgeschatteten Räume der Kirchen zu bringen. Bis heute sind Macks Gedanken über sein Wirken in sakralen Räumen mit Selbstzweifeln belegt. Die Bindung zur Kapelle aber ist geblieben. Noch 2024 entwarf er liturgische Gefäße. Die Orgel, deren Restaurierung die Deutsche Stiftung Denkmalschutz im letzten Jahr maßgeblich förderte, wurde 1993 in der Kapelle eingebaut – leidenschaftlich hatte sich Mack, der passionierte Klavierspieler, für sie eingesetzt. Der renommierte ­Orgelbauer Klais lieferte das Instrument, die Gestaltung primär in leuchtendem Blau Heinz Mack.


Heinz Mack vor einem seiner Gemälde in seinem denkmalgeschützten Hof in Mönchengladbach.
© Daniel Elke
Heinz Mack vor einem seiner Gemälde in seinem denkmalgeschützten Hof in Mönchengladbach.

Es ist ein Glücksfall, dass der Neusser Bauverein 2007 nach Aufgabe des Marianums durch das Erzbistum nicht nur das Gebäude übernahm, sondern auch die Pflege der Kapelle. Es scheint zu diesem außergewöhnlichen Sakralraum zu passen, dass er – noch immer für Gottesdienste genutzt – durch eine profane Baugesellschaft gerettet wurde, umgeben mittlerweile von Dutzenden Eigentumswohnungen.

Das M ist omnipräsent in der Mack-Kapelle: an der Orgel, im Eingang und selbst bei den Kirchenbänken.
© Daniel Elke
Das M ist omnipräsent in der Mack-Kapelle: an der Orgel, im Eingang und selbst bei den Kirchenbänken.

Das M ist Leitmotiv in der Kapelle. An der Orgel, der Eingangstür, an der Chorwand, selbst an den Kirchenbänken findet es sich. Steht es, die Frage zum Schluss, für eine für die Kunstgeschichte außergewöhnliche Ikonografie zur Darstellung Marias? „In erster Linie. Dass mein Name auch mit einem M beginnt, ist eine schöne Koinzidenz. Eine Art Signatur.“ Die Mack-Kapelle im Marianum: ein Denkmal, nicht nur für die Kirche und die Kunst, sondern für Heinz Mack selbst.


Beatrice Härig


www.denkmalschutz.de/marianum-neuss

© Daniel Elke

Kontakt

Mack-Kapelle Marianum

Preußenstr. 66/Am Marianum 36

41464 Neuss



Besichtigungsmöglichkeiten

Eucharistiefeiern am 4. Sonntag im Monat, jeweils um 18 Uhr

Kunstführungen nach individueller Terminabsprache

Tel. 02131 569867


www.mack-kapelle-marianum.de/

 


  

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