Denkmalarten Technische Denkmale Stile und Epochen 1925 1900 Jugendstil / Art Déco Ausgabe Nummer Februar Jahr 2025 Denkmale A-Z T
Wohnen extrem – für Liebhaber von ungewöhnlichen Bauwerken haben ausgemusterte Trafotürme eine große Anziehungskraft. Einige Türmer haben ihren Traum verwirklicht und wohnen in ihnen. Sie sind gut vernetzt und machen auf Trafotürme als Kulturdenkmale aufmerksam.
Transformation – ein Wort, das zur Zeit geradezu inflationär und für alle Belange in Gebrauch ist. Wenn es jemand im wörtlichen Sinn mit Leben füllt, dann die Türmer. So nennen sich die Trafoturmliebhaber. Denn ein Trafoturm ist für nichts anderes als für den Zweck der Transformation errichtet worden: Er wandelt Mittelspannungsstrom in Niederspannungsstrom, um so vor Ort an die einzelnen Haushalte verteilt zu werden. Die Türmer wiederum wandeln ausgemusterte Trafostationen zu einem Gebäude in neuer Nutzung um – manchmal, um selbst darin zu leben.
Aufmerksamkeit ist den Türmern gewiss. Dass ein Umbau zu Wohnzwecken nicht immer einfach ist, liegt am deutschen Baurecht. Oft liegen Trafotürme in Außenlage, also außerhalb eines Ortes, in ihrer Funktion als Schnittstelle vom Freileitungsnetz zum Ortsnetz. Eine Wohnneunutzung eines Trafoturms im Wohngebiet ist eher zu realisieren, aber auch nicht ohne Tücken. Daniela Kinkel aus Bonn kann davon ein Lied singen. Sie ist ein typisches Opfer gnadenloser Turmliebe und gleichzeitig Profiteurin eines Programms, das es so nur im Westen der Republik gibt: „Ich ging mit einem Freund spazieren, wir kamen an einem nahe gelegenen Trafoturm vorbei.
Einen solchen Ort hatte ich mir schon als Kind als Rückzugsstätte erträumt. Da erzählte er mir, dass sein Arbeitgeber, die RWE, nicht mehr genutzte Trafotürme zum Verkauf anbietet.“ Was mit diesem Zufall anfing, endete in einem 1-Euro-Kaufvertrag und einigen Bauanträgen bei der Stadt Bonn: Der Freund hatte einen zum Abriss freigegebenen Turm im Bonner Süden, in der Kunigundenstraße, für sie ausgekundschaftet, gebaut 1913, an einem Bach gelegen und mit Blick auf das gegenüberliegende Siebengebirge.
Kunigundes zweites Leben
Den Blick auf den Drachenfels genießt man aus dem oberen Stockwerk. Das war früher nur über eine Stahlleiter zu erreichen. Als Daniela Kinkel den Turm übernahm, war die Transformatorentechnik schon ausgebaut. Sie findet nun in einer hinter dem Turm stehenden kleinen Kompaktstation statt. Umzubauen war in dem Turm mit angegliedertem Technikraum trotzdem jede Menge. Über zwei Jahre kämpfte sie um die Baugenehmigung, 13 Monate dauerten dann die Arbeiten, bis sie 2023 einziehen konnte.
Kunigunde, wie der kleine Turm von Daniela Kinkel genannt wird, hat sich in dieser Zeit zu einer kleinen Bonner Persönlichkeit entwickelt. Die Eigentümerin hat die Umwandlung des Turms in den sozialen Medien präsentiert, die lokale Presse schaute häufiger vorbei, sogar das Fernsehen kam und berichtete. Was das Interesse sicher verstärkte: Das Leben in Kunigunde auf einer Fläche von 42 Quadratmetern entspricht in vielem dem aktuellen Wohntrend des Minimalismus. Die Bewohnerin selbst spricht nicht von einem Tiny House, weil es nicht auf Rädern steht und als prägnanter Teil des Stadtteils auch genau an Ort und Stelle stehen bleiben wird.
Kulturwandler Strom
Türme als Bauform faszinieren. Strom als Kulturwandler auch. Erst die Entwicklung leistungsfähiger Transformatoren 1885 und von Hochleitungsdrähten ermöglichten es, den Strom über das Land zu verteilen. Die oberirdischen Leitungen ließen erstmals einen verlustärmeren Transport des elektrischen Stroms vom Ort der Erzeugung zum Ort des Verbrauchs zu. Um den Strom in die für den Hausgebrauch benötigte Niederspannung zu verwandeln, wurden Leitungen mit 10.000 Volt durch die Isolatoren, die an den Giebeln der Transformationstürme angebracht waren, abgespannt und in das Gebäude eingeführt. Der Strom wurde dann im Inneren von Transformatoren gewandelt und durch ausgehende Leitungen mit 230 oder 400 Volt Spannung in die Häuser weitergeführt. Noch heute wird nach diesem Prinzip der Stromumwandlung die Energie verteilt.
Um die Transformation vom Strom der Kraftwerkzentralen zum Haushaltsstrom zu verdeutlichen, sprechen Experten gern von Autobahnen, Landstraßen und Ortsstraßen. Nur wird ab der Landstraße der Strom mittlerweile in der Regel unterirdisch verlegt. Moderne Transformationskompaktanlagen haben die Türme ersetzt. Damit entfällt der Zweck der Trafotürme. Die Letzten ihrer Art wurden um 1985 errichtet, dann war der Freileitungsturm zu einer aussterbenden Architekturgattung geworden. Zu oft verschwindet er unbeachtet und hat doch eine so große Rolle gespielt für die Entwicklung unseres modernen Lebens, in dem Elektrizität Grundbedingung für das Funktionieren von fast allem ist. Die Türme sind die kleinen Denkmale der Elektrifizierung, die erst Licht in die Städte und Dörfer brachte und dann Handwerk und Landwirtschaft revolutionierte.
Komfort im Prinzessinnenturm
Wie sehr sich das Leben geändert haben muss, als Licht per Schalter verfügbar wurde, kann man sich auch in Schloss Wissen bei Weeze am Niederrhein, nahe der niederländischen Grenze, vorstellen. Ein stattliches Anwesen, mit einem ursprünglich aus dem 14. Jahrhundert stammenden Herrenhaus, einer mächtigen Vorburg, einer neogotischen Kapelle – deren komplizierte Rettung 2013 auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit ermöglichte – und einem Trafoturm. Er brachte dem Schlossareal ab Anfang des 20. Jahrhunderts Strom.
Seine Formen deuten einen eleganten Jugendstil an. „Ich bin immer wieder voller Bewunderung dafür, wie zu früheren Zeiten auch bei Funktionsbauten auf Details geachtet wurde“, sagt Freiherr Seraphim von Loë, seit 2024 mit seiner Frau Felicitas verantwortlich für den Familienbesitz. Sein Vater hatte vor etwa 20 Jahren begonnen, auf dem Schlossareal ein Hotel einzurichten. Den Trafoturm hatte er dabei immer im Blick. Durch seine Materialität – nämlich Backstein wie die übrigen Gebäude – fällt er optisch nicht aus dem Rahmen, etwas Besonderes ist er aber trotzdem. Mit großem Einfühlungsvermögen wurde der Turm für Hotelgäste umgebaut.
Prinzessinnenturm wird er im Gedenken an Urgroßmutter Isabelle Gräfin von Loë genannt, so wie alle Gästezimmer zu Ehren von Familienmitgliedern deren Namen tragen. Prinzessinnenturm klingt romantisch für einen ehemaligen Zweckbau – und Romantik ist auch reichlich vorhanden, verteilt auf vier Geschosse. Die Treppen sind eng, Fenster in den kleinen, aber dennoch komfortablen Räumen geben Blicke in die niederrheinische Natur frei. Dabei verleugnet der ehemalige Technikbau seine Herkunft nicht: Die ehemaligen Isolatoren dienen als Garderobe hinter der stählernen Schutztür, die belassen und durch eine hölzerne dahinterliegende Tür ergänzt wurde. Zum Denkmal wurde der Turm 2004, im Jahr seiner Umnutzung, erklärt. An diesem Ort, der vor Denkmalen mit weit älterer Baugeschichte nur so strotzt, hat auch er eine wichtige, historische Aussage: Er hat Schloss Wissen und seinen landwirtschaftlichen Betrieb ins 20. Jahrhundert geführt.
Denkmal Trafoturm
Für den behördlichen Denkmalschutz sind Transformatorenhäuser als Zeugnisse der industriellen Entwicklungsgeschichte der Regionen von Bedeutung. So stehen 119 von ihnen in Hessen unter Denkmalschutz, in Baden-Württemberg etwa 160 und in Sachsen sogar 335. Einige sind nicht als Einzeldenkmale gelistet, sondern als Bestandteile eines Ensembles, zum Beispiel Transformatorentürme auf Hofanlagen oder Trafohäuser auf Schulhöfen. In Form und Materialien bemerkenswerte Exemplare seien darunter, sagen die Denkmalschützer. Manche sehen aus wie Staffagebauten in Parkanlagen, es gibt Türme mit neugotisch getreppten Giebeln, viele kleiden sich im Heimatstil.
Nicht ohne Grund: Ende des 19. Jahrhunderts sorgten sich die Heimatverschönerungsvereine bei der aufkommenden Versorgung mit Elektrizität und den sich damit vermehrenden Leitungen und Transformationsstationen sehr um das Orts- und Landschaftsbild und um die „Pflege der Bauschönheit, die Erhaltung der Schönheit der Heimat“. Man forderte, dass in Form und Material Rücksicht auf die vorhandene Umgebung zu nehmen sei und regionaltypische Baustoffe bevorzugt verwendet werden sollten – was schließlich 1907 per preußischem Gesetz geregelt wurde.
Pflege der Bauschönheit
Das erklärt die Formenvielfalt der Transformatorenhäuser, ihre gewalmten Dächer, Gesimse, das Fachwerk und die Schindelfassaden. Noch nach 1945 nahmen die Heimatpflegevereine Einfluss auf die Gestaltung. Doch die Prioritäten änderten sich, Versorgungsbauten wurden nicht mehr nach ästhetischer Hinsicht geplant. In Zeiten der regenerativen Energie haben die Stromversorger mit anderen Problemen zu kämpfen, als auf Krüppelwalmdächer zu achten. „Die Netzbetriebe werden immer weiter kommunalisiert“, erklärt Michael Sonfeld, jahrzehntelang bei einem großen Strombetreiber zuständig für die Erschließung von Strominfrastruktur. An der Stadtgrenze enden mittlerweile die Zuständigkeiten und mit der privaten Erzeugung von erneuerbarer Energie „läuft der Strom zudem in beide Richtungen“. Ästhetische Erwägungen spielen in dieser Gemengelage keine große Rolle mehr.
Transformatorenhäuser nennen sich mittlerweile intelligente Netzstationen. Sie stimmen digital Stromverbrauch und -erzeugung und schwankenden Bedarf aufeinander ab. Sonfeld beschäftigt sich in zweierlei Hinsicht mit Stromtransformation: mit der Überführung der Strominfrastruktur ins 21. Jahrhundert und mit der Umwandlung der Elektrifizierungsdenkmale durch Nachnutzung, denn seit etwa 20 Jahren ist er Beauftragter für Turmtransformation. Ein außergewöhnliches Programm seines Arbeitgebers, das zum Beispiel ein Teil der gesparten Abrisskosten von Türmen Übernahmewilligen zugesteht.
Angefangen hatte Sonfelds Interesse, als bestürzte Schützenbrüder bei ihm, dem Zuständigen, über den unangekündigten Abriss des Trafoturms in ihrem Ort klagten: Der Turm sei Landmarke und Wegweiser gewesen, dem Dorf fehle seine Markierung. Wie groß die Gefahr ist, dass die Trafotürme mehr und mehr verschwinden, zeigen auch zahlreiche Translozierungen in Freilichtmuseen. Sonfeld will es gar nicht so weit kommen lassen: Er möchte den Orten ihre Türme erhalten.
Transformationen
Das Transformatorenhaus von Gut Dubkevitz in Ummanz ist für Rügen ein besonders frühes Beispiel. Es wurde 1913 im Rahmen der Elektrifizierung des Guts erbaut und adaptierte dessen barocke Formensprache. Mit der Restaurierung 2021, die die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützte, wurde es für den Vogelschutz eingerichtet. Brut- und Tierschutzräume für Vögel und Fledermäuse stellen die häufigste Nachnutzung von Trafotürmen dar. Sie dienen aber auch als Cafés, als Kinder-Spielturm, als Bücherschrank, E-Bike-Ladestation, für kleine Museen und als Kioske.
Gut vernetzt – die Türmer
Mit anderen bildet Sonfeld das Netzwerk der Türmer: den Verein Turmtransformation e. V. Ein Netzwerk, in dem die Mitglieder Hinweise über zum Verkauf angebotene Türme austauschen, aufgespürte Türme listen und Tipps zur Nutzung stillgelegter Türme geben. „Zu über 90 Prozent“, so schätzt Sonfeld, „werden aufgegebene Trafotürme zu Naturstationen umgewandelt.“ Für ihn ist das die sinnvollste Nutzung. In den Tierhotels siedeln sich Fledermäuse, Eulen und andere Tierarten an. Im besten Fall werden Kindergarten- und Schulkinder an das Thema Natur- und Artenschutz mit Hilfe der Türme herangeführt. Mit ihrer Arbeit, mit der Aufmerksamkeit, die sie für die Kleinarchitekturen erzeugen, leisten die Vereinsmitglieder aktiven Denkmalschutz, auch und gerade für Türme, die nicht unter Denkmalschutz stehen.
Daniela Kinkel ist auch Gründungsmitglied bei den Türmern, mit denen sie die Faszination für diesen Gebäudetyp teilt. Woher diese kommt? Sie überlegt: „Erst nach meinem Kunigunde-Projekt erzählte mir mein Vater kurz vor seinem Tod, dass er meine Mutter das erste Mal vor dem heimatlichen Trafoturm in Sundern-Stockum geküsst hat.“ Natürlich ist sie zu diesem Turm gefahren, hat ihn in ihre Fotosammlung von Trafotürmen aufgenommen und 2023 dort auch direkt das jährliche Türmer-Symposium organisiert. So unscheinbar sie bisweilen sein mögen, Trafotürme tragen Geschichte – persönliche wie industrie-historische.
Beatrice Härig
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Sie haben in monumente-online 2025/1 darüber informiert, dass Personen in ehemalige Transformator-Stationen eines Stromversorgers eingezogen sind.
Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.
Vor Jahrzehnten wurde in diesen Transformator-Stationen aus Unwissenheit oft Asbest verbaut, z.B. in Form von Platten.
Beim Bearbeiten von Asbest, z.B. Bohren oder Sägen, wird gefährlicher Asbest-Staub freigesetzt, der leider nicht selten zu Krebs, z.B. Lungenkrebs, führte.
https://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/asbest.php
Vielleicht sollte man auf diesen Zusammenhang hinweisen, bevor noch andere Menschen in eine Transformator-Station einziehen wollen.
Vielen Dank für den Hinweis. Bei den gezeigten Umbauprojekten wurde jeweils sehr genau überprüft, ob in den Gebäuden Asbest oder andere gefährliche Stoffe verbaut wurden.
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