Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Stile und Epochen Barock Ausgabe Nummer Februar Jahr 2025 Denkmale A-Z J

Denkmal in Not

Ein schwerer Schatz im Gailachtal

In der bayerischen Altmühlregion droht die einzigartige Architektur der Jurahäuser zu verschwinden. Dagegen wehrt sich ein Verein und rettet in Mörnsheim zwei besonders kostbare Exemplare.

Gelangt man von Norden hinunter nach Mörnsheim ins Gailachtal, führt einen der Weg vorbei an aktiven und an stillgelegten Steinbrüchen, an historischen Abraumhalden und eindrucksvollen Felsformationen. Es ist eine Gegend ganz ­besonderer Art, die so gar nicht dem Klischee des ­üppig-zünftigen Bayerns entspricht. Die Landschaft ist eher karg, aber auch idyllisch. Hier wird der weltweit exportierte Solnhofer Kalkstein abgebaut und das schon seit Jahrhunderten. Die Orte sind davon geprägt – auch das beschauliche Mörnsheim. Dort gibt es noch ein kleines Quartier von erhaltenen Steinbrecherhäusern. Erst vor Kurzem wurden sechs der ­Gebäude vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege als national bedeutsam eingestuft. Alle sind in desolatem Zustand. Zwei möchte der Jurahaus-Verein jetzt retten.

Trotz Baugerüst gut erkennbar: die typische stämmige Form des Jurahauses mit flach geneigtem Dach.
© Roland Rossner/DSD
Trotz Baugerüst gut erkennbar: die typische stämmige Form des Jurahauses mit flach geneigtem Dach.
Erfahrene Denkmalretter: Eva Martiny vom Jurahaus-Verein, Restaurator Uwe Graf und der Bauleiter Michael Hajek (links).
© Roland Rossner/DSD
Erfahrene Denkmalretter: Eva Martiny vom Jurahaus-Verein, Restaurator Uwe Graf und der Bauleiter Michael Hajek (links).
 



Vor den beiden eingerüsteten Häusern sind Eva Martiny, die Vorsitzende des Jurahaus-Vereins, Bauleiter Michael Hajek und Restaurator Uwe Graf zur Bau­besprechung zusammengekommen. Es geht hinein in die komplexe Baustelle, hinein in das 600 Jahre alte Haus im Kirchenweg 1 und seine Geschichte: „Wie wir durch dendrochronologische Untersuchungen wissen, stammt das Haus aus dem frühen 15. Jahrhundert“, erläutert Eva Martiny. „Es ist eines der ältesten noch erhaltenen Jura­häuser und typisch für die Altmühl­region.“ Für seinen Bau und das daran anschließende Jurahaus von 1723 nutzten die Menschen die Ressourcen aus der Umgebung, besonders den in den nahe ­gelegenen Steinbrüchen abgebauten Kalkstein. Sie verwendeten ihn unter anderem für den Mauerbau, für Treppenstufen, Fensterbänke oder als Bodenplatten. Platten aus ­dünnen Schichten dienten als Dachbelag. Bis auf die Kirche hatten fast alle Gebäude ein Kalksteindach. Heute gibt es nur noch sehr wenige.

Steinschwere Last


„Wegen Einsturzgefahr musste 2016 die alte Dachbedeckung abgetragen werden“, bedauert Eva Martiny. „Jahrzehntelang standen die Häuser leer und mussten notgesichert werden.“ Ihre Lage im Schatten des Burgbergs hatte mangels Pflege und Nutzung zu starker Durchfeuchtung geführt. Metertief waren die Gebäude auf der Rückseite in angeschwemmter Erde versunken – mit gravierenden ­Folgen für das Ensemble. Durch Feuchtigkeitsschäden, Pilzbefall und Setzungen geriet das Fachwerk buchstäblich aus den Fugen und lief ­Gefahr, unter der Last des Dachs in die Knie zu gehen.

Noch ist es massiv verfallen und stark beschädigt: das rund 600 Jahre alte Jurahaus im Kirchenweg 1.
© Roland Rossner/DSD
Noch ist es massiv verfallen und stark beschädigt: das rund 600 Jahre alte Jurahaus im Kirchenweg 1.

Den am Hang gelegenen Stalltrakt konnte der Jura­haus-Verein nicht mehr retten. 2023 hatte er das Denkmalensemble übernommen. „Einige unserer Mitglieder haben Erfahrung mit ruinösen Baudenkmälern. Wir lassen uns nicht schnell abschrecken, insbesondere, wenn es sich um so wertvolle Gebäude handelt“, sagt die langjährige Vereinsvorsitzende Eva Martiny. Das beweist das kleine, sehenswerte Jurahaus-Museum im 20 Kilometer entfernten Eichstätt. Eingerichtet hat es der Verein in einem verloren geglaubten Handwerkerhaus, das er für diesen neuen Zweck instand setzte. Vor Erwerb der Immobilie führte er dort wie in Mörnsheim ein denkmalpflegerisches Vorprojekt inklusive statisch-konstruktiver Untersuchung, res­tauratorischer Befundung und Kostenermittlung durch. Parallel dazu engagierten sich viele der Mitglieder bei wichtigen praktischen Arbeiten. In mehreren Aktionstagen befreiten die ehrenamtlichen Helfer den alten Nutzgarten von Gestrüpp, entfernten im Hausinneren hartnäckigen Zementputz und Unmengen Heraklitplatten von den Wänden.


„Was zum Vorschein kam, sind wahre Bauschätze“, sagt Restaurator Uwe Graf, der den Verein auch schon bei der Restaurierung des Eichstätter Jurahauses begleitete. „Wir fanden bauzeitliche Bohlenbalken­decken nicht nur in der Stube, viele spätmittelalterliche Wände, einen Hausbrunnen im Kellerboden, die original erhaltene Rußküche und andere kostbare Baudetails.“ Auch die typische Grundstruktur des Jurahauses erkennt man noch deutlich: breit gelagert, schlicht und schnörkellos, die Fenster klein und nahezu quadratisch. Dicke Bruchsteinmauern und Fachwerk aus mächtigen Eichen- und Fichtenbalken trugen einst das schwere Dach mit geringem Überstand. Im Erdgeschoss hinter der Wohnstube findet sich noch heute die gemauerte Rauchküche. Und noch einen Raum weiter – angrenzend an den Selbstversorgergarten – lag der Stall für den Ochsen oder das Pferd, mit dem die schweren Karren aus den Steinbrüchen gezogen wurden.

Gestapelter Meeresboden: Die Jurahäuser und ihre Steindächer

Schicht auf Schicht: Millionen Jahre alte Kalkplatten liegen auf den flach geneigten Dächern der Jurahäuser über­einander, die noch bis in die Nachkriegszeit die Landschaft der Altmühlregion prägten.

Gebaut wurden Jurahäuser seit dem Mittelalter aus dem, was die Menschen in dieser bayerischen Region in der Natur in Mengen vorfanden: Holz, Lehm und – das ist die Besonderheit – Plattenkalk und Juramarmor. 

Eine Handwerkskunst,  die vom Aussterben bedroht ist: das Dachdecken mit Kalkplatten und Harnickeln.

Bis heute wird dieses Gestein des Altmühljuras, das vor rund 150 Millionen Jahren aus Kalkablagerungen in einem Urmeer entstand, in Steinbrüchen auf der Hochebene oberhalb des Tals abgebaut. In einem Radius von circa 25 Kilometern, den die Steinbrecher an einem Tag mit beladenem Ochsenkarren zurücklegen konnten, entwickelte sich die Jurahauslandschaft geografisch sehr begrenzt. Die Verbreitung des abgebauten Kalksteins jedoch ging weit über die Grenzen Bayerns hinaus. Als berühmter Solnhofer Naturstein – benannt nach einem der Orte, an dem er abgebaut wurde – fand er als Bodenplatte, Mauerstein oder Lithografiestein Verwendung. Für die Jurahäuser wurden die Plattenkalke als Dachdeckung genutzt – gestapelt in fünf bis sieben Schichten übereinander, ohne anders befestigt zu sein. Nur so genannte Harnickel, unregelmäßig gespaltene Rundhölzer unter den Kalksteinplatten, verhindern ihr Abrutschen. Ansonsten halten die dünnen Steinplatten nur durch ihr Eigengewicht auf den flachen Dächern, die einen Neigungswinkel von etwa 30 Grad aufweisen. Um das tonnenschwere Steindach mit seinem mächtigen Dachstuhl zu tragen, ist das Jurahaus in massiver Bauweise errichtet. Fast alles für den Bau dieser Häuser und ihrer Dächer erfolgt nach wie vor in Handarbeit. Das beginnt im Steinbruch, wo ausschließlich manuell möglichst große Platten aus dem geschichteten Gestein herausgearbeitet werden können. Und setzt sich auf dem Dach fort, wo die Steine von den Dach­deckern eingepasst werden. Diese Technik beherrscht nur noch eine Handvoll Dachdeckerfirmen. 2021 wurde der Erhalt der handwerklichen Praxis der Jurahäuser in die deutsche UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Im Museum Das Jurahaus in Eichstätt lässt sich besichtigen, was an einem Jurahaus so spannend und einzigartig ist.
© Roland Rossner/DSD
Im Museum Das Jurahaus in Eichstätt lässt sich besichtigen, was an einem Jurahaus so spannend und einzigartig ist.
 

Kleine Wunder


So behutsam wie möglich sollen die historische Substanz und die Vergangenheit bewahrt werden. Wie aufwendig und kompliziert das ist, lässt sich an den Holzarbeiten erleben. Gerade sind zwei Zimmerleute dabei, den spätmittelalterlichen Dachstuhl zu ertüchtigen. Schwitzend heben sie einen neuen, gewaltig schweren Eichenbalken in die Höhe und verzapfen ihn mit einer Holzstütze. So steht man – vor Bewunderung staunend – in dem kunstvollen Stecksystem aus überwiegend ­alten und einigen neuen hellen Hölzern. „Unsere Handwerker vollbringen wahre Wunder. Wir hatten hier gefühlt schon mehrere Operationen am offenen Herzen“, sagt Bauleiter Michael Hajek. Auch er besitzt in Mörnsheim Jurahäuser, hat sein Büro im nur 100 Meter ­entfernten historischen Kastenhof und war bei den ­vielen komplizierten Rettungsaktionen sofort zur Stelle. Tragende Ständer wurden gerade gerückt, morsche ­Balken Stück für Stück ersetzt, ausbauchende Fachwerkwände wieder in Form gebracht.

In der Wohnstube haben sich eine spätmittelalterliche Bohlenbalkendecke und viele historische Putzschichten erhalten.
© Roland Rossner/DSD
In der Wohnstube haben sich eine spätmittelalterliche Bohlenbalkendecke und viele historische Putzschichten erhalten.

Man sieht: Die Restaurierung nimmt Formen an. Aber man sieht auch, dass noch enorm viel zu tun ist, bevor das Ensemble als Wohnhaus mit uriger Ferienwohnung genutzt werden kann, so wie es der Verein plant. Ein besonders großer Schritt auf diesem Weg wird geschafft sein, wenn im Frühjahr die von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz geförderte Kalkplattendeckung auf das Dach aufgebracht ist. Danach geht es an die notwendige Fassadensanierung mit Sicherung der historischen Putze. Auch dabei möchte die Stiftung helfen.

Was ihre Spende bewirken kann


  • Traufplatte: je Stück 25 €
  • Kalkplatten für das Dach: 1 qm - 90 €
  • Dachdeckung: 1 qm -160 €

(beispielhafte Bruttokosten)

© Roland Rossner/DSD
 


Dem Verfall trotzen


Der Verein ist nicht nur ein überaus vorbildlicher Denkmalbesitzer. Seit seiner Gründung 1984 setzt er sich mit seinen rund 750 Mitgliedern auf verschiedenste Art beharrlich dafür ein, die Reste der Jurahauslandschaft zu erhalten. Die Mitglieder erfassen den Bestand, beraten die Hauseigentümer und betreiben Bildungsarbeit mit einer eigenen Fachzeitschrift und ihrem Museum in Eichstätt. In der Altmühlregion existieren heute noch rund 3.000 Jurahäuser. Tendenz sinkend. „Wir erleben eine Abbruchwelle, die die Verluste der 1960er und 1970er Jahre womöglich übertrifft“, so Eva Martiny.

Indem er die massiv geschädigten, leer stehenden Jurahäuser in Mörnsheim unter seine Obhut genommen hat, beweist der Jurahaus-Verein umfassendes Engagement, für das ihm Dank und Anerkennung gebührt. Er rettet damit ein Stück wertvoller Geschichte und ein Stück wunderbarer ländlicher Architektur, das ohne ihn wohl weiter verfallen wäre. Sein Mut und sein Einsatz verdienen auch Ihre Unterstützung!


Amelie Seck


https://www.denkmalschutz.de/denkmale-in-not


Jurahaus-Ensemble

Kirchenweg 1 und 2

91804 Mörnsheim


In der bayerischen Altmühlregion droht die einzigartige Architektur der Jurahäuser zu verschwinden. Dagegen wehrt sich ein Verein und rettet in Mörnsheim zwei besonders kostbare Exemplare.

Bitte retten Sie mit uns die

Jurahäuser in Mörnsheim

Das bauzeitliche Fachwerk mit seinem Lehmflechtwerk zu bewahren, wird arbeitsintensiv und zeitaufwendig sein.
© Roland Rossner/DSD
Das bauzeitliche Fachwerk mit seinem Lehmflechtwerk zu bewahren, wird arbeitsintensiv und zeitaufwendig sein.
 


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