Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Stile und Epochen 1925 1900 Ausgabe Nummer Februar Jahr 2025 Denkmale A-Z B
Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wird in Jesteburg das Wohnhaus des Künstlers Johann Michael Bossard restauriert. Dabei kam im Sommer ein seit über 100 Jahren verschollenes Monumentalgemälde zutage.
Der Dachdecker traute seinen Augen nicht, als er die ersten alten Ziegel von den Sparren gehoben hatte und durch die Öffnung etwas Licht ins Innere drang. Im Halbdunkel fiel sein Blick auf ein bemaltes Stück Leinwand. Es war nicht das einzige. Als die Nische unterm Dach leer geräumt war, hatten sich 26 eingerollte Bilder gefunden, überwiegend Teile eines in Breite und Höhe 18 x 5 Meter messenden Gemäldes, dessen Schöpfer Johann Michael Bossard es 1907 mit dem Titel „Tatkraft“ bedacht hatte. Seit mehr als einem Jahrhundert hatte kein Mensch es mehr gesehen.
„Das passiert einem nur einmal im Leben“, sagt Heike Duisberg-Schleier. „Das ist für uns eine Riesenchance. Wir haben uns wahnsinnig gefreut.“ Seit 2020 leitet Duisberg-Schleier das Museum Kunststätte Bossard in Jesteburg. Hier an Hamburgs südlichem Stadtrand hatte der gebürtige Schweizer 1911 drei Hektar Heide und Wald erworben, um seine Vision einer von Kunst durchwirkten Welt Gestalt annehmen zu lassen.
Es entstand ein spektakuläres Ensemble. Zunächst Bossards Wohn- und Atelierhaus im regionaltypischen Stil des norddeutschen Hallenhauses. Hinzu kam der Kunsttempel im üppig ornamentierten Stil des Backsteinexpressionismus der 1920er Jahre, ein „Ort innerer Ruhe und Einkehr für den müden Heidewanderer“, so Bossard. Die Innenräume beider Gebäude sind mit Malereien bedeckt. Draußen auf dem Gelände steht eine Skulpturenreihe. Was Bossard vorschwebte, war ein Gesamtkunstwerk, die Symphonie aus Architektur, Plastik, Malerei und umgebender geformter Landschaft. Seit 1926 wirkte seine fast drei Jahrzehnte jüngere Frau Jutta an dem Projekt mit.
Bossard war ein Künstler, der mit seiner Zeit haderte. Er fühlte sich einer in den Jahren um 1900 breiten kulturpessimistischen Bewegung verbunden, die gegen die rasante Industrialisierung und den gesellschaftlichen Wandel im damaligen Deutschland aufbegehrte. Ihre Vertreter lehnten die Moderne in all ihren Erscheinungsformen ab, fremdelten mit den Ideen der Aufklärung, strebten zurück in vorindustrielle Lebenswelten. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begrüßte Bossard. Sein Werk ist von völkischem Gedankengut geprägt. Viele seiner Motive schöpfte er aus einer imaginierten germanischen Vorzeit und dem altnordischen Sagenschatz. Hünenhafte Männer, mütterliche Frauen und blonde Kinder bevölkern auch das jetzt wiederentdeckte Großgemälde.
Im Februar 1908 war es erstmals in der Aula der Hamburger Kunstgewerbeschule, einige Monate später in der Großen Berliner Kunstausstellung zu sehen. Die Kunstzeitschrift „Neue Revue“ widmete damals Bossards Werk einen Aufmacherartikel. In den Jahren 1909 und 1910 wurde das Großgemälde noch weitere Male in Chemnitz, Danzig und in Zug, der schweizerischen Heimatstadt des Künstlers, gezeigt. Seither galt es als vermisst.
Jutta Bossard, die ihren Mann nach dessen Tod 1950 um fast ein halbes Jahrhundert überlebte und diese Zeit der Pflege seines Andenkens weihte, hatte an den Artikel aus der „Neuen Revue“ eine handschriftliche Notiz geheftet: „Ist eingelagert, Kunststätte.“ „Die Kollegen haben alle Verschläge, alle Schuppen durchgeschaut“, erinnert sich Heike Duisberg-Schleier. „Das Bild blieb verschollen.“
Aufgefunden wurde es jetzt, nach ihren Worten, „in erstaunlich gutem Zustand“. Die Restaurierung dürfte einer ersten Schätzung zufolge gleichwohl einen sechsstelligen Betrag kosten. Für Herbst 2025 plant das Museum eine Sonderausstellung der wiederentdeckten Teile des Gemäldes.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz verbindet eine längere gemeinsame Geschichte mit der Kunststätte in Jesteburg. Bereits 2005 förderte sie die Renovierung der Fenster und Türen in Wohnhaus und Kunsttempel, 2018 die Festigung des von Feuchtigkeit geschädigten Mauerwerks, seit 2023 die Erneuerung des Daches und die Renovierung des Wintergartens am Wohnhaus, die voraussichtlich bis 2025 abgeschlossen sein soll. Die Sanierung der Innenräume steht noch aus. Die denkmalpflegerische Sorge gilt, wie die Museumsleiterin formuliert, einem „der wenigen Gesamtkunstwerke in Europa, die im Original erhalten sind“. Dieses sei zudem ein Erinnerungs- und Lernort der Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Winfried Dolderer
Kunststätte Bossard, Jesteburg
Bossardweg 95
21266 Jesteburg
Förderjahre: 2005, 2018, seit 2023
aktuelle Maßnahme: Restaurierung Außenhülle
Spendenkennwort: Kunststätte Bossard
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Wir möchten Ihnen Kircheneinrichtungen vorstellen, an denen mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz erste Konservierungsarbeiten durchgeführt werden. Unsere Stiftung hofft auf Ihre Unterstützung, damit das wertvolle Kunstgut vollständig restauriert werden kann. Außerdem möchte sie weitere Ausstattungen versorgen, die immer noch auf Rettung warten.
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