Denkmalarten Archäologie Ausgabe Nummer Dezember Jahr 2024 Denkmale A-Z R
Ausgrabungen helfen, die Vergangenheit besser zu verstehen. In Mainz half ein Ziegelstein, die Geschichte des römischen Theaters neu zu schreiben. Doch was für Jahrhunderte geschützt im Boden lag, muss unter freiem Himmel aufwendig konserviert werden.
Manchmal genügt ein Stein und die Geschichte einer Stadt muss umgeschrieben werden. In Mainz ist es ein flacher, roter Ziegel. Mit Millionen solcher Ziegel haben Roms Legionäre die Großbauten des Imperiums errichtet. Sie durchziehen wie ein rotes Band die Mauern spätantiker Thermen, Tempel und Theater. Und doch ist der Mainzer Ziegel eine Rarität. Von 1.000 Ziegeln, die für öffentliche Bauten gebrannt wurden, schätzt Daniel Geißler, wurden vielleicht ein oder zwei gestempelt. „Das markierte sie als Staatseigentum“, erklärt der Mainzer Archäologe, „und das hilft uns heute bei der Datierung der Bauwerke.“
Ein Ziegel schreibt Geschichte
Auch am Mainzer Jakobsberg stecken die roten Flachziegel in den Fundamenten des einst größten römischen Theaterbaus nördlich der Alpen. „Ohne die statische Funktion dieser Ziegellagen hätten die Zuschauerränge nicht auf die Höhe von 30 Metern emporsteigen können“, sagt Geißler und deutet hinauf zum Kreuz über dem Giebel der Luther-Kirche, die den Jakobsberg überschaut. „Wir haben ausgerechnet, dass die obersten Ränge, das waren die Plätze der einfachen Leute, bis dort oben hin reichten.“ Die gleiche Höhe hatte die Theaterwand, die das Halbrund des Zuschauerraums zu den nahe gelegenen Rheinauen hin abschloss. Geißler zeigt über den Mainzer Bahnhof Römisches Theater. „Das ist die doppelte Höhe der Bürobauten da drüben.“
Von all der Pracht sind 79 Pfeiler und einige konzentrisch zulaufende Mauern aus Opus caementitium erhalten, dem überaus standhaften römischen Gussbeton – und viele rote Ziegelsteine. Auf zweien wurde die Signatur „LEG XXII“ gefunden. Ein Glücksfall, sagt Geißler. Der Ziegel gehört zur Flörsheimer Gruppe Typ Boppard 1. Produziert wurde er von der 22. Legion, über 250 Jahre lang die Mainzer Hauslegion. Der Stempel sei nur in den Jahren 308 bis 310 in Gebrauch gewesen. „Damit fällt der Bau des Theaters in die Regierungszeit Kaiser Konstantins.“ Dieses Wissen verändert nicht alles, aber doch vieles.
Daniel Geißler ist Projektmanager Römisches Erbe bei der Stadt Mainz und hat die Ausgrabung des Theaters seit 1997 begleitet. Seit dem Bau des Bahnhofs 1884 und endgültig seit der Anlage des Zitadellenwegs 1914 war bekannt, dass im Hang die Fundamente eines klassischen römischen Theaters liegen. Für Jahrhunderte war die Ruine völlig aus dem Bild der Stadt verschwunden. Ihre Steine wurden in Kirchen, Klöstern, zuletzt in der Zitadelle verbaut. Erst 1997 legte die rheinland-pfälzische Landesarchäologie den ersten Pfeiler frei. Bis 2011 folgten viele weitere Pfeiler und einige konzentrisch auf die Bühne zulaufende Mauern.
Ein imperialer Bau für eine kleine Stadt
Und wie verändert das die Mainzer Geschichtsschreibung? Noch vor Jahren gingen Historiker davon aus, dass die Ursprünge des Theaters in die Frühzeit der Stadt fallen. Als der junge Feldherr und Stadtgründer Drusus 9 vor Christus nach einem Reitunfall starb, ließ sein Stiefvater Kaiser Augustus in der später sogenannten Siedlung Mogontiacum ein Ehrenmal errichten, das noch heute in der barocken Zitadelle steht. Weil für Drusus’ Andenken regelmäßig Militärparaden vor großem Publikum abgehalten wurden, so die These, diente das Theater als repräsentativer Versammlungsort für über 10.000 Besucher.
„Dank des Stempels wissen wir aber jetzt“, so Geißler, „dass es in der Spätphase des Römischen Reichs unter Konstantin errichtet wurde.“ Warum ein Großbau mit 10.000 Plätzen – größer als die Theater in Nordgallien oder Britannien –, obwohl Mogontiacum damals nur etwa 20.000 Einwohner hatte? In einer Stadt, in der es nicht mehr vier Legionen gab, sondern nur noch eine mit 6.000 Soldaten? Es sei kaum anzunehmen, erklärt Geißler, dass es in Mainz ein festes Theaterensemble gab. Umherziehende Schauspieltruppen werden volkstümliche Komödien oder Pantomimen aufgeführt haben. Wozu also der überdimensionierte Bau? Die Antwort ist: Konstantin hatte offensichtlich große Pläne am Rhein. In Trier ließ er die riesige Palastaula und die Kaiserthermen bauen. Rom fühlte sich sicher am Rhein. Es galt die Losung: „Think big.“
Das Theater und die DSD
Seit über 20 Jahren hilft die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) bei den Ausgrabungen und der laufenden Konservierung. Auch 2024 werden wieder 24.000 Euro zur Verfügung gestellt. „Wir schätzen die verlässliche Zusammenarbeit und den fachlichen Austausch sehr“, sagt Dr. Heike Otto, Generaldirektorin der GDKE. „Eine unverzichtbare Unterstützung für das römische Theater, aber auch viele andere Denkmale in Rheinland-Pfalz.“ Gern nimmt die DSD weitere Anträge aus dem Bereich Archäologie entgegen – bundesweit.
Im heutigen Mainz gibt es große Pläne für das römische Erbe als Touristenmagnet. Die 1981 im Rhein gefundenen römischen Kriegsschiffe werden vermutlich 2025 die Attraktion im neuen Museum für antike Schifffahrt. Der im Jahr 2000 gefundene Isis- und Magna-Mater-Tempel wird im Untergeschoss der Römerpassage präsentiert und das Vorfeld des Drusussteins auf dem Jakobsberg neu gestaltet. Nur um das Römertheater ist es nach den Ausgrabungen still geworden. Vielleicht auch, weil die Mainzer sich erst an den Gedanken gewöhnen müssen, dass sie mit der Pflege des Denkmals gewissermaßen Ewigkeitslasten übernehmen.
Denn im Unterschied zur Porta Nigra oder zu den Kaiserthermen in Trier gehören die römischen Relikte in Mainz nicht dem Land in Form der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), sondern der Stadt Mainz, die damit auch die finanzielle Hauptlast der Pflege und Präsentation trägt. Für den Erhalt stehen jährlich etwa 100.000 Euro bereit. Damit können im Schnitt vier Pfeiler konserviert werden. Wie aufwendig das ist, zeigen die roten Ziegel, die besonders unter der Witterung leiden. „Die zersplittern geradezu“, erklärt Geißler. „Sie waren von den Römern nicht wie frostsichere Dachziegel gebrannt worden, denn sie lagen ja geschützt im Gebäude.“ Ersatzziegel in dem Härtegrad und Format stellen nur wenige Manufakturen vor allem in Brandenburg auf Wunsch her.
Bislang dürfen Besucher nur in die Orchestra und in einen ursprünglich überwölbten Gang des Theaters (Parodos). Es gibt eine hölzerne Sitzreihe um das Orchestra-Halbrund für kleine Veranstaltungen. Wünschenswert ist ein archäologischer Park mit Parcours und ein Besucherzentrum mit Originalfunden vor Ort für die vielen Führungen, die schon heute angeboten werden. Doch dafür braucht es im Stadtrat ein „Think big“.
Rüdiger Heimlich
www.denkmalschutz.de/roemisches-theater-mainz
Römisches Theater
Zitadellenweg, 55131 Mainz
Der Info-Container am römischen Theater ist Dienstag und Freitag von 10.30 Uhr bis 17.30 Uhr geöffnet. Führungen bietet die Initiative Römisches Mainz an.
Anfragen für Sonderführungen an daniel.geissler@stadt.mainz.de
Johann Joachim Winckelmann beförderte die Wertschätzung der antiken Kunst und schuf die Grundlage für die Klassische Archäologie als Forschungsfach. 2017 jährt sich sein 300. Geburtstag.
Lange wurde vermutet, die berüchtigte Holsterburg habe auf einem unscheinbaren Hügel gestanden. Doch dann stellte sich ein mittelalterlicher Racheakt als Glücksfall für die Archäologen heraus.
In diesem Herbst jährt sich der einzige friedliche Umsturz in der deutschen Geschichte zum 35. Mal. Vor allem Kirchen boten Oppositionellen in den Jahren vor dem Mauerfall Schutz. Direkt nach der Wende half die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, neben vielen anderen Denkmalen auch die Monumente der Friedlichen Revolution zu bewahren – und tut dies bis heute.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz