Denkmalarten Öffentliche Bauten Städte und Ensembles Kurioses Stile und Epochen 2000 Nach 1945 Ausgabe Nummer August Jahr 2024 W
Wahrzeichen – der Begriff impliziert Authentizität und Ortsgebundenheit, denn Denkmale tragen lokale Geschichte in sich. Wie aber funktionieren Wahrzeichen-Kopien?
Von einer Welt in die andere spazieren – das können Mitarbeiter des Technologiekonzerns Huawei in der Nähe des chinesischen Shenzhen in ihrer Mittagspause. Vom Heidelberger Schloss sind es nur acht Minuten bis Paris, gefahren wird in einer Schweizer Bergbahn. Monumente aus zwölf europäischen Städten beherbergen Büros und Labore, in denen die digitale Zukunft der Welt entworfen wird, abgeriegelt von jedwedem realen städtischen Leben. Die europäische Baukunst soll dabei die kapitalistische Kreativität fördern. Repliken europäischer Städte und ihrer Wahrzeichen haben Tradition in Asien – Zeichen für Achtung und Bewunderung.
Aber nicht nur da: Der zweitgrößte Nachbau des Pariser Eiffelturms steht im chinesischen Tianducheng, der größte aber in Las Vegas, USA. Der in der Wüste von Nevada 1905 gegründeten Glitzerstadt macht keiner etwas vor, wenn es ums Ausleihen ferner Kulturen angeht. Da ist der Schritt nicht weit, um nach Florida zu schauen. Disney World ist der Inbegriff der Traumwelt namens Freizeitpark, in der sich Nervenkitzel durch Fahrgeschäfte und das Wohlfühlen in putzigen Nachbauten fremder Länder vereinen.
Kulissen als Traumwelten
„Fremde oder exotische Reiseziele in einer kontrollierten und sicheren Umgebung zu erkunden“, sagt Jakob Wahl, dafür böten die Parks die Möglichkeit. Wenn einer weiß, wie Freizeitparks funktionieren, dann er als Präsident des IAAPA, der Weltorganisation der Vergnügungsparkbetreiber. Ansässig ist die Organisation in – na klar – Orlando, nicht weit entfernt von eben jenem berühmtesten aller Vergnügungsparks: dem Walt Disney World Resort. Das Resort umfasst neben Wasserparks, mehreren Golfplätzen, einem Einkaufszentrum auch 27 Themenhotels und vier Themenparks. In einem der Themenparks, in Epcot, sollen, so war die Idee in den 1960er Jahren, modernste Technologien vorgeführt und gleichzeitig internationale Kulturen dargestellt werden.
Elf Nationen sind im Kreis um den zentralen See angeordnet, unter anderem auch Deutschland. Neben der typischen Architektur der verschiedenen Länder werden Kultur und Küche vermittelt – im Epcot-Deutschland darf das Oktoberfest nicht fehlen. Dazu ein Pavillon, in dem regelmäßig bayerische Volksmusik aufgeführt wird. Zum Schmunzeln? Nein, laut Jakob Wahl, denn „es ist ein wunderbares Beispiel für kulturellen Austausch. Viele der Darsteller sind tatsächlich Deutsche, die an Sonderprogrammen teilnehmen, und es ist fantastisch zu sehen, wie sie ihr Heimatland repräsentieren. Diese Tradition setzt den Geist des kulturellen Austauschs fort, wie er auf Weltausstellungen zu beobachten ist, und fördert globales Verständnis und Wertschätzung.“
Die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts sind nicht nur für Epcot als Vorläufer der Freizeitparks zu sehen. Sie trugen einen ähnlichen Gedanken in sich: die Welt auf einem Flecken zu präsentieren und mit neuesten Attraktionen zu locken, um damit, so Wahl, „ein Gefühl der Realitätsflucht zu vermitteln.“ Heterotopie nennt man das nach dem Philosophen Michel Foucault. Ein Ort außerhalb aller Orte, der nach eigenen Regeln funktioniert. Entsprechend werden die Kulturen ausgewählt, die in den Wohlfühloasen nachgebaut werden. Wahl: „So war der erste Themenbereich im deutschen Europa-Park Rust Italien, was die Reiselust der Deutschen nach Italien und ihre Wertschätzung der italienischen Küche widerspiegelt. Für Disney World sind beliebte Reiseziele wie Mexiko, Kanada oder Frankreich sinnvoller als etwa Nordkorea.“
Dabei arbeitet man mit einer trivialen, idealisierten Vorstellung einer Region, sozusagen einer Sonnenscheinvariante, bar aller sozialen Probleme. Es ist ein schmaler Grat, sich fremder Kulturen angemessen zu bedienen. Der Nachbau von Architekturen, in Form und Zusammenstellung oft sehr frei interpretiert, erscheint im Amüsierbetrieb recht unproblematisch. Denn jedem ist bewusst, dass es nur ein Original, nämlich das im Ursprungsland geben kann: Wahrzeichen und Denkmale definieren sich schließlich durch ihre Ortsbezogenheit und durch ihre Trägerschaft lokaler Geschichte. Importierte Tänzer aber – zum Beispiel die Afrikaner im entsprechenden Themenpark – werden schnell problematisch, weil sie das kritische Thema der kolonialistisch geprägten kulturellen Aneignung bedienen.
Die Kopie als Original
Dabei stellt sich die Frage: Wann wird die Kopie zum Original? Die besagte Afrikathemenwelt im Phantasialand in Brühl bei Köln ist von einem Künstlerdorf in Kamerun ausgestattet worden. Das Hotel Ling Bao im dortigen China Town errichteten asiatische Architekten mit originalen Handwerkstechniken und -materialien nach dem Stil der nördlichen Qing-Dynastie des 17. und 18. Jahrhunderts. Dutzende Container mit Baustoffen wurden verschifft, Probleme mit deutschen Bauvorschriften zu beiderseitiger Zufriedenheit gelöst. Es gilt als das größte chinesische Gebäude außerhalb Chinas. „Im Ganzen wollen wir kein Abbild, aber eine Hommage an die verschiedenen Kulturwelten erschaffen. Wir möchten eine Reise an - bieten“, sagt eine Sprecherin des Freizeitparks. Dass man sich dabei die Freiheit nimmt, Kulturen nach Gusto zusammenzubauen, sieht der einheimische Besucher deutlich im Themenbereich Berlin nebenan.
Leben im Unechten
Gründungsgedanke von Epcot, ein Akronym für Experimental Prototype Community of Tomorrow, war es, mit dem Einsatz modernster Technologien und Innovationen der amerikanischen Industrie eine avantgardistische Gemeinde zu schaffen, die als Musterbeispiel für fortschrittliches, städtisches Leben dienen sollte. Das ist in Disney World zwar nicht entstanden. Doch stellt sich die Frage, ob die Freizeitparks mit ihren unechten Umgebungen Vorbild für zukünftiges Wohnen werden. Mit der Hoffnung, Probleme der Realität einfach eliminieren zu können: „In ersten Aquarien gibt es bereits Roboterfische: künstliche Lebewesen, die für den Besucher immer präsent sind und Bedenken in Bezug auf Tierschutz zur Seite schieben“, erzählt Jakob Wahl.
Doch es gibt eben auch die Sehnsucht nach dem Original. Inklusive der Gefahr des Paris-Syndroms, bei dem die Realität von berühmten Sehenswürdigkeiten aufgrund überhöhter Erwartungen enttäuscht. Die sozialen Medien verbreiten geschönte Bilder – milliardenfach. Im österreichischen Hallstatt jedenfalls gibt es keine Enttäuschung durch die Realität, sondern durch die verzweifelten Anwohner: 2012 wurde in der chinesischen Provinz Guangdong eine Nachbildung des Ortes im Salzkammergut mitsamt kleinem Marktplatz, Kirchturm, pastellfarbenen Häuschen und See eröffnet – wovon die Hallstätter nur per Zufall erfuhren.
Ursprung dieser asiatischen Liebe zu Hallstatt ist wohl eine südkoreanische Filmserie, die zum Teil hier gedreht wurde. Der Ort ist in China so populär, dass viele das wahre Hallstatt sehen wollen. Und zwar solche Massen, täglich bis zu 10.000 Foto-Touristen, dass schließlich der Zugang über die Straßen reglementiert werden musste. Ein Beispiel für eine allgemeine Entwicklung: Die ersten europäischen Städte verlangen Eintrittsgeld – und werden selbst zu einer Art Freizeitpark. Ein schicksalhaftes Spiel von Original und Kopie. Beatrice Härig
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
Sie liegt etwas versteckt in einem engen Tal des Saynbachs: die älteste noch erhaltene Werkhalle, die als Eisenkonstruktion errichtet wurde. Von feingliedriger neugotischer Gestalt, hat sie nicht nur Industrie-, sondern auch Baugeschichte geschrieben. Hier gelang ab 1815 der Übergang zur industriellen Fabrikation.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
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