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Leben im Denkmal

Die Generationenaufgabe

Auf Gut Bendeleben in Thüringen zeigt die Familie von Arnim, dass Denkmalschutz und Landwirtschaft zusammenpassen. Das Gut steht für eine deutsch-deutsche Erfolgsgeschichte.

Traktoren und Mähdrescher rattern über den Hof und hinaus aufs Feld. Es ist Zeit für die erste Mahd. Die Fahrzeuge wirbeln auf dem nackten Lehmboden mächtig Staub auf. „Wenn es sehr trocken ist, sehe ich den Traktor in 50 Metern Entfernung nicht mehr, weil es so staubig ist“, sagt Felix Graf von Arnim, während er über den Hof von Gut Bendeleben zu seinem Büro im Uckermannschen Schloss geht. Zurzeit wird der Hof gepflastert. Denn gebaut wird auf dem Gut mit mehr als einem Dutzend Gebäuden eigentlich immer. Das Zentrum des Ensembles bilden das Inspektorhaus und das Uckermannsche Schloss. 


Es ist benannt nach Jacob Freiherr von Uckermann, der das Gut Ende des 18. Jahrhunderts im Barockstil umgebaut hat. Beide Gebäude stehen sich wie Zwillinge gegenüber und teilen die Anlage in zwei Bereiche: Im östlichen Teil mit Stallungen und Maschinenhalle wird Landwirtschaft betrieben. Der westliche Teil mit den alten Kornspeichern, Blumen­rabatten und einer Wiese in der Mitte ist den Mietern und Feriengästen vorbehalten. „Früher dachten wir, Landwirtschaft verträgt sich mit Mietern, Ferienwohnungen und Denkmalschutz nicht. Jetzt haben wir seit 15 Jahren Mieter und Probleme gab es eigentlich nie.“

Felix Graf von Arnim läuft über den Hof von Gut Bendeleben. Im Hintergrund das Inspektorhaus, das neue Schloss und das Uckermannsche Schloss (v. l. n. r.).
© Jens Schulze
Felix Graf von Arnim läuft über den Hof von Gut Bendeleben. Im Hintergrund das Inspektorhaus, das neue Schloss und das Uckermannsche Schloss (v. l. n. r.).

Felix Graf von Arnim leitet das Gut und das zugehörige Landwirtschaftsunternehmen. Bereits als Kind war er oft in Bendeleben zu Besuch. „Ich bin da so rein­gerutscht, weil ich Pferde und Trecker cool fand. Früh war klar: Der Felix macht das mal“, sagt der heute 41-Jährige. Seine Geschwister wohnen in München, London und Berlin, er selbst hat in Bayern, Berlin und Spanien ­Agrarwissenschaften und BWL studiert. „Doch mit einem Bein war ich immer schon in Bendeleben“, sagt der ­junge Mann. 2020 hat ihm sein Vater den Landwirtschaftsbetrieb mit dem denkmalgeschützten Gutshof in vorweg­genommener Erbfolge übertragen.


Geschichte einer Rückkehr


Felix Graf von Arnim schließt sein Büro auf. Auf dem Tisch liegen Ausmalbilder und Buntstifte für seine Kinder, wenn sie zu Besuch sind. „Die sind jede Woche neidisch, dass ich hierherfahren darf. Sie lieben die Tiere und die Freiheit.“ Der Landwirt kommt drei Tage die Woche nach Bendeleben, die restliche Zeit lebt er mit seiner Familie in München. Neben dem Schreibtisch hängt das Foto einer älteren Dame. „Das ist Tante Spatz“, sagt er. Eigentlich ist sie seine Adoptivgroßmutter, adelige Familiengeschichten sind eben oft kompliziert. Die Familie von Arnim stammt aus der Uckermark.


Tante Spatz alias Alexandra, Erbin von Gut Bendeleben, heiratete in die Familie von Arnim ein. „Sie hat als erste Frau in Jena Landwirtschaft studiert und hat dann hier auf Bendeleben Saatzucht betrieben“, erzählt ihr Enkel. 1945, als die Familie aus der sowjetisch besetzten Zone floh, nahm Alexandra ihr Saatgut mit nach München und setzte dort ihre Nutzpflanzenzüchtung fort. So hätte die Geschichte enden können, wären nicht die Wende und Claus Werner gekommen.

Im Treppenhaus des Uckermannschen Schlosses: Felix Graf von Arnim vor einem Gemälde aus dem Jahr 1943, das seine Großmutter Alexandra zeigt.
© Jens Schulze
Im Treppenhaus des Uckermannschen Schlosses: Felix Graf von Arnim vor einem Gemälde aus dem Jahr 1943, das seine Großmutter Alexandra zeigt.

Claus Werner steht in der modernen Maschinenhalle neben dem Uckermannschen Schloss und inspiziert mit einem der Mitarbeiter einen Traktor. Eigentlich ist der Landwirt schon in Rente: „Ich hänge mit Leib und Seele an diesem Hof.“ Claus Werner leitete 40 Jahre lang den landwirtschaftlichen Betrieb auf dem Gut und half schon als Kind auf dem Hof. „Damals hatten die Landarbeiter zwei Themen: Das waren der Zweite Weltkrieg und die Baronesse. Alexandra von Arnim hatte einen guten Ruf.“ 


Am Nikolaustag des Jahres 1990 fuhren er und ein Kollege deshalb nach München. „Mit dem Wartburg. Die Parkuhr hat uns die letzten Groschen gekostet“, erzählt er mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Der ehemalige LPG-Leiter und sein Mitarbeiter unterbreiteten der 86-jährigen Alexandra Gräfin von Arnim einen ungewöhnlichen Vorschlag: „Wenn Sie Gut Bendeleben zurücknehmen, dann verwalten wir es für Sie.“ Alexandra und ihr Adoptivsohn Thomas Graf von Arnim, der Vater von Felix, willigten ein.


Stück für Stück pachteten und kauften die von Arnims ihr eigenes Land zurück von der Treuhand. „So hätte kein normaler westdeutscher Landwirt ein Unternehmen betrieben“, sagt der Agrarökonom Felix Graf von Arnim heute im Rückblick. „Mein Vater ist Arzt. Er hat weiter in München gearbeitet und auf die Erfahrung der Leute hier gesetzt. Er wurde nicht enttäuscht.“ Durch neueste Technologien und Anbaumethoden war der Betrieb in Bendeleben immer einen Schritt voraus.

Claus Werner, ein Mitarbeiter und Felix Graf von Arnim in der Maschinenhalle.
© Jens Schulze
Claus Werner, ein Mitarbeiter und Felix Graf von Arnim in der Maschinenhalle.
Bendeleben von oben: Auf der Wiese in der Mitte stehen ein Taubenhaus im Fachwerkstil und das barocke Entenställchen mit Walmdach. Das neue Schloss gehört nicht mehr zum Gut.
© Jens Schulze
Bendeleben von oben: Auf der Wiese in der Mitte stehen ein Taubenhaus im Fachwerkstil und das barocke Entenställchen mit Walmdach. Das neue Schloss gehört nicht mehr zum Gut.
 


Das Credo von Claus Werner: Nicht die Leute abschaffen, Arbeit ranschaffen. „Das hat meine Einstellung zum Unternehmertum enorm geprägt“, sagt der Juniorchef heute. Zwar konnten nur acht von 60 Beschäftigten aus der Vorwendezeit gehalten werden, aber: „50 Prozent der Leute haben wir andernorts untergebracht“, schätzt Claus Werner. Die Menschen waren ein Glück für den Betrieb und das Denkmal, sagt Felix Graf von Arnim. „Zu DDR-Zeiten konnten die Leute immer alles. Solche Leute haben wir heute noch. Dadurch funktioniert es.“ Aktuell arbeiten zwölf Angestellte und drei Lehrlinge auf dem Gut.


Alte Gebäude und eine moderne Landwirtschaft


Felix Graf von Arnim legt sich mit seinem ganzen Körpergewicht in das große Rolltor am Schafstall und schiebt es auf. Das barocke Gebäude ist ganze 70 Meter lang und 14 Meter hoch, aber nur acht Meter breit. In der Mitte wird es von einer langen Reihe Stützen getragen. Dazwischen stehen Viehgatter. Stroh und Ziegenkot bedecken den Boden. Felix Graf von Arnim tippt an eine Stütze. Sie ist deutlich aus dem Lot, unten sogar aufgebrochen und scheint jeden Moment vom Steinsockel zu rutschen. „Das ist seit 30 Jahren so. Da wird mal jemand dagegengepoltert sein.“ Das Gebäude hatte sich bereits geneigt. Zuerst wurde das Walmdach repariert, jetzt werden nach und nach die Stützen geradegerückt.


Diese Sicherung wird von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) mitfinanziert. Der Landwirt deutet auf ein frisch gegossenes Betonfundament für den Sockel: „Das machen wir mit unseren eigenen Leuten. Eine Firma würde ein Vielfaches kosten. Wir brauchen die Förderung als Anschubfinanzierung. Die Betonplatte, die Elektrik finanzieren wir aus eigener Kraft.“ Ein Denkmal bietet nicht immer ideale Bedingungen für ein modernes Unternehmen. Doch jedes Gebäude auf Gut Bendeleben findet seine Nutzung. Der Schafstall soll weiterhin als Stall oder als Lager verwendet werden. „Die Familie von Arnim hat sich immer ­Gedanken gemacht, wie sie die Denkmale wirtschaftlich nutzen kann“, sagt Guido Siebert, über viele Jahre zuständiger Projektreferent der DSD. „So wünschen wir uns vorbildlichen Denkmalschutz.“

Dank der Notsicherung kann der Schafstall wieder betreten werden.
© Jens Schulze
Dank der Notsicherung kann der Schafstall wieder betreten werden.

Claus Werner steht auf dem Hof und schaut sich um: „Sie werden wohl kaum einen Privatbetrieb finden, der so ein Riesendenkmal nebenbei mitsaniert hat.“ Vor der Wende habe man Gebäude, die baufällig waren, kurzerhand abgerissen. „Und dann kam die Alexandra von Arnim und sagte, dass sie etwas aufbauen will.“ Das pittoreske Taubenhaus im Fachwerkstil, das einzustürzen drohte, restaurierte die Familie von Arnim, bevor sie das Land besaß, auf dem es stand. Um den Wiederaufbau kümmerte sich vor allem Felix Graf von Arnims Mutter Sabine. „Sie hat jeweils einen Plan gemacht, der uns finanziell nicht überfordert hat, den umgesetzt und dann das Gebäude mit Leben gefüllt“, erzählt Sohn Felix. So sind über 30 Jahre 16 Mietwohnungen, vier Ferienwohnungen und etliche Tagungsräume entstanden. „Das geht nur, wenn man eigene Leute hat, sonst ist das unbezahlbar, und weil die DSD und der Gebietsreferent des Landesamtes für Denkmalpflege, Nils-Albrecht Metzler, mit uns an einem Strang gezogen haben.“


Räume für Träume


Im ehemaligen Beamtenhaus, einem für das Barockdorf Bendeleben so typischen Fachwerkhaus mit Walmdach, werkeln die Zimmerer. Noch ein paar Handgriffe an der Treppe, dann kann auch diese Wohnung inseriert werden. „Die letzte war innerhalb von zwei Tagen weg“, erzählt Felix Graf von Arnim dem Zimmermann. Routiniert führt er letzte Bauabsprachen. Mit 41 Jahren ist Felix Graf von Armin bereits ein geübter Bauherr. Er öffnet die Haustür zur Straße hin. Gegenüber steht das alte Gasthaus von Bendeleben. „Darum kümmern wir uns, wenn der Schafstall fertig ist. Mein Traum ist eine eigene Brauerei.“ Hopfen ist eine Spezialkultur des Unternehmens, die schon über manche Jahre rettete, in denen andere Pflanzenkulturen schwächelten. Denkmalsanierung ist in Bendeleben Teil der Betriebskultur geworden und wird es bleiben, so der Gutsherr: „Wir bauen immer. Der Weg ist das Ziel. Wenn man das verinnerlicht hat, sieht man das auch entspannter.“ Die fortlaufende Instandsetzung des Gutes und des Barockdorfes Bende­leben möchte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz auch in Zukunft mit Ihrer Hilfe unterstützen. Iris Milde


www.denkmalschutz.de/gut-bendeleben

Gut Bendeleben

Schloßstraße 8

99707 Kyffhäuserland OT Bendeleben


Der Ort Bendeleben führt den Beinamen Barockdorf. 

Die Rokoko-Orangerie wurde ebenfalls mit Unterstützung der DSD restauriert.

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