Denkmalarten Kleine und große Kirchen Stile und Epochen 1700 Barock Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer August Jahr 2024 Denkmale A-Z S
Die Schelfkirche liegt lieblich zwischen den Schweriner Seen. Doch unter ihrem Dach hat sich lange unentdeckt Hausschwamm eingenistet. Eine Notsicherung stützt die technisch aufwendige Sanierung. Helfen Sie der vom Schaden überraschten Gemeinde, ihre Kirche zu retten.
Man hört ein gedämpftes Surren in der ansonsten stillen Kirche. Dann platzt ein kleiner Bohrer in zwölf Metern Höhe durch die Gewölbedecke. Putzteilchen fallen klimpernd am metallenen Baugerüstturm hinab, der inmitten der Vierung des barocken Kirchenraums steht. Oben sieht man Restaurator Matthias Bresien mit einem Skalpell Proben nehmen. Die markierten Stellen hatte er bereits zuvor mit einem Stabmikroskop untersucht. „Meine Arbeit war zu schauen, ob es in diesem Bereich, wo die Decke geöffnet werden muss, noch Befunde von Malerei oder dergleichen gibt. Das konnte ich jetzt erst mal ausschließen.“
Die 1713 fertiggestellte Schelfkirche im Nordosten Schwerins war der erste große nachreformatorische Kirchenbau Mecklenburgs und beherbergt heute noch die Gruft der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin. Erst vor wenigen Jahren wurde die Gruft restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der außergewöhnliche, kreuzförmige Grundriss des Zentralbaus wurde als Idealraum eines in sich abgeschlossenen protestantischen Predigtsaales konzipiert. Doch die Kirche ist in Gefahr.
Im Dachstuhl der mehr als 300 Jahre alten Kirche setzt Zimmerer René Linke erneut den Bohrer an. „Das Gewölbe ist ein nur drei bis vier Zentimeter dickes Tonnenkonstrukt aus Holz mit einem Putzträger aus Schilfrohr“, erklärt Architekt Rene Goethel, der neben Linke die Taschenlampe hält. „Das über diesem liegende Dachwerk hat schon so weit nachgegeben, dass der obere Punkt 20 bis 30 Zentimeter tiefer liegt, als er eigentlich sollte.“ Das sei eine Folge des von den Planern zur Bauzeit gewünschten weit auskragenden Traufgesimses.
Für das 18. Jahrhundert war das konstruktiv extrem aufwendig und die damaligen Bauleute versuchten, die komplexe Aufgabe durch eine Hängewerkskonstruktion zu lösen. „Diese rein gestalterische Funktion des Gesimses“, so Architekt Rene Goethel, „führte zu einem statischen Problem und dazu, dass die Kupferdachdeckung nicht vollständig dicht blieb.“ Aus den historischen Bauunterlagen geht außerdem hervor, dass es beim Kirchenbau zu Unregelmäßigkeiten und der Unterschlagung von Material gekommen ist, vor allem bei den Kupferplatten. Aufgrund von Sturmschäden konnte mehrfach Wasser eindringen und punktuell das hölzerne Dachwerk durchfeuchten. Immer wieder waren deswegen über die Jahrhunderte Reparaturen notwendig.
Zufallsfund im Dachstuhl
Eindringende Feuchtigkeit ist auch jetzt der Grund für die akut notwendige intensive Sanierung. „Das Problem ist der fortschreitende Hausschwammbefall“, so Architekt Goethel. Im Zweiten Weltkrieg hatte man die Kupferdachplatten für Kriegszwecke abgenommen und nur mangelhaft mit Dachpappe abgedichtet, was zu massiven Feuchteschäden führte. Erst 20 Jahre später sanierte man das Dach umfänglich und deckte es wieder vollständig mit Kupferplatten. Da entdeckte man den Hausschwamm und bekämpfte ihn.
Ende 2021 kam es bei einer Begehung eher zufällig zum erneuten Hausschwammbefund. „Wir wollten eigentlich weiter nach oben, um den Turm zu begutachten“, sagt die zuständige Kirchenbaubeauftragte Ute Reil-Romanski, „sind dann aber vom Schaden im Dachstuhl der Kirche überrascht worden.“ Der anwesende Holzschutzsachverständige hatte erklärt, auch den Dachstuhl auf dem Tonnengewölbe genauer untersuchen zu wollen.
Doch die Kirche verfügt nicht über Revisionsgänge für den Traufbereich. Deswegen musste er „wie ein Feuerwehrmann auf dem Eis“, so Küster Lothar Dornau, per Leiter vom Scheitelpunkt des mehrere Meter hohen Tonnengewölbes aus vorsichtig über die dünne Holzverschalung hinunter auf den Traufbereich gelassen werden. Dort sah er, womit niemand gerechnet hatte: Mehr als drei Viertel der tragenden Holzkonstruktion sind von Fäulnis erheblich geschädigt.
Sicherung durch die Eiffelturm-Drehsteife
„Das hat uns geschockt“, sagt der Küster. Und Reil-Romanski ergänzt: „Man konnte das nicht erahnen, weil der Schadensbereich einerseits nicht zugänglich war und andererseits es vor einigen Jahrzehnten ja eine Sanierung des Daches mit einer Neueindeckung gegeben hatte.“ Mit Dornau steht sie unter dem Gerüstturm der heutigen Notsicherung. Der Küster betreut seit über 35 Jahren die Schelfkirche. „Ich konnte gar nicht sprechen. Da wusste man in dem Moment auch nicht, ob wir die Kirche sofort sperren müssen oder ob sie noch hält. Das war dramatisch.“
Diese Bedenken konnten Goethel und der Statiker
Holger Haker ausräumen. Allerdings sei der historische Hausschwammbefall in den
letzten Jahrzehnten weiter fortgeschritten und habe einen Punkt erreicht, an
dem man dringend sanieren müsse. Teilweise seien schon ganze
Balkenquerschnitte komplett zerstört. „Da ist nichts mehr. Sie fassen das an
und haben das Material in der Hand“, ergänzt Goethel. Ungehindert geht Tag für
Tag unwiederbringliche historische Bausubstanz verloren.
Aufgrund des Hängetragwerks steht das Holz zudem extrem unter Spannung. „Die Arbeiten, die wir jetzt machen, diese Stützkonstruktion, sollen die zentralen Dach- und Deckenbauteile zusätzlich sichern“, erklärt Haker. Um an das Tragwerk heranzukommen, säge man die markierten Felder der Probebohrungen vorsichtig aus und setze hölzerne Druckstempel ein. Unter diesen sollen Hydraulikpressen vom Gerüstturm das Konstrukt sanft nach oben stemmen. Die Idee ist, dadurch die Außenpunkte des Dachtragwerks zu entlasten, um die vom Holzschwamm betroffenen Hölzer entfernen und reparieren zu können. „Im Grunde ist der Gerüstturm eine große Drehsteife, ein Hilfskonstrukt für die Sanierung“, so der Statiker.
Insgesamt werden auf diese Weise fünf Eiffeltürme – wie die Handwerker sie nennen – das Dachwerk der Schelfkirche stückweise nach oben bugsieren. Es ist dabei klar, dass der Kampf gegen den Hausschwamm schwierig ist. Deswegen ist es so wichtig, ihm die Feuchtigkeit zu entziehen und das Dach dichtzuhalten.
All diese Arbeiten müssen bei laufendem Betrieb stattfinden. Denn die Schelfkirche ist nicht nur ein offenes Gotteshaus mit rund 6.000 Gottesdienstteilnehmern pro Jahr, sondern auch eine Konzertkirche mit noch einmal doppelt so vielen Veranstaltungsbesuchern, wie Küster Dornau betont. Wie wichtig den Schwerinern ihre Schelfkirche ist, merkt eine ältere Dame an, die sich beim Verlassen der Kirche bei Dornau dafür bedankt, sie trotz der Arbeiten nicht zu schließen. Doch die Kosten für eine solch anspruchsvolle und behutsame Sanierung übersteigen das Budget der Kirchengemeinde.
Deswegen und aufgrund der kunsthistorischen Bedeutung der Kirche hat sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz dazu entschlossen, schnell die Notsicherung zu unterstützen und bei der weiteren Sanierung zu helfen. Unterstützen Sie mit Ihrer Spende die Rettung der Schelfkirche in Schwerin, die das Gottesdach dicht- und die Kirche die Menschen weiter zusammenhält. Stephan Kroener
www.denkmalschutz.de/denkmal-in-not
Ev.-Luth. Kirche St. Nikolai (Schelfkirche)
Puschkinstraße 2
19055 Schwerin
Die Kirche liegt im Stadtteil Schelfstadt, der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns.
Bitte retten Sie mit uns die Schelfkirche in Schwerin
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