Denkmalarten Technische Denkmale Stile und Epochen 1900 Ausgabe Nummer Juni Jahr 2024 Denkmale A-Z D
Den Wert von Denkmalschutz mit allen Sinnen erleben: MONUMENTE ist unterwegs mit der Mansfelder Bergwerksbahn in Sachsen-Anhalt und macht eine Zeitreise auf Schienen.
Schnaubend steht sie wartend auf einem der Hauptgleise des Benndorfer Bahnhofsgeländes. Die Dampflok 11 der denkmalgeschützten Mansfelder Bergwerksbahn heizt sich auf für die erste Fahrt des Jahres 2024. Schon eine halbe Stunde vor Abfahrt ist das Gleis voll: Familien, ehemalige Bergleute und Bahnfreunde warten auf den Einstieg. Das Gefühl gelassener Vorfreude mischt sich mit warmem Dampf, dröhnendem Pfeifen und kräftigem Geruch von Kohle und Feuer. Um zehn Uhr soll es losgehen. Das Besondere bei der Saisoneröffnung mit dem sogenannten Infozug: Auf gut elf Kilometern Strecke bewegen sich Gäste und Crew nicht nur gemächlich an Feldern, Wäldern und Relikten des ehemaligen Kupferschieferbergbaus vorbei, sondern werden an Stationen und Brücken mit Anekdoten und historischen Fakten rund um die Landschaft, den Bergbau und die Bahn informiert.
„Wir haben es hier mit einer Bergwerksbahn zu tun. Wildromantisch ist die Landschaft nicht“, sagt Thomas Fischer. „Aber spannend, denn sie ist geprägt durch 800 Jahre Bergbau.“ Die teils denkmalgeschützten Spitzkegelhalden werden aufgrund ihrer charakteristischen Kegelform übrigens auch Pyramiden des Mansfelder Landes genannt. Thomas Fischer führt die Gäste heute durch den Tag. Er ist selbstständiger Eisenbahnbetriebsleiter und eines der Gründungsmitglieder des Mansfelder Bergwerksbahn e. V. Nach der politischen Wende in Ostdeutschland wurde der Verein 1991 gegründet, um die Bahn vor der Schrottpresse zu retten, eine Teilstrecke des damaligen Mansfeld-Kombinates Wilhelm Pieck Eisleben betriebsfähig zu machen und für den sich entwickelnden Tourismus zu erhalten.
Fahrscheine bitte
122 Gäste haben sich ihr Ticket inklusive der handgeschriebenen Platzkarten mit Wagen- und Sitzplatznummer für die heutige Fahrt gesichert. Fein säuberlich werden alle händisch auf der Gästeliste gestrichen. „Damit am Ende keiner fehlt oder zu viel da ist“, sagt Steffi Graf. Normalerweise arbeitet sie im öffentlichen Dienst. An diesem Wochenende ist sie seit acht Uhr im Auftrag des Vereins am Gleis und auf dem Bahngelände unterwegs. Es befindet sich wenige Meter vom regulären Bahnhof Klostermansfeld und unmittelbar neben der denkmalgeschützten Bahnwerkstatt Mansfelder Lok- und Wagenwerkstatt, kurz MaLoWa. Seit 1882 werden in der Bahnwerkstatt Lokomotiven und Wagen restauriert – eine der wenigen Firmen, die diese fachliche Expertise noch besitzt. Die umfassende Restaurierung der Dampflok 11, die die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützte, stellte die weltweit tätige Werkstatt zusammen mit dem Verein bis zum Jahr 2022 fertig.
Den Spaß an Bahnen habe Steffi Graf seit ihrem „Schlupfdatum“ von Vater und Großvater geerbt. „Das ist wie ein Virus. Heilung ausgeschlossen.“ Offensichtlich auch ziemlich ansteckend. Ganz in blau gekleidet, teils
mit gelber Warnweste oder zierender Schirmmütze, ist das Team von über zehn Leuten aller Altersklassen an
diesem Morgen vertreten: Zug- und Lokführer, Gästebetreuer, Alleinunterhalter und Helfer. Gemeinsam machen sie die Museumsbahn bereit für den dreistündigen Ausflug durch die Haldenlandschaft. Insgesamt gibt es über 140 Mitglieder im Verein der Mansfelder Bergwerksbahn.
Dampf machen
Ohne die Dampflok 11, die 1939 in Betrieb genommen wurde, geht heute gar nichts. Mit einem durchdringenden Pfiff wird die angeheizte Lok vor die sieben tannengrünen Waggons gespannt. Drei von ihnen sind von der sächsischen Schmalspurbahn, die restlichen vier sind typische Mansfeldsche Wagen aus der aktiven Zeit des Kupferschieferbergbaus in der Schmalspur. Aus wirtschaftlichen und technischen Gründen hatte man sich damals für die schmale Spurbreite von 75 Zentimetern entschieden. Die Geschichte der Bahn startete 1880 als reine Industriebahn zum Transport von Kupferschiefer, Kohle, Hüttenkoks, Grubenholz und Schlackensteinen sowie zur Beförderung von Bergleuten – allerdings nur bis zum Jahr 1969. Mit der Schließung der letzten Hütten 1990 endete auch der reguläre Gütertransport auf der Mansfelder Bergwerksbahn. Wichtiger Bestandteil der Bergbau- und Hüttengeschichte bleibt sie dank des Engagements des Vereins.
Abfahrt
Mittlerweile haben alle ihren Platz gefunden. „Abfahrt!“, ruft Thomas Fischer. Er verschafft sich mit lauter Stimme und einer kleinen Glocke Gehör. Wieder pfeift die Lok, sie setzt sich langsam in Bewegung und rollt über die Schienen und durch die enge Bebauung von Benndorf vorbei an winkenden Anwohnern. Schnell ist der erste Halt erreicht. An der Station Bocksthal müssen die Gäste etwas tiefer herabsteigen: „Bitte rückwärtsgewandt aussteigen und dann hierher“, ruft Thomas Fischer damit sich die Teilnehmenden am historischen Stationshäuschen versammeln. Trotz des kleinen Abstieges ist Bocksthal die höchste Erhebung der Strecke: „255 Meter über dem Meeresspiegel“, erklärt er.
Ungewöhnliche Denkmale, denen wir helfen
In ihrer Entstehungszeit waren Bahnen, Schiffe und Flieger
revolutionär. Heute machen sie Technik- und Verkehrsgeschichte sichtbar. In der
Denkmalpflege fordern sie spezielles Know-how. Eine Auswahl unserer
Förderobjekte:
Potsdam, Brandenburg
Der Verein Historische Straßenbahn Potsdam e. V. macht seit 2005 das Verkehrsmittel Straßenbahn wieder erlebbar. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützte kurz nach der Vereinsgründung die Restaurierung eines Fahrgestells des historischen Straßenbahnfuhrparks.
Gersfeld, Hessen
1933 konstruierte Hans Jacobs (1907–1994), Luftpionier und
Konstrukteur, das einsitzige Segelflugzeug aus Holz: den Rhönbussard. Die DSD
half 2013 bei der Instandsetzung des seltenen Kulturdenkmals. Dieses Modell
wurde 1937 gebaut und wird noch heute vom Oldtimer Segelflugclub Wasserkuppe
geflogen.
Braunschweig, Niedersachsen
Die DSD förderte die Grundüberholung des Segelflugzeugs SB5c in Braunschweig. Der Flieger ist seit 2011 denkmalgeschützt und gilt als Bindeglied zwischen der alten Holzbauweise und der modernen Kunststoffbauweise.
Travemünde, Schleswig-Holstein
Von 1911 bis 1957 hat die Viermastbark Passat die Welt umsegelt, mittlerweile ist sie Museumsschiff und Wahrzeichen Travemündes. Mit der Jugendbauhütte Lübeck können Jugendliche im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres in der Denkmalpflege das historische Schiff als Einsatzstelle erleben und an der Restaurierung mitwirken.
Kiel, Schleswig-Holstein
Aktuell unterstützt die DSD Restaurierungsarbeiten am
Frischwassertank und den Fenstern des Salon-Motorschiffs MS Stadt Kiel, damit
Passagiere wieder die Fahrten mit dem Denkmal genießen können.
Lexow, Mecklenburg-Vorpommern
Aktuell unterstützt die DSD die Restaurierung einer historischen Kutsche. Die sogenannte Wagonette ist ein mobiler Teil der Hofanlage Kressin in Mecklenburg-Vorpommern. Es werden Chassis, Metall-, Holz- und Lederteile sowie Polsterungen saniert.
Neunkirchen, Saarland
Als
Teil eines Gesamtdenkmals hat die DSD anlässlich des Handwerkerpreises 2019 den
Sonderpreis für die Restaurierung eines VW-T1-Pritschenwagens vergeben, der zur
Ausstattung einer Maschinenbauwerkstatt im saarländischen Neunkirchen gehört. Mehr
zur Frage, ob auch Autos
unter Denkmalschutz stehen können, finden Sie in der Ausgabe 6.2023 auf Seite 41.
Neben der Erzählung über die wiederhergestellte historische Beleuchtung der Station, hält Fischer Abbildungen handgeschriebener Brückenbücher hoch. Auf der Strecke mit sieben Brücken musste in den Büchern festgehalten werden, ob diese tatsächlich tragfähig sind. Heute stellt neben den regulären Sicherheitsauflagen das extreme Wetter neue Herausforderungen an die Betriebsfähigkeit der Bahn und der Strecke und damit für die Sicherheit der Gäste. „Die Schienen werden teils aufgrund starker Sonneneinstrahlung bis zu 80 Grad heiß. Den Verzug des Materials müssen wir bei regelmäßigen Wartungen und im Betrieb immer im Blick behalten“, sagt Fischer.
Im Fahrtwind
Im Laufe der Fahrt erklärt sich das Prinzip des Pfeifens: 100 Meter vor jedem Übergang gibt die Bahn Laut und dann noch mal kurz davor. „Das ist wichtig. Falls etwas am Bahnübergang passiert, müssen wir den Zug angekündigt haben“, sagt Graf und weiß um die Bedeutung jedes einzeln Jobs an Bord: „Das Ehrenamt macht Freude, ist aber auch verantwortungsvoll.“ Von der Bremsprobeberechtigten zur Rangierbegleiterin bis hin zur Zugführerin hat sie sich ausbilden lassen. Heute ist sie nicht als Chefin vom Zug unterwegs, sondern betreut die Gäste in einem der Wagen. „Den Kaffee mit oder ohne Milch? Zwei grüne Limos und hier noch ein Mansfelder Bahnpils?“
Auf den Fahrten zwischen den Stationen sind die Gäste gut versorgt und sitzen in liebevoll restaurierten Waggons: Historische Beschilderungen und Beschläge, geschwungene Holzbänke mit fein gespannter Gepäckablage und große Fenster mit einem ledernen Riemen, die aufgerissen werden können. Nur so lässt sich die Nase bei 30 Kilometern Höchstgeschwindigkeit in den Fahrtwind stecken. Jedes Detail sitzt und funktioniert. „Das ist eben nicht irgendeine Coca-Cola-Dose auf Rädern. Unsere Fahrzeuge sind aufwendig und originalgetreu hergerichtet“, sagt Thomas Fischer.
Die Zeitreise mit den historischen Reisezugwagen führt über das Gleisdreieck Siersleben bis ins Paradies – der letzte Halt vor der Endstation ist auf dem ältesten, bereits 1880 eröffneten Streckenteil der Bahn. Den Erzählungen nach konnten hier ältere Bergleute an der frischen Luft und bei Tageslicht an Pflaumenbäumen gelagertes Holz bewachen. „Ein Paradies für Bergmänner eben“, sagt der Leiter des Infozuges. Vorbei an 100 Jahre alten Familienhalden – sie zeugen von einer Periode des Bergbaus mit vielen kleinen Betrieben – geht es weiter Richtung Eduardschacht und Kupferkammerhütte Hettstedt. In der Nähe sollen die Bergleute Napian und Neucke 1199 an einem Kupferberg den ersten Kupferschiefer der Region entdeckt haben.
Mit Antrieb voran
Mit geschichtlichen und technischen Hintergründen kennt sich auch Marcel Ulbrich aus. Er ist Lokschlosser, Wagenmeister, Sachverständiger, Vorstandsmitglied des Vereins und heute einfach Gast. Als Mitarbeiter der Bahnwerkstatt MaLoWa arbeitete er daran, dass die Dampflok 11 wieder auf die Strecke konnte. „Schraube für Schraube, Mutter für Mutter, Blech für Blech.“ Alle sechs Jahre finde eine Hauptuntersuchung für die Betriebssicherheit statt, bei der die Lok in ihre Einzelteile zerlegt wird. „Das sind in etwa 1.500 Parts, die gereinigt, befundet, vermessen und dann restauriert oder aufgefrischt werden müssen“, sagt er.
So eine technische Mammutaufgabe können nur noch wenige Fachkräfte bewältigen. Reizt in Zeiten der Digitalisierung den Nachwuchs dieses Thema überhaupt noch? Oder lockt die große, laute und schmutzige Technik gerade jetzt? Im Mansfelder Verein kann einer der Jüngsten auf der Bahn die Funktionsweise der Dampflok jedenfalls aus dem Effeff erklären. „Mir macht das einfach Spaß. Vor allem die roten Triebstangen, die die Lok antreiben, sind toll“, sagt der achtjährige Theo Montag. Er ist mit der Bahn aufgewachsen und liebt es, vorne beim Lokführer mitzufahren. Nur mit einer solchen Euphorie können mobile Denkmale weiter in Bewegung bleiben und Denkmalerlebnisse für alle Sinne bieten.
Treuhandstiftung:
Kultur auf Schienen
Gemeinsam mit Johann Müller und der DSD gründete Axel Zwingenberger 2006 die Stiftung Kultur auf Schienen, eine Treuhandstiftung in der DSD. Er möchte den Erhalt, die Restaurierung, Ausstellung und Wiederinbetriebnahme von Wagen der deutschen Nachkriegsgeschichte unterstützen.
Mittlerweile ist er Eigentümer einer beträchtlichen Sammlung historischer Schienenfahrzeuge, die er in Lutherstadt-Wittenberg pflegt. Seine Liebe zur Bahn lebt er seit seiner Kindheit und hält sie in Fotografien fest.
Interesse? Dann melden Sie sich gern unter stifter@denkmalschutz.de
„So einer Bahnfahrt kann man sich nicht entziehen. Unser Körper reagiert darauf“, sagt auch Thomas Fischer auf der Rückfahrt zum Bahnhof nach Benndorf über das Erlebnis in der ältesten betriebsfähigen Schmalspurbahn in Deutschland. Nach einem solchen Tag weiß man, dass es wichtig ist, diese einzigartigen Zeugnisse der Technik- und Verkehrsgeschichte zu bewahren: Unterstützen Sie uns dabei. Denn Bahnen, Schiffe und Flieger zeugen auf eindrucksvolle Weise vom Entwicklungsprozess der Gesellschaft und dem Schöpfergeist des Menschen, natürliche Kräfte in revolutionäre Erfindungen umzuwandeln.
Svenja Brüggemann
Bitte unterstützen Sie die Restaurierung
beweglicher Denkmale
Bildimpressionen von der Zeitreise auf Schienen im Mansfelder Land:
MONUMENTE reist durch Deutschland. Lernen Sie bei unseren Rundgängen Orte und Regionen kennen, die mit ihren Denkmalen besondere Geschichte geschrieben haben. In der neuen Reihe stellen wir Monumente und Menschen vor – und blicken immer auch hinter die Kulissen. Folge 1: Zerbst in Sachsen-Anhalt.
MONUMENTE ist in der heimlichen Hauptstadt des Weihnachtslandes unterwegs: in Annaberg-Buchholz im Erzgebirge. Weil dort fast alles mit dem Bergbau zu tun hat, erkunden wir den Ort nicht nur horizontal, sondern auch vertikal.
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wenn eine neue Ausgabe von Monumente
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