Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Stile und Epochen 1800 Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Juni Jahr 2024

Denkmal in Not

Retter und Reiter

Die Flutkatastrophe vor drei Jahren hat einen historischen Mühlenhof im Rheinland schwer beschädigt. Doch Eigentümerinnen und Reitergemeinschaft ließen sich nicht entmutigen und wehrten sich gegen den Abriss des alten Fachwerkhauses. Dessen Instandsetzung fördert jetzt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz.

Natürlich betritt man das Gelände des Mühlenhofs über eine kleine Brücke. Und natürlich ist dieser Anblick, wenn man dann das alte Fachwerkhaus erblickt, an Idylle kaum zu überbieten. Es ist ebenso banal wie immer wieder erschütternd, dass es vor knapp drei Jahren die kleinen Bäche und Flüsse waren, die über Nacht zu verheerenden Überschwemmungen geführt haben, mit deren Folgen bis heute gekämpft wird. So auch an der Erft in Nordrhein-Westfalen, einem gut 100 Kilometer langen Fluss, der bei Neuss in den Rhein mündet. In Lommersum, einem Ortsteil von Weilerswist und eine halbe Autostunde von Köln entfernt, befanden sich einst vier Mühlen. Für sie wurde von der Erft der Mühlenbach abgezweigt, der mehr oder weniger unmittelbar an den Höfen vorbeiführte. Der Mühlenhof von Klara und ihrer Tochter Helga Lagier ist einer davon. Sie betreiben seit Jahrzehnten einen Reit- und Pensionsstall mit Reithalle auf dem Gelände.

Auf dem Lommersumer Mühlenhof von Helga Lagier (links) hat Angelika Kohlgraf Reiten gelernt. Als sie von den Zerstörungen hörte, war sie sofort zur Stelle – und ist geblieben, um beim Wiederaufbau zu helfen.
© Roland Rossner / DSD
Auf dem Lommersumer Mühlenhof von Helga Lagier (links) hat Angelika Kohlgraf Reiten gelernt. Als sie von den Zerstörungen hörte, war sie sofort zur Stelle – und ist geblieben, um beim Wiederaufbau zu helfen.

„Hier war Land unter, aber am Morgen habe ich erst mal die Pferde versorgt. Nur der Stall war trocken geblieben“, sagt Helga Lagier. Sie, ihre Mutter Klara Lagier und ihr zwischenzeitlich verstorbener Vater bewohnten den historischen Fachwerkbau und einen neueren Anbau. Dass die Lagiers körperlich unbeschädigt davonkamen, verdanken sie ihrem Nachbarn. In der Flutnacht im Juli 2021 hatte er sie aus dem Schlaf geklingelt und zu sich in sein höher gelegenes Wohnhaus genommen, weil er die Flut kommen sah. 


„Bei der großen Lommersumer Schneeschmelze 1961 ist hier kaum was passiert“, sagt Klara Lagier, die mit ihren 97 Jahren schon einiges erlebt hat. Sie ist fassungslos, dass seit den 1980er Jahren ein Damm ein Neubauareal im früheren Schwemmgebiet schützt, dadurch aber die alten Mühlenhöfe den Erft-Hochwassern schutzlos ausgesetzt sind. Als klar war, dass nach der letzten Flutkatastrophe ihr Haus unbewohnbar war, bemühten sich Helfer um Wohncontainer, in denen beide Frauen noch bis heute leben.


Ihr Mühlenhof, seit vielen Generationen im Besitz der Familie, stammt im Kern wohl aus der Zeit um 1750. Derzeit wird vom Amt für Denkmalpflege im Rheinland die dendrochronologische Untersuchung durchgeführt. Von der historischen Hofanlage steht nur noch das Fachwerk-Haupthaus mit der Mühlentechnik. Das Mühlrad wurde 1937 restauriert, Helgas Vater baute es um 1960 ab. Im Zuge der kommunalen Gebietsreform Anfang der 1970er Jahre wurde dann der Mühlenbach um einige Meter vom Gebäude entfernt verlegt.

Wenige Meter vom Mühlenhof entfernt fließt der Lommersumer Mühlenbach, abgezweigt von der Erft. Weil ihm das Schwemmland fehlt, traf die Flut das alte Gebäude.
© Roland Rossner / DSD
Wenige Meter vom Mühlenhof entfernt fließt der Lommersumer Mühlenbach, abgezweigt von der Erft. Weil ihm das Schwemmland fehlt, traf die Flut das alte Gebäude.

Mehr als nur ein Haus


Das Mühlenhaus selbst ist ein lang gestreckter, zweigeschossiger Fachwerkbau. Die erftabgewandte Seite besitzt eine gemauerte Fassade, die noch nicht näher datiert ist. Die Fachwerkgefache sind überwiegend mit Stroh-Lehm-Geflecht ausgeführt. „Ob sie gehalten werden können, ist noch unklar“, sagt Dr. Karin Gehrmann, für NRW zuständige Referentin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD). Seit der Flut hat sie eine immense Zahl massiv geschädigter Bauten in Augenschein genommen und beurteilt. Sie kann Klara Lagiers Gefühl bestätigen: Es sei oftmals ungeschicktes Wassermanagement, das Hochwasserereignisse zu Katastrophen werden lässt.


Das Ausmaß dieser Katastrophe für den Lommersumer Mühlenhof zeigte sich, wie so häufig, erst im Laufe der Zeit. Zunächst war Helga Lagier damit beschäftigt, den Pferdehof als ihre wirtschaftliche Grundlage zu halten. Und das war segensreich: Reiter weisen einen Grad an Vernetzung und Solidarität auf, den man vielleicht so nicht erwartet hätte. Innerhalb weniger Wochen war der möglicherweise kontaminierte Sand in der großen Reithalle und auf den Außenstehplätzen der Pferde ausgetauscht. Auf Zuruf, weil jemand jemanden kennt.


Diese Fäden laufen zusammen bei Angelika Kohlgraf aus Blankenheim an der Ahr. Als Kind hat sie bei Klara Lagier Reiten gelernt. Seitdem ist sie pferdeversessen und ehrenamtlich im Pferdeschutz engagiert. Als sie vom verwüsteten Mühlenhof hörte, kam sie, um aufräumen zu helfen. Und sie blieb als ehrenamtliche Projektleiterin, als gut vernetzte Koordinatorin. Helga Lagier hatte ihr erzählt, dass man ihr geraten hatte, das alte Mühlenhaus aufzugeben. „Aber wenn sie das Haus hätte fallen sehen müssen, was hätte das mit Klara gemacht?“, fragt Kohlgraf. 

Die Hofhühner scheren sich nicht um die erhaltenswerte Kölner Decke.
© Roland Rossner / DSD
Die Hofhühner scheren sich nicht um die erhaltenswerte Kölner Decke.
DSD-Gebietsreferentin Dr. Karin Gehrmann konnte ihre Expertise schon bei vielen flutgeschädigten Denkmalen in NRW einsetzen.
© Roland Rossner / DSD
DSD-Gebietsreferentin Dr. Karin Gehrmann konnte ihre Expertise schon bei vielen flutgeschädigten Denkmalen in NRW einsetzen.
 

Von Fluteinsätzen an der Ahr kannte sie Herbert Hofer, einen denkmalerfahrenen Architekten aus Trier. Mit ihm und ausgestattet mit dem Vertrauen der beiden Eigentümerinnen geht sie nun die Rettung der historischen Mühle an. Diese ist vielschichtig, denn zum Schutz vor weiteren Hochwasserereignissen müsste das Gebäude mit einer Bodenplatte neu gegründet werden. In jedem Fall müssen das Fachwerk und die Ausfachungen mit ihrer Außenbekleidung instand gesetzt werden. Gleiches gilt für die Deckenbalken und ihre Füllungen. Im Erdgeschoss sind es Kölner Decken, deren vollständige Verputzung mit abgerundeten Ecken trotz allem immer noch gut erkennbar ist.


Auch die Mühltechnik mit Mahlstuhl, Hebe- und Wechselgalgen und dem schweren Mühlstein im Obergeschoss ist erhalten, zudem eine Vielzahl historischer Sättel. Wenn die Instandsetzung des Fachwerkgebäudes mit Förderung der DSD gelungen sein wird, könnte man sich hier eine reizvolle Mischung aus öffentlich zugänglichen Bereichen mit Kaffee und Kuchen für die Reiter und Spaziergängern vorstellen sowie eine interessante Sammlung von Objekten, die die Geschichte des Hofes illustrieren. Denn der hat eine besondere landschaftsprägende und regionalgeschichtliche Bedeutung als eine der letzten erhaltenen Mühlen am Lommersumer Abschnitt der Erft. Auch hauskundlich und technisch bietet das Gebäude einiges an historischen Informationen, die nicht verloren gehen sollten. „Es steckt so viel Energie, so viel Können in einem alten Gebäude“, sagt Hofer.


Aus Respekt für die Geschichte


Der Architekt sensibilisiert jetzt schon dafür, dass man die verschiedenen Epochen der Mühle sichtbar machen müsse. Seit das Mühlrad entfernt und die erftseitige Hauswand unten zugemauert wurden, gingen hier Kinder auf Reiterfreizeiten ein und aus. „Gelebte 70er Jahre“, wie es Angelika Kohlgraf nennt und noch aus eigener Erfahrung kennt. Auch das sei für nachfolgende Generationen interessant. „Welche Zeitschiene will man sichtbar machen?“, überlegt Hofer. Das alles hat natürlich noch Zeit, bis auch die grundlegende Instandsetzung der Giebel aus Ziegelmauerwerk abgeschlossen sein wird.

Architekt Herbert Hofer und Helferin Angelika Kohlgraf beraten die Eigentümerinnen sorgfältig und mit viel Respekt für den Mühlenhof.
© Roland Rossner / DSD
Architekt Herbert Hofer und Helferin Angelika Kohlgraf beraten die Eigentümerinnen sorgfältig und mit viel Respekt für den Mühlenhof.

Hierbei möchte Hofer, unterstützt von der DSD, möglichst einfach und mit viel Respekt für die Qualität und die Identität der Lommersumer Mühle vorgehen. Die Mittel sind begrenzt, sodass er ökologisch und nachhaltig für wenig Energieverbrauch planen wird. Den beiden Eigentümerinnen ist das recht. Sie hoffen sehr, dass das Fachwerkhaus wieder bewohnbar wird. Auch wenn der 97-jährigen Klara Lagier ein wenig Ungeduld anzumerken ist: „Der Neubau hat mir nie viel bedeutet. Das alte Mühlenhaus, das war schön, das war der Mittelpunkt und unser Zuhause.“


Die DSD ist froh über die beherzte Rettung des Hauses, das der Familie bis zuletzt als Wohnhaus diente. Bitte helfen Sie uns und Familie Lagier, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Mit Ihrer Hilfe können wir jetzt und in den nächsten Jahren die umfangreiche Instandsetzung des Hauses bewältigen.


Julia Greipl


www.denkmalschutz.de/denkmal-in-not

Denkmal in Not

Bitte retten Sie mit uns den 

alten Mühlenhof in Lommersum

Sprossenfenster mit grünen Läden inmitten des zerstörten Mühlenhaus-Fachwerks. Seit der Flut von 2021 werden sie von einer Notsicherung fixiert.
© Roland Rossner / DSD
Sprossenfenster mit grünen Läden inmitten des zerstörten Mühlenhaus-Fachwerks. Seit der Flut von 2021 werden sie von einer Notsicherung fixiert.
 

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