Denkmalarten Kleine und große Kirchen Schlösser und Burgen Wohnhäuser und Siedlungen Öffentliche Bauten Ausgabe Nummer August Jahr 2023
Historische Orte und Gebäude sind mehr als alte Mauern mit Erklärtafeln. Sie sind Zeugen der Vergangenheit, Symbole des Wiederaufbaus. Und manche wurden zu Hoffnungsträgern für eine friedliche Zukunft. Neben den Zeitzeugen sorgen sie dafür, dass die Schrecken des Krieges nicht in Vergessenheit geraten.
Aachen, eine Stadt mit reicher historischer Vergangenheit. Zu Himmelfahrt sitzen hier alljährlich im Krönungssaal des Rathauses rund 700 überzeugte Europäerinnen und Europäer. Würden- und Karlspreisträger, Erwachsene und Jugendliche.
In diesem Jahr müssen sie sich mehr als eine Stunde lang und nach umfangreichsten Sicherheitskontrollen still gedulden, bis sie endlich Wolodymyr Selenskyj stehend und mit langem Beifall begrüßen können. Er empfängt hier nicht nur Applaus, sondern den renommierten Karlspreis, eine Auszeichnung, die Personen für ihre außergewöhnlichen Beiträge zur europäischen Einigung und zum Frieden würdigt.
Der ukrainische Präsident Selenskyj – und mit ihm sein ganzes Volk – erhielt den diesjährigen Preis inmitten des seit 2022 andauernden Konflikts. Aachens geschichtsträchtige Innenstadt diente als Kulisse für diesen wichtigen Moment und sendete das tröstliche Signal, dass selbst in Zeiten eines Kriegs in Europa Frieden und Zusammenarbeit möglich sind – in der Stadt Karls des Großen wie an vielen anderen Orten.
Kriege bringen viel Leid und Zerstörung über ganze Nationen. Doch selbst in den dunkelsten Stunden von Furcht stehen sie auch für Hoffnung: die historischen Gebäude, die als stumme Zeugen dienen und gleichzeitig Symbole eines möglichen Friedens sind. Bemerkenswerte architektonische Werke erzählen Geschichten von Zerstörung, Wiederaufbau und Menschlichkeit. Sie alle leisten so ihren Beitrag dazu, dass aus dem Schatten von Kriegen wieder Frieden treten kann.
Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift auf Herrenchiemsee, die Friedensstadt Münster, die Marienkirche in Rostock und weitere Förderprojekte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) mögen als Beispiele dafür dienen, welche Rolle historische Gebäude spielen und wie sie das Vertrauen auf einen Frieden verkörpern können.
Mahnmale der Erinnerung
Orte und Gebäude sind jedoch nicht nur Schauplätze von Friedensverhandlungen und -gebeten, sondern auch Mahnmale, die besonders eindrücklich an die Kriegsgräuel erinnern. Im März 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, wurden bei Warstein im Kreis Soest 280 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beim Fluchtversuch von der Waffen-SS und der Wehrmacht innerhalb von drei Tagen erschossen. Grabungen in den Jahren 2018/19 brachten Erkenntnisse darüber, wo genau die Opfer ermordet und verscharrt wurden. Die gefundenen Habseligkeiten ermöglichen es nun, die Getöteten aus der Anonymität zu holen und als Individuen wahrzunehmen. Die DSD fördert und unterstützt diesen wichtigen Ort der Erinnerung in Nordrhein-Westfalen.
Orte der Hoffnung
Obwohl der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg von vielen Ländern als dringende Aufgabe erkannt wurde, kamen die Entscheidungsträger nicht überall und immer zu den gleichen Lösungen im Umgang mit den Kriegsruinen. In vielen Fällen wurden die Überreste zerstörter Gebäude als stumme Mahnmale bewahrt, um an die Schrecken des Krieges zu erinnern und als beschwörende Zeichen für zukünftige Generationen zu dienen. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist die Johanniskirche in Würzburg.
Sie ist eines von zahlreichen Denkmalen, deren Erhaltung die DSD genau deshalb fördert. Reste der im Zweiten Weltkrieg zerstörten evangelischen Bischofskirche von 1895 wurden als Mahnmal belassen und 1956/57 mit Nachkriegsarchitektur von Reinhard Riemerschmid ergänzt. Die 60 Meter hohen, schlanken Kirchentürme nehmen die Turmruine geradezu schützend in ihre Mitte. So ist die Würzburger Johanniskirche ein Zeugnis der Zerstörung und zugleich ein wichtiger Ort der christlichen Hoffnung.
Zuversicht konnte auch da keimen, wo nach den Verwüstungen des Krieges evangelische Geflüchtete und Vertriebene in der Minderheit waren, aber nicht weniger der Seelsorge bedurften. Für sie entwarf der Architekt Otto Bartning nach dem Zweiten Weltkrieg standardisierte Notkirchen in ganz Deutschland (siehe auch Artikel: Denkmale der Nachkriegsmoderne). Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland unter der Bauabteilungsleitung von Otto Bartning ermöglichte den Bau neuer Kirchen.
Neu waren sie in jeder Hinsicht. Denn das Notkirchenprogramm setzte auf ein vorgefertigtes Holzskelett. Das Mauermaterial sowie die Ausstattung konnte jede Gemeinde selbst bestimmen. So gleicht keine Kirche dieses Programms der anderen. Teilhabe und Selbstermächtigung sind in Zeiten großer, auch spiritueller Not sicher ein wichtiger Schlüssel für friedvolles Zusammenleben. Die Restaurierung der Friedenskirche von 1949/50 im niederbayerischen Neufahrn wird von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in diesem Jahr gefördert.
Orte friedlicher Zusammenkünfte
Die Instandsetzung eines ganz anderen Objekts als Gedenk- und Erinnerungsstätte begleitet die DSD aktuell: In Lorenzkirch an der Elbe trafen im April 1945 vor dem Haus der Familie Weidner amerikanische und sowjetische Soldaten in friedvoller Absicht zum Handschlag aufeinander. Von diesem Moment gibt es ein Foto, das einen Tag vor einem ähnlichen und berühmteren Bild elbaufwärts in Torgau entstand. Das lange leer stehende Wohnhaus soll nun zu einem kleinen Bildungsort ausgebaut werden. Zusammen mit Torgau können die Erinnerungszeichen entlang der Elbe in die grenzübergreifende Liberation Route Europe integriert werden.
Dass sie zu Denkmalen werden würden, an denen die Nachwelt die Schrecken von Kriegen und die Hoffnung auf Frieden würde ablesen können – das war zum Zeitpunkt des Geschehens kaum abzusehen. Rathäuser und Kirchen, Bahnhöfe, Brücken oder Schlösser und Wohnhäuser sind ja nicht an sich gut oder schlecht. Aber manchmal werden sie zur Kulisse für bahnbrechende Ereignisse oder auch zur Zielscheibe kriegerischer Handlungen.
Für uns, die wir in überwiegend friedlichen Zeiten leben, sind Denkmale gleichzeitig Appell und Warnung. Idealerweise wirken sie als Botschafter des Friedens. Sie sind Symbole der Hoffnung und des Zusammenhalts und können uns dazu inspirieren, durch den Blick auf die Geschichte in eine bessere Zukunft nach vorn zu schauen. Auch deshalb fördert die DSD ihre Erhaltung. Für künftige Generationen, als gefährdete, steinerne Mahner.
Der Dampfer legt an, die Passagiere steigen aus, und nach einem kurzen Blick auf die Orientierungstafeln entscheiden sie sich für den Weg nach links. Es lockt sie das Neue Schloss, der weltberühmte, unvollendete Prachtbau des bayerischen Königs Ludwig II. auf Herrenchiemsee. Dabei gäbe es geradeaus, fast direkt beim Anleger, auch ein Schloss zu sehen, ein fertiggestelltes sogar, das sogenannte Alte Schloss. Dessen historische und politische Bedeutung Besuchern und Bürgern nahezubringen, hat sich die von der DSD und dem Bayerischen Kultusministerium unterstützte denkmal aktiv-Gruppe des Ludwig-Thoma-Gymnasiums in Prien vorgenommen.
„Hier kann man sehen, wie ein quasi verlorener Staat nach dem Krieg wieder neu anfangen konnte. Mir war das vorher so nicht klar, obwohl ich in der Nähe wohne. Auch ich kannte nur das Neue Schloss“, erzählt Adrian Wanderl aus dem Seminar in der elften Jahrgangsstufe von Lehrer Andreas Hauptmann. Er hat im Rahmen von denkmal aktiv, dem Schulprogramm der DSD, nicht nur erfahren, dass das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift zwischenzeitlich König Ludwig als Schloss diente. Sondern auch, dass 1948 – drei Jahre nach Kriegsende – dort 30 Politiker und Juristen zusammenkamen, um die Zukunft der entstehenden Bundesrepublik Deutschland vorzubereiten.
Hier auf der Herreninsel, fast in Sichtweite des Priener Gymnasiums, steht also die Wiege der deutschen Demokratie. Vom 10. bis zum 23. August 1948 fand hier der Verfassungskonvent statt. Er schuf die Grundlage für die im Jahr darauf in Bonn verabschiedete deutsche Verfassung.
Für die denkmal aktiv-Gruppe und die von ihnen durchs Schloss geführte siebte Klasse von Lehrerin Hannah Losert ist dieses wichtige und oft übersehene Denkmal ein offenes Geschichtsbuch. Was sich hier ablesen lässt, fasst Andreas Hauptmann so zusammen: „Feudal- und geistliche Herrschaft, Säkularisation und Machtmanifestation in den Gebäuden, ja sogar Industrialisierung bei der Einrichtung einer Brauerei in der ehemaligen Kirche“.
Den Lehrer und seine Schüler, an deren Schule seit mehr als einem Jahr ukrainische Kinder unterrichtet werden und die in der Sporthalle eine Unterkunft gefunden haben, fasziniert gerade auch die jüngere Geschichte. „Was mir klar geworden und für mich bis jetzt das Wichtigste ist: Menschenwürde ist so schön, so ungeheuer wertvoll, für jeden von uns“, sagt Schülerin Lisa Buchner, die sich mit dem ersten Artikel der Verfassung beschäftigt hat.
Es ergibt sich für die Schüler sogar die einmalige Gelegenheit, die Vorbereitungen zur neuen Verfassungsausstellung im Denkmal zu begleiten. Luisa Guggenbichler, ebenfalls Schülerin, ist dankbar für die Chance, in die Geschichte eintauchen zu können. Sie sagt, sie könne sogar einen Beitrag dazu leisten, Bewusstsein zu schaffen für die vielschichtige historische Bedeutung dieses Ortes.
Die Geschichte der Stadt Münster ist untrennbar mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges verbunden, der Europa im 17. Jahrhundert verwüstete. Hier wurde 1648 der Westfälische Friede verhandelt, der Wendepunkt in der Geschichte des kriegsgebeutelten Kontinents. Ein Symbol für Frieden ist, so wie in Aachen, das Rathaus der Stadt. Sein Friedenssaal dient heute zum Beispiel als Tagungsort für die G7-Außenminister. Während wieder Krieg in Europa herrscht, versammeln sie sich an diesem Ort in friedvoller Absicht, um globale Herausforderungen im Dialog zu bewältigen.
Hohe Diplomatie und bürgerschaftliches Engagement
Nicht nur das Rathaus, sondern auch Münsters Innenstadt mit dem berühmten Prinzipalmarkt im Zentrum erinnern daran, dass selbst aus den Ruinen des Krieges eine bessere Zukunft entstehen kann. Denn von 1939 bis 1945 hinterließen insgesamt 102 Luftangriffe einen Stadtkern, dessen Bauten zu 90 Prozent beschädigt waren – ein erheblicher Teil davon schwer oder gar zerstört. Seinen Wiederaufbau entschied und organisierte die Bürgerschaft selbst. Münster wurde so zu der Stadt, in der Erinnerungskultur trotz oder sogar wegen der fast kompletten Zerstörung im Zweiten Weltkrieg eine bedeutende Rolle spielt.
„Münster ist ein sehr wichtiger Standort für Europa, eine Stadt, die ein Sinnbild für Zusammenhalt und Friedensstiftung ist. Auch der Tag des offenen Denkmals stellt einen wichtigen Impuls für den europäischen Kulturgedanken dar, der uns alle verbindet“, sagt Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der DSD. Die Stiftung organisiert jedes Jahr den bundesweit stattfindenden Tag des offenen Denkmals, der hier am 10. September 2023 mit einer großen Feier eröffnet wird.
Zwei Jubiläen in einem Fest
Vor 30 Jahren wurde der Tag des offenen Denkmals zum ersten Mal in Deutschland begangen. Der Westfälische Friede hingegen begeht 2023 bereits sein 375. Jubiläum. Gleich zwei gute Gründe, gemeinsam zu feiern.
Bauliche und historische Zeugnisse, die für die Beendigung verheerender Kriege und die Überwindung ihrer Folgen stehen, öffnen dazu ihre Tore. Dazu gehört auch das Krameramtshaus, wenige Schritte vom Prinzipalmarkt mit seinem Rathaus entfernt. Das bedeutende Zeugnis der Renaissancebaukultur war Versammlungshaus und Lagerort der Kramergilde und wurde zum Ort der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden, als es die niederländische Delegation beherbergte. Während des Wiederaufbaus diente es als Notkirche für die Lamberti-Kirchengemeinde. Heute ist es das Haus der Niederlande der Universität Münster und damit Symbol für die historisch gewachsene, nie selbstverständliche und bis in die Gegenwart sehr aktive Verbindung zu den westlichen Nachbarn.
Am Tag des offenen Denkmals wird unter anderem das Krameramtshaus zur Schaubaustelle. Hier führt die DSD aktuelle Fördermaßnahmen vor. Restauratoren und Handwerker lassen sich während ihrer denkmalpflegerischen Arbeit über die Schulter blicken. Denkmale leisten so ihren Beitrag zur Erinnerungskultur – in Münster, der Stadt des Friedens, und überall da, wo die baulichen Zeugnisse der Vergangenheit erhalten und gepflegt werden.
Friedliche Revolution, Wende – es hat sich etabliert, die atemberaubenden Ereignisse im Herbst 1989 so selbstverständlich zu verkürzen. Aber was steht dahinter? Friedensgebete haben eine große Rolle gespielt, Kirchen waren die Orte, in denen sie stattfinden konnten. MONUMENTE hat mit Bundespräsident a. D. Joachim Gauck gesprochen, der seinerzeit Stadtpfarrer an der Rostocker Marienkirche war. Schon seit vielen Jahren unterstützt die DSD die Anstrengungen zur Erhaltung der Kirche und ihrer Ausstattung.
MONUMENTE: Wie haben Sie die friedliche Revolution 1989 wahrgenommen?
Joachim Gauck: 1989 war ich Mitglied der Bürgerbewegung Neues Forum, deren Sprecher ich in Rostock war. Was als Protest- und Erneuerungsbewegung begann, entwickelte sich dann zu einer veritablen friedlichen Revolution.
Waren Sie sich damals sicher, dass es eine friedliche Revolution bleiben würde?
Für die Demokratiebewegung galt die Losung „ohne Gewalt“. Das war zugleich auch ein Appell an die Machthaber, ihrerseits auf Gewalt zu verzichten. Sicher konnten wir allerdings nicht sein, und sehr viele hatten zunächst noch Angst, sich aktiv zu beteiligen.
Wie konnten Sie für die Fürbittandachten in der Rostocker Marienkirche einen sicheren Raum bieten?
Die Marienkirche als größte Rostocker Kirche war als Hauptversammlungsraum wichtig, weil wir ja keinerlei andere Räumlichkeiten nutzen durften. Den Kirchen im Land kam somit eine wichtige Rolle zu. Hier wurde Orientierung geboten, den Menschen Zuversicht vermittelt und es wurden neue Ziele entwickelt, die dann in Demonstrationen auf die Straße getragen wurden. Im Herbst 1989 waren dann einfach so viele Menschen aktiv, dass der Staat in die Defensive geriet.
Was gab Ihnen das Gefühl von Sicherheit und Frieden – obwohl Sie die Staatssicherheit angriffen?
Als wir, wie es in der Marienkirche geschah, unserer Angst den Abschied gaben, erkannten wir, dass Selbstbestimmung auch für uns möglich sei. Viele der Kirchen im Osten sind seit 1989 nicht nur von kirchengeschichtlicher Bedeutung, sondern auch wichtige Orte der Freiheits- und Demokratiegeschichte Deutschlands.
Auch kleinste Beträge zählen!
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz