Denkmalarten Kleine und große Kirchen Stile und Epochen Romanik Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer April Jahr 2023 Denkmale A-Z D
In Dahnsdorf im Fläming steht die einzige ehemalige Deutschordenskirche in Brandenburg. Zeitgeist und moderne Raubzüge haben ihr schwer zugesetzt. Heute bemühen sich die Dahnsdorfer, ihre Kirche vor dem Verfall und dem Vergessen zu bewahren. Auch dank Ihrer Hilfe kann dieses Vorhaben gelingen!
Massiv erhebt sich der rechteckige Feldsteinturm über die Dächer von Dahnsdorf. Mit seinen knapp 22 Metern ist er einer der höchsten im brandenburgischen Fläming südwestlich von Potsdam. Ein schmaler Pfad führt an ihm vorbei über den grasbewachsenen Kirchhof zur seitlichen Eingangstür der Kirche. Mit zehn Metern nimmt der Querturm die gesamte Breite der 32 Meter langen spätromanischen Kirche ein. Sie wirkt wie eine Trutzburg oder Wehrkirche. Doch der Schein trügt. Zu den Füßen der knapp anderthalb Meter dicken Turmmauern steht ein schmächtiger Bauzaun. Seit vor fünf Jahren einer der wuchtigen Feldsteine aus dem Turmgiebel fiel, soll er die Besucher und Passanten vor herabfallenden Gebäudeteilen warnen. Es besteht dringender Restaurierungsbedarf.
„Das war einfach die günstigste Variante für uns“, erklärt
Pfarrer Jörg Frenzel. Zusammen mit drei gebürtigen Dahnsdorfern und dem
Architekten Mike Enzmann steht er an diesem kalten Februartag vor seiner
Kirche, den Bauzaun im Rücken. Frenzel ist seit 35 Jahren Pfarrer in der Region
Planetal im Dreieck der Städte Bad Belzig, Brück und Niemegk. Seit über 25
Jahren ist auch Dahnsdorf Teil seiner Pfarrei. In seinen acht Kirchengemeinden
hat der 62-Jährige bereits viel Erfahrung mit Kirchenrestaurierungen gesammelt.
„Dahnsdorf“, sagt er, „ist der letzte Stein, das letzte Dach, das noch zu
machen ist“, und fügt lachend hinzu, „dann kann ich in Rente gehen.“
Doch die Dahnsdorfer Kirche ist nicht nur aufgrund ihrer Ausmaße etwas Besonderes. Sie ist in ihrem vierteiligen romanischen Grundriss der Idealtypus einer vollständigen Anlage, bestehend aus schiffsbreitem Westquerturm, Saalbau, Chor und Apsis. Davon schwärmt auch Professor Dr. Gottfried Grünthal. Der Seismologe wurde 1949 in Dahnsdorf geboren und beschäftigt sich intensiv mit der Geschichte des Ortes. „Die gesamte Kirche wurde in einem Guss konzipiert“, erklärt Grünthal, auch wenn, wie er einschränkt, Saalbau und Chor eine Baunaht aufweisen und der Turm wohl etwas später fertiggestellt wurde. Dendrochronologische Untersuchungen an den Eichenhölzern des Dachstuhls ergaben eine Fertigstellung etwa im vierten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts.
Noch während der Bauarbeiten kam es zum historisch prägendsten Ereignis für die Kirche. Aufgrund ihrer „imposanten Erscheinung“, so Grünthal, war sie „wahrscheinlich für den damaligen Grafen von Belzig das entsprechende Objekt, das er als würdig ansah, dem Deutschen Orden als Geschenk zu machen.“ Graf Baderich veranlasste seinen Lehnsherren, den Herzog Albrecht von Sachsen, die Kirche Dahnsdorf und einige Hektar Land dem Deutschen Orden zu überlassen. Dieser baute dort ab 1229 eine Komturei (auch Kommende) auf, eine kleinere Verwaltungseinheit des Ordens.
Eine Ordenskirche im Belziger Land
Im heutigen Brandenburg ist dies die einzige ehemalige Komturei. Zu ihr gehörte auch die heute noch als Komthurmühle bezeichnete ehemalige Wassermühle außerhalb des Ortes. Im Laufe der Zeit wuchs dieser Besitz weiter und Dahnsdorf wurde zu einem Wirtschaftshof, der die Aktivitäten des Deutschen Ordens finanzierte. Diese erstreckten sich vor allem auf Ostpreußen und das Baltikum, wo der Ritterorden mit Schwert und Pflug einen Ordensstaat errichtete. Rund 550 Jahre blieb der Orden in Dahnsdorf verwurzelt. Laut Belziger Chronik von 1743 entwickelte sich der Ort zu einem der „vornehmsten“ Dörfer der Region.
Im 19. Jahrhundert wurden die kleinen mittelalterlichen Fenster auf der Südseite der Kirche vergrößert, um mehr Sonne zum Lesen der Gesangbücher hineinzulassen. Da auf der Nordseite nicht viel Licht gewonnen werden konnte, beließ man die Fenster dort in ihrem Originalzustand. Auch die zugemauerte Wendenpforte ist noch zu erkennen. Die markanten Fledermausgauben auf den Satteldächern mussten leider bei der letzten provisorischen Eindeckung einfachen Dachluken weichen.
„Die Kirche hat schon einiges erlitten“, sagt Tochter Claudia Grünthal, die ihren Vater bei dem Vor-Ort- Termin vertritt. „Der Altar ist stark betroffen. Dringend muss der Holzwurmbefall bekämpft werden.“ Die Gemeinde bemüht sich, den Verfall mit Holzschutz aus dem Baumarkt zu stoppen, doch das Holz des noch vor dem Dreißigjährigen Krieg erbauten frühbarocken Altars zeigt deutlichen Wurmbefall. „1963 wurde die Kirche im Zeitgeist der DDR entkernt, die Empore auf der Nordseite und große Teile des Kastengestühls herausgerissen und alles weiß übertüncht“, erklärt Vater Grünthal. Dabei ging auch die historisierende Innenausmalung von 1904 verloren.
Die Geschichte Dahnsdorfs begann im antiken Akkon. Während
des Dritten Kreuzzuges (1189–1192) wurde die Hafenstadt im heutigen Israel von
christlichen Heerfahrern belagert. Zur Versorgung der Verwundeten bauten
deutsche Kaufleute ein Feldlazarett auf. Aus dieser Hospitalbruderschaft der
Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem ging der Deutsche
(Ritter-)Orden hervor. Auch Siegfried II. von Belzig nahm an diesem Kreuzzug
teil. Sein Sohn Baderich war vor 1225 ebenfalls als Kreuzzügler im Heiligen
Land und kam dort in Kontakt mit dem Deutschen Orden. Im Unterschied zu seinen
kriegerischen Aktivitäten im Rahmen der deutschen Ostkolonisation im heutigen
Polen und Baltikum (Deutschordensstaat) war Dahnsdorf eine Priesterkommende, in
der der Komtur teilweise auch den Ortspfarrer stellte. Der heute stark
restaurierungsbedürftige Altar wurde 1613 von einem Komtur gestiftet. Weitere
Teile der reichen Innenausstattung der Kirche stammen ebenfalls aus dieser
Zeit. Im Laufe der Jahrhunderte ging der Einfluss des Ordens rapide zurück. 1776 verkaufte man den Dahnsdorfer Besitz. 1929 wurde der Deutsche Orden zu
einem geistlichen katholischen Orden umgewandelt. Europaweit hat er heute rund
1.100 Mitglieder.
Der Altar blieb von diesen Maßnahmen verschont, wurde jedoch später Opfer zweier Raubzüge. Seitdem sind die seitlichen Podeste leer, auf denen zwei geschnitzte Engel standen. Die vier Medaillongemälde konnten nur durch Kopien ersetzt werden. „Das ist einfach eine Sünde“, sagt Pfarrer Frenzel, „der Altar ist dadurch in seiner Ganzheit zerstört.“ Auch wenn man ihn „nicht von Holzwürmern auffressen lassen darf“, fühlt sich die Gemeinde „erst mal verpflichtet, die Bausubstanz der Kirche zu erhalten.“
Erste Rettungsmaßnahmen
Architekt Mike Enzmann erklärt, dass zunächst die „äußere
Hülle und dann die Feuchtigkeitsschäden am Sockel und die Fenster“ angegangen
werden müssten. Auf dem Gras vor der Eingangstür liegen mehrere große Ziegel.
Als „Flecktarn“ bezeichnet Enzmann das damit ausgebesserte Satteldach. „Das
sind DDR-Betondachsteine vom Ende der 1970er oder Anfang der 1980er Jahre.“ Sie
sollten die alten Biberschwanzziegel imitieren, so Enzmann. Sie wurden auch
noch im Jahr 1991 bei der letzten Dacheindeckung verwendet.
Allerdings zerfallen sie langsam, sodass jede Reparatur zur Sisyphusarbeit wird. Außerdem hat der Regen mit der Zeit die Farbe abgewaschen, die die Steine vor dem Eindringen der Feuchtigkeit schützte. Die nicht denkmalgerechten Plastikregenrinnen zeigen Risse und Löcher. „Überall, wo es oben undicht ist, sieht es unten auch entsprechend aus.“ Innen und außen sieht man die Schäden im Sockelbereich.
Auch auf dem Dachstuhl zeigt Enzmann, was diese Feuchtigkeit
anrichten kann. „Hier sieht man, wie das kaputt ist“, sagt er und deutet mit
dem Zollstock auf die Deckenbalkenköpfe im Traufbereich. Einerseits gebe es
wenige hochmittelalterliche Eichendachstühle in der Region, andererseits sei
deswegen eine Restaurierung auch sehr teuer. Der Boden zu seinen Füßen ist
übersät mit zerbrochenen Ziegeln. „Das ist eine Unsitte von früher. Wenn das
Dach gedeckt wurde, hat man den Schutt einfach liegengelassen.“ Im Laufe der
Jahrhunderte hat sich dadurch der Raum zwischen den Mauerlatten und unter den
Deckenbalken gefüllt. „Das ist ein idealer Nährboden für Feuchtigkeit. Wenn so
ein Schuttberg durchfeuchtet ist, braucht das ewig, bis das wieder trocken
ist.“
Es fehlt an Geld
„Wenn wir jetzt Geld hätten, dann bräuchten wir vielleicht ein Jahr“, antwortet Enzmann auf die Frage, wie lange er denn für die notwendigen Arbeiten veranschlagt. Doch gerade an Geld mangelt es den engagierten Dahnsdorfern, die sich seit Jahren für ihre Kirche einsetzen. Sogar die Nordseite des Kirchhofs musste schon verpachtet werden. Wo bis Ende des 19. Jahrhunderts der Friedhof war und bis in die 1950er Jahre prächtige Grabmonumente auch aus der Zeit des Deutschen Ordens standen, ziehen sich heute die Zäune zweier Kleingärtner bis an die Mauern des Kirchenbaus heran.
Trotz der finanziellen Notlage soll die Dahnsdorfer Kirche aber unter allen Umständen weiter als Gotteshaus genutzt werden. Wobei auch Konzerte, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen geplant sind. Wie die Geschichte des Ortes touristisch genutzt werden kann, zeigt der Naturpark Hoher Fläming. Auf Informationstafeln vor dem ehemaligen Komtureigebäude direkt neben der Kirche und vor der Komthurmühle wird die Geschichte des Deutschen Ordens und Dahnsdorfs erläutert. Dadurch, so ein Sprecher des Naturparks, soll das Thema auch für Touristen attraktiver werden.
Auch der heute noch bestehende Deutsche Orden (siehe Infokasten) zeigt Interesse an Dahnsdorf. Dabei achtet man aber auf Zurückhaltung, da man sich als ehemaliger Besitzer nicht in die Pläne der Kirchengemeinde einmischen wolle. „Wir freuen uns aber immer, wenn wir in Dahnsdorf zu Gast sein dürfen“, so Dr. Bernd Küster von der Komturei An Elbe und Ostsee. „Dahnsdorf ist die einzige historische Komturei auf unserem Komtureigebiet und unser primärer historischer Bezugspunkt.“ Deswegen wolle man sich „aktiv an Spendensammlungen beteiligen“. Küster kann sich auch vorstellen, dass der Deutsche Orden bei der Aufarbeitung der Geschichte der Komturei Dahnsdorf hilft. „Da gibt es noch sehr reichhaltiges Archivmaterial.“ Und er fügt hinzu: „Dahnsdorf ist wirklich etwas Besonderes.“
Stephan
Kroener
Dorfkirche Dahnsdorf
Hauptstraße 29
14806 Planetal
Dahnsdorf gehört zur Gemeinde Planetal im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Landschaftlich ist es Teil des Hohen Flämings.
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