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Wir vor Ort

Beraten, fördern, handeln

Nach der Flutkatastrophe im Juni 2021 stand die ehemalige Synagoge in Dernau kurz vor dem Abriss. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hilft jetzt bei der Rettung im Ahrtal – mit Experten und vielen ehrenamtlichen Helfern.

Wo einst Wände waren, klaffen Löcher. An vielen Stellen ist das alte Fachwerkhaus in Dernau nicht mehr als ein bloßes Holzgerippe. Es ist Tag 496 nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Auch das kleine Haus, das rund 60 Jahre lang als Synagoge diente, erlitt massive Schäden. Den Lärm der Presslufthämmer und der Kreissäge, der durch das Gebäude dringt, mag manch einer schrecklich finden. Für die Eigentümerfamilie ist er von wohltuender Wirkung: Das Mobile Team Fluthilfe der Jugendbauhütten hat hier eine seiner Einsatzstellen und treibt seit mehreren Monaten den Wiederaufbau voran. Nicht nur mit diesem Jugendprojekt setzt sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für das rund 330 Jahre alte Bauwerk ein. Sie und ihrer Mitarbeiter können dafür auf diverse Fördermöglichkeiten, geknüpfte Netzwerke und ihren Erfahrungsschatz zurückgreifen.

In der Flutnacht vom 14. Juli stand das rund 330 Jahre alte Haus bis ins erste Obergeschoss im Wasser. Knapp verschont blieb die barocke sogenannte Kölner Decke.
Dernau, ehemalige Synagoge © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
In der Flutnacht vom 14. Juli stand das rund 330 Jahre alte Haus bis ins erste Obergeschoss im Wasser. Knapp verschont blieb die barocke sogenannte Kölner Decke.

Aktiv vor Ort


Nur wenige Tage nachdem der Abriss des vom Technischen Hilfswerk gesperrten Gebäudes drohte, waren zwei Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Denkmalschutz als Teil einer Gemeinschaft aktiv, die sich dem Fachwerkhaus verschrieben hat. „Sehr erstaunlich“, sagt Projektreferent Eckhard Wegner, „dass es damals noch kein eingetragenes Denkmal war.“ Er und seine Kollegin Ruth Plum kontaktierten die Landesdenkmalpflege von Rheinland-Pfalz und diverse Facheinrichtungen, um das Kulturzeugnis von überregionaler Bedeutung vor Ort zu erhalten.


Mit Erfolg: Im Oktober wurde das um 1692 erbaute und von 1796 bis Mitte der 1850er Jahre als jüdisches Bethaus genutzte Bauwerk schließlich unter Schutz gestellt. Parallel zu diesem Verfahren wendeten sich die beiden Mitarbeiter – die vollständige Zerstörung des Fachwerkgebäudes befürchtend – an den Architekten Florian Böker. Auch er ist ein wichtiges Zahnrad bei der Rettung des Denkmals und erstellte ehrenamtlich ein detailgenaues Aufmaß. Seine Dokumentation dient als wichtige Planungsgrundlage für den Wie­der­aufbau.


Im Austausch mit Fachbehörden und Experten stehen, Denkmalprojekte begutachten, Denkmaleigentümer beraten, das ist die tägliche Arbeit der Projektreferenten der Denkmalförderung. Dazu gehört auch, sich den Anfragen und Anträgen von Hilfesuchenden zu widmen.

© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Die Denkmalbesitzer: Der Wille zur Bewahrung

„Die gesamte Familie im Ahrtal war von der Flut betroffen, sie konnte sich nicht kümmern“, sagt Barbara Wendling, die Nichte der 84-jährigen Eigentümerin Gustel Lindener. Die Dortmunderin übernahm Verantwortung für das Denkmal und freut sich mit der gesamten Familie über die Hilfe durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (Foto: Ursula Lindener (links) und Cousine Barbara Wendling).

© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Der Planer: Partner vor Ort

Denkmalerfahrene, baubegleitende Architekten sind wichtige Partner der DSD bei den Fördermaßnahmen. So wie Fritz Vennemann, der um die Bedeutung des beschädigten Denkmals weiß und sich mit den Finessen einer Fachwerksanierung auskennt. Darüber hinaus engagiert er sich als Vorsitzender der AG Historisches Ahrtal, die jüngst den Deutschen Denkmalschutzpreis erhielt.

© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Der Begleiter: Individuelle Denkmalförderung

Proaktiv kon­taktierte der Projektreferent der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Dr. Eckhard Wegner, die Eigentümerfamilie, führte ermutigende Beratungsgespräche und bot für die Rettung des Hauses schnelle finanzielle Unterstützung an. Auch beim Landesamt warb er um Mithilfe. Aktuell begleitet er eine Fördermaßnahme am Objekt: die restauratorische Untersuchung einer kostbaren barocken Kölner Decke im ehemaligen jüdischen Betraum.

© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Die Macher: Wiederaufbau durch die Jugendbauhütte

Wo Handwerker und finanzielle Mittel fehlen und den Eigentümern die Kraft ausgeht, unterstützt die DSD die Denkmaleigentümer auch mit praktischer Hilfe: durch ihre Jugendbauhütten. Seit Monaten ist ihr Mobiles Team Fluthilfe bei der Rettung der ehemaligen Synagoge an vorderster Stelle dabei. Angeleitet von Zimmerermeister Mani Koch und Lehmbauerin Nelli Wotzke reparieren und restaurieren die fünf jungen Menschen, die ein Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege absolvieren, das alte Fachwerkhaus.

 


Mit Beratung und finanzieller Unterstützung


Angesichts der großen Not in den Flutgebieten stand die DSD aber nicht nur für Hilfesuchende bereit, sondern war auch proaktiv an Ort und Stelle tätig. Im Falle der ehemaligen Synagoge initiierte die Stiftung im vergangenen Jahr den Kontakt zu den Kindern der 84-jährigen Eigentümerin Auguste Lindener und bot ihnen für die Erhaltung des Denkmals finanzielle Unterstützung an. Weil das Gebäude nicht gegen Elementarschäden versichert war und ihre Kinder alle persönlich erheblich von der Flut betroffen waren, sahen sie sich damals nicht imstande, mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Über Monate stand das flutversehrte Bauwerk da, ohne dass sichtbar etwas passierte.


Erst rund zehn Monate später, im Frühsommer 2022, kam wieder Dynamik in die Rettung. Zum einen durch Barbara Wendling, die Nichte der Eigentümerin, die sagt, dass „für den Wiederaufbau aus der Familie sonst niemand die Kraft und Zeit hat.“ Seither vertritt die Dortmunderin ihre Tante in allen Belangen des Hauses, kämpft sich durch komplexe Antragsverfahren und steht in enger Abstimmung mit allen Akteuren. Insbesondere mit Fritz Vennemann, dem vor Ort gut vernetzten Planer, Baubetreuer und Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Historisches Ahrtal.

Hinter der unscheinbaren Fassade verbirgt sich ein historisches Kleinod, das im Rahmen der Instandsetzung wieder herausgearbeitet wird.
Dernau, ehemalige Synagoge © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Hinter der unscheinbaren Fassade verbirgt sich ein historisches Kleinod, das im Rahmen der Instandsetzung wieder herausgearbeitet wird.

Junge Hilfe


Etwa zur gleichen Zeit trat die Jugendbauhütte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz auf den Plan. Unter Anleitung von erfahrenen Spezialisten halfen die jungen Freiwilligen bei der Beseitigung von Flutschäden und alten Bausünden. Sie legten das historische Fachwerk frei und zogen dort neue Balken ein, wo alte nicht mehr trugen. „Für unsere Familie und das Haus sind die jungen Leute ein absoluter Glücksfall“, so Wendling. „Ohne ihre Tatkraft und ihr Know-how würde es mit der Baustelle überhaupt nicht weitergehen.“ Nach wie vor – und so schnell wird sich das auch nicht ändern – fehlt es besonders in dieser Region an Handwerkern.


Dieses praktische Engagement der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wurde nun durch eine finanzielle Denkmalförderung ergänzt. Um die Eigentümerfamilie zu entlasten, bezuschusste die Stiftung eine restauratorische Untersuchung, welche von den jungen Freiwilligen nicht geleistet werden kann: Im Obergeschoss des Hauses befindet sich der ehemalige Betsaal mit einer seltenen barocken Stuck­decke. Deren Zustand überprüft derzeit eine Res­tauratorin und sucht den Raum auf historische Farbfassungen ab, um daraus Schlussfolgerungen für das Sanierungskonzept zu ziehen. Die Teilnehmer der Jugendbauhütte dürfen der Expertin dabei über die Schulter schauen.

Das Ahrtal in Dernau ist eng. 90 Prozent der Häuser waren überflutet (Foto: Juli 2021).
© IMAGO / Future Image
Das Ahrtal in Dernau ist eng. 90 Prozent der Häuser waren überflutet (Foto: Juli 2021).

Der Sanierungsumfang für das Denkmal ist noch immens. Doch die Perspektiven sehen gut aus. Wesentlich liegt das am Einsatz der vielen haupt- und ehrenamtlichen Helfer. „Die Solidarität von privat Engagierten oder von einer Organisation wie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz: Sie ist hier richtig spürbar“, sagt Wendling dankbar. „Es ist das, was unsere Familie und viele andere im Tal aufrecht hält.“


Amelie Seck

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