Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Februar Jahr 2023
Im vogtländischen Adorf ist nur ein Zeugnis seiner reichen Musikgeschichte erhalten: das barocke Wohnhaus berühmter Orgelbauer. Mit Leidenschaft und Ihrer Unterstützung kann es gerettet werden.
Mitten in Adorf, an prominenter Stelle neben der Michaeliskirche am Markt gelegen, findet sich ein barockes Schmuckstück der besonderen Art: das Trampeli-Haus. Es ist ein stattlicher Bau wohl aus der Mitte des 18. Jahrhunderts in barocken Formen, mit markantem Mansarddach auf einem Obergeschoss. Dies war das Haus der bedeutenden Orgelbauerdynastie Trampeli, hier wohnten sie und womöglich auch Gesellen und Lehrjungen. Nebenan befand sich ihre Orgelmanufaktur, sie existiert nicht mehr.
Dass es das Trampeli-Haus hingegen noch gibt, ist
engagierten Adorfern zu verdanken, so dem Architekten Günther Fritsch, der
schon viele Häuser vor dem Abriss bewahrt hat. „Wir sind ja hier den langen
Atem gewöhnt“, sagt er und erzählt von seiner Arbeit und der Liebe zur Musik.
Wenn er am Wochenende oder abends ins Konzert ginge, dann versinke er mitunter
tief in der Musik. Und dann könne es sein, dass ihm unverhofft Lösungen
einfallen für Probleme, über die er sich kurz zuvor noch den Kopf zerbrochen
habe. Also hole er sein Konzertticket hervor, mache darauf eine kurze Notiz
und könne sich wieder ganz auf die Musik einlassen. In Adorf im Vogtland hat
Fritsch schon viele solcher spontan notierter Ideen weitergedacht und
umgesetzt. Ideen, mit denen er Häuser retten konnte, die sonst wohl abgerissen
worden wären.
Ideenreichtum, Problemlösungen und viel finanzielle
Unterstützung wird er jetzt wieder brauchen. Es ist nämlich ein tragischer
Verlauf der Geschichte, dass Adorf, einst Heimat renommierter Orgelbauer, kein
Zeugnis des heimischen Orgelbaus besitzt – ein Stadtbrand hat viel vernichtet.
Und es existiert auch nicht mehr der Ort, an dem die Königin der Musik, wie
ihre Liebhaber über die Orgel sagen, hergestellt wurde. Um nun nicht auch noch
die letzten Spuren unwiederbringlich zu verlieren, unterstützt die Deutsche
Stiftung Denkmalschutz den Verein für klassische Musik Adorf bei seinem Kampf
um den Erhalt des Trampeli-Hauses.
Günther Fritsch gehört diesem Verein an. Und
Wolf Matthias Friedrich, ein international gefragter Sänger mit sehr viel
Bodenhaftung, der zwischen seinen zahlreichen Auftritten Verantwortung für das
Gebäude übernommen hat. Diese Verantwortung ist enorm: Im 20. Jahrhundert wurde
das Gebäude hauptsächlich als Wohnhaus genutzt und verfiel leer stehend in den
vergangenen 25 Jahren. Im April 2022, kurz nachdem Friedrich den Vorsitz des
Vereins übernommen hatte, erwarb der Verein den Bau. „Wir haben nie aufgehört,
an das Haus zu glauben“, sagt Friedrich und erzählt von den vielen Bemühungen
um das Haus und von seinen Benefizkonzerten. Aber man hätte institutionelle
Förderung gebraucht, und so weit seien sie damals noch nicht gewesen.
Optimismus und viele Ideen
Der bauliche Zustand ist kritisch, Verformungen und Risse im
Mauerwerk zeigen die statischen Probleme des Bauwerks an. Nach einer Seite
sackt das Gebäude ab, vermutlich wegen der vor dem Haus verlegten Kanalisation
aus den 1990er Jahren und weil auf der anderen Seite der Anbau fehlt. Aber:
„Wir haben hier immer schon viele heftig gealterte und morbide Häuser
gerettet“, sagt Architekt Fritsch. „Das wird schon.“ Für seinen Optimismus gibt
es auch einen Grund: „Der Bau ist trocken, das ist das größte Glück.“ Und er
muss es wissen, weil er ebenfalls schon seit vielen Jahren das Trampeli-Haus im
Blick hat und im Rahmen seiner Möglichkeiten zumindest die Instandhaltung des
Daches besorgt hat.
Etwa 275 Jahre lang wurden Orgeln in Adorf gebaut.
Nachgewiesen ist eine Werkstatt in der Stadt seit 1625. Caspar Kerll war der
erste ortsansässige Orgelbauer. Auf ihn und Adam Heinrich Gruber (ab 1700)
folgte 1734 Johann Paul Trampel. Dessen zwei Söhne und ein Enkel führten den
Orgelbau unter dem – im Zeitgeist italienisierten – Namen Trampeli bis 1832
weiter. Mit Carl Eduard Schubert kam das Handwerk Ende des 19. Jahrhunderts zu
seinem Ende. Nahezu lückenlos dokumentiert das private Archiv von Johannes
Wolff die Geschichte. Es soll im Trampeli-Haus, in situ sozusagen, einem
größeren Publikum zugänglich gemacht werden. Adorf ist jedoch nicht nur für die
Orgeln aus den hiesigen Werkstätten berühmt. Mit Johann Caspar Kerll, 1627 in
Adorf als Sohn des Orgelbauers Caspar Kerll geboren, gibt es einen weiteren
bedeutenden Beitrag zur barocken Musik: Heute fast vergessen, war Kerll zu
seiner Zeit einer der bekanntesten Orgelvirtuosen und Komponisten.Seine Musik wird selten gespielt, Aufnahmen davon gibt es nur wenige. Das möchte der Verein Klassische Musik Adorf mit dem Sänger Wolf Matthias Friedrich als neuem Vorsitzenden ändern.
Sein Interesse gilt nämlich auch der Pflege dieses bedeutenden musikalischen Erbes aus der Zeit des Frühbarock. Geplant ist ein Kerll-Trampeli-Fest zum 400. Geburtstag des Komponisten in vier Jahren. Das ist das Ziel, das sich der Verein gesetzt hat: Bis 2027 sollen die Rettung vor dem drohenden Verfall und die Instandsetzung des Trampeli-Hauses als Museum und Konzerthaus abgeschlossen sein. Dazu müssen sich noch viele Unterstützer finden.
Durch eine Baustellentür in den Adorfer Stadtfarben Schwarz
und Gelb, übergangsweise angebracht im bauzeitlichen Rahmen aus Granit, betritt
man den Eingangsbereich mit Kreuzgewölbe. Direkt vorne rechts der erste Raum
war die Schwarzküche, Rußspuren geben ihn noch zu erkennen. Friedrich kann sich
begeistern, wenn er sich vorstellt, dass hier Generationen von Orgelbauern (und
auch Komponisten, dazu siehe Kasten links) bekocht wurden und weiter hinten in
den Räumlichkeiten beieinandersaßen. Genau das wollen die Musikfreunde sichtbar
machen, Spuren vergangener Zeiten erhalten und ein Gefühl dafür vermitteln, wie
man vor etwa 255 Jahren gelebt hat und einem schöpferischen Beruf nachgegangen
ist. „Wir wollen hier gar nicht so sehr viel verändern“, sagt Friedrich. „Wir
wollen das Gebäude an sich zeigen.“ Die Frage, die alle umtreibt: Wie kann man
Förderer und Spender erreichen, die die behutsame Restaurierung dieses
wichtigen Gebäudes finanziell unterstützen?
Modernes Archiv, barocke Musik
Das Obergeschoss begeistert den Architekten Fritsch: Es ist ein großer Raum, bauzeitlich wohl ohne Zwischenwände und Stützen, dafür aber regelmäßig durchfenstert und dadurch außergewöhnlich hell. „Den originalen Boden hier haben wir erst jetzt entdeckt. Wir haben so viel freigelegt, nun sieht man, dass das wohl mal ein einziger Raum war“, sagt Fritsch mit sichtlicher Zufriedenheit über das, was der Verein mit all seinen Helfern in den letzten Monaten schon geleistet hat. Und hier erläutert der Musiker Friedrich die Pläne des Vereins: „Es wird ein multimediales Museum für den Adorfer Orgelbau und für Johann Caspar Kerll entstehen. Musikvideos werden den Klangreichtum und die handwerkliche Pracht der Orgelinstrumente vor Augen und Ohren führen.“ Ermöglicht werde das durch umfangreiches Archiv- und Notenmaterial, ergänzt er.
Dieses Archiv gibt es schon: das einzigartige Archiv von Johannes Wolff, der sich seit über 40 Jahren mit der Geschichte des Adorfer Orgelbaus beschäftigt. Wolff kann sich allerdings nur abends und montags um Orgeln kümmern, wenn er frei hat, denn er ist Konditormeister. Seiner Leidenschaft geht er in der knappen Freizeit nach, mit nicht nachlassender Begeisterung und wissenschaftlicher Gründlichkeit. Unter seiner Backstube tut sich ein unerwarteter Schatz auf: Fotos von Orgeln, Kopien von Aufträgen und Kostenvoranschlägen, abfotografierte Porträts und Planungszeichnungen – alles sorgfältig gerahmt und dicht an dicht gehängt. Wer sich auch nur ein wenig für Orgeln interessiert, ist willkommen. Und wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, findet eine umfangreiche Aktenbibliothek – Ordner über Ordner zu Orgeln aus den Familien Trampeli und Kerll. Wolff ist allerdings nicht nur ein akribischer Archivar. Er versteht es auch, Menschen zu begeistern, zusammenzubringen, Restaurierungen zu initiieren und Fördermittel zu akquirieren. Bei so manchem Anruf bei Verantwortlichen in Kirchen sei ihm schon zugutegekommen, dass eine genuschelte „Konditorei“ fast wie „Kantorei“ klänge und umgekehrt. „Mein Geschäft, das ist ja nicht von Dauer“, erklärt der Konditormeister seine Passion, während er Kaffee und feine Backwaren anbietet.
Christstollen backen, Orgeln retten
Damit hat Wolff auch schon die Freunde vom Verein und deren Helfer bei Laune gehalten, die im Herbst 2022 die riesigen Mengen an Schutt und Müll aus dem Trampeli-Haus geschafft haben. „Jetzt haben wir so viel freigelegt, endlich kann ich das alles hier beurteilen“, sagt Günter Fritsch. Als Erstes wird der Architekt das Haus „aussteifen“, wie er sagt, mit rückbaubaren stählernen Spannankern, damit es für die weiteren Arbeiten gesichert ist. Als Nächstes sind die Fundamente an der Reihe. An mehreren Stellen prüft Fritsch deren Einbindung. Parallel werden über die Wandrisse dünne Gipsmarkierungen angebracht, um in der kalten Jahreszeit zu sehen, ob und wie sie sich verändern. „Damit man weiß, wo die Probleme sind, denn nur dann können wir es richtig machen“, sagt er.
Das ist auch die Überzeugung von Wolf Matthias Friedrich.
Natürlich, er, der Sänger und Organisator von Konzerten, würde am liebsten
sofort wieder Musik in die Räume bringen. Aber auch er sagt: „Wir denken hier
in kleinen Schritten.“ Und er gibt eine spontane Kostprobe seines Könnens, als
man sich nach der Akustik im großen Raum erkundigt. „In fünf Jahren, zu Kerlls
400. Geburtstag, wären wir schon gerne so weit“, wünscht er sich. Ein
Baustellen-Cembalokonzert im Juni 2023 anlässlich des ersten
Kerll-Trampeli-Festes, das wird wohl realistisch sein. Bis dahin und darüber
hinaus werden die Retter nicht nur Optimismus und Begeisterung brauchen,
sondern vor allem sehr viel Hilfe: von Orgelrettern und Denkmalschützern, von
Musikliebhabern und von Spendern.
Julia Greipl
Trampeli-Haus Adorf
Markt 17
08626 Adorf (Vogtland)
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Pfeilermauerwerk, 6 Ziegel: 20 €
Gewölbemauerwerk, 10 Ziegel: 50 €
Stützmauerwerk, 35 Ziegel: 75 €
Gewölbegrundstein: je 100 €
(beispielhafte Einzelkosten)
Man könnte ihn für ein Pseudonym halten, so wie Novalis oder Le Corbusier, aber der Name ist zutiefst bürgerlich. Er wurzelt fest und bodenständig im Handwerk. Der Orgelbauer Arp Schnitger (1648-1719) entstammt einer angesehenen Tischlerfamilie aus Schmalenfleth im niedersächsischen Landkreis Wesermarsch.
Die 1.320 Pfeifen der Michael-Hartung-Orgel im thüringischen Gebesee sind stumm: Seit über 41 Jahren geht kein Lüftchen mehr durch Orgelwerk und Pfeifen. Die Restaurierung soll der barocken Rarität und der Gemeinde wieder eine volle Stimme schenken.
Die größte Barockorgel zwischen Weser und Elbe muss dringend restauriert werden. Dafür wird das hochkomplexe Instrument aus dem kleinen Städtchen Otterndorf in Tausende Einzelteile zerlegt, auch die 2.676 Pfeifen müssen ausgebaut werden.
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