Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Stile und Epochen 1700 Streiflichter Interieur Menschen für Monumente Restaurierungstechniken Ausgabe Nummer Dezember Jahr 2022 Denkmale A-Z H
Das Fachwerkhaus Hue de Grais in Wolkramshausen birgt einen kostbaren Schatz. Es ist zudem ein vorbildhaftes Beispiel dafür, wie der lange Atem vieler engagierter Förderer und Mitstreiter ein Denkmal dieser Güte erhalten hilft.
Dreihundert Jahre ist es alt, das Herrenhaus Hue de Grais im thüringischen Wolkramshausen. Dass es hier etwas Besonderes gibt, hat sich herumgesprochen: Am Tag des offenen Denkmals® im vergangenen September zum Beispiel kamen viele Hundert Menschen, um durch die Räume zu schlendern und sich über den Stand der Dinge zu informieren – über den Fortschritt der Restaurierungsarbeiten an den einzigartigen Wandbildern nämlich. Die Wände fast aller Zimmer sind mit gemalten Tableaux auf Leinwand bespannt. Sie zeigen klassische Landschaften, Seestücke und typische Rokokoszenerien.
Seit gut 30 Jahren unterstützt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) die Rettung des Herrenhauses. Dem Charme der Bilderreigen an den Wänden ist schon der ein oder andere Unterstützer der DSD erlegen: Gerade erst konnte durch eine hohe Einzelförderung das Alkovenzimmer im Obergeschoss restauriert werden. „Dame mit Katze“ ist eines der Motive in diesem Raum und hatte es einem Förderer angetan.
Es geht auf ein Gemälde von Jean François Gilles Colson von 1759 zurück: „Le Repos ou Une jeune fille surprise par le sommeil“. Wie bei den anderen Abbildungen und typisch für derartige Rokokoszenerien offenbart das Detail die wahren Dimensionen. Die schlafende Dame, die passenderweise im Alkovenzimmer ihr Nickerchen hält, ahnt das Drama nicht, das sich in Sekunden abspielen wird. Die Katze mit dem fiesen Blick hat es auf das Singvögelchen abgesehen, das mit der Schlafenden durch ein Bändchen verknüpft ist. Keine Muße ohne Risiko.
Die Szenen sind teils auf Leinwänden gemalt, teils auf textilen Bespannungen angefertigt. Nicht erst seit dem diesjährigen Themenjahr der DSD „KulturSpuren“ hat sich Eigentümer Manfred Werthern daran gemacht, die Vorlagen der Abbildungen herauszufinden. Mit mehreren Experten steht er im Austausch, er sieht sich auf der richtigen Spur. So wie im Schiffszimmer entsprechende Motive zu finden sind. Die Abbildung des Turms auf der Leinwandbespannung folgt der Darstellung eines Kupferstichs von Josef Wagner. „Bello è il veder limpido e cheto il mare“ lautet sein Titel – „schön ist der klare und ruhige Blick auf das Meer.“ Der Kupferstecher Wagner, der 1780 in Venedig starb, war bekannt für seine Arbeiten nach Bildvorlagen mythologischer und architektonischer Art.
Manfred Werthern, Urenkel des Grafen Robert Hue de Grais, der der Namensgeber des Herrenhauses und Verfasser des „Handbuchs der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche“ war, erwarb einen Nachdruck des Kupferstichs. Er weist gern während seiner Führungen durch die Räume des einstigen Ritterguts auf diese Adaption hin.
1722 ließen Walrad Ludwig von Wilcke und seine Ehefrau Anna Wilhelmine das Neuwilckesche Gut auf den Mauern eines Vorgängerbaus errichten. Deren Sohn Wilhelm Ludwig von Wilcke und seine Ehefrau Charlotte Henriette von Götz, eine künstlerisch veranlagte Dresdner Hofdame, nahmen zwischen 1752 und 1754 eine Neugestaltung der repräsentativen Räume vor, orientiert am barocken Zeitgeschmack der sächsischen Hofgesellschaft. Der gesellschaftliche Stellenwert der Familie spiegelt sich im Gesamtbild von Innenausstattung, Bibliothek und Park wider. Erklärt sich damit, wie die Preziosen in die Provinz kamen, bleibt dennoch trotzdem die Frage: Warum wählte das Paar genau jene Motive aus? Das Spiel von Original und Rezeption zieht sich durch sämtliche Räume. Auch in der Bibliothek, die antike Themen wie den Natternbiss der Kleopatra aufgreift, findet sich eine solche Rezeption. Warum dieses Motiv den Hausherrn wohl ansprach? Werthern geht auch dieser Frage nach.
Das Watteauzimmer im Erdgeschoss des Herrenhauses verrät sein Vorbild schon im Namen. Auch hier hilft eine Förderung durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, dieses wertvolle Kulturgut zu retten. Im Gedenken an ihren verstorbenen Ehemann lässt zurzeit die Stifterin einer Treuhandstiftung unter dem Dach der DSD die kostbaren Wandbespannungen dieses Zimmers restaurieren. Das ist keine einfache Arbeit: Bis zu 16 Quadratmeter groß sind die Leinwände, für die Restaurierungsarbeiten wurden spezielle Tische mit Überbrückungen angefertigt. Auf ihnen liegend arbeiten die Restauratorinnen.
Liebreiz mit Zukunft
Hue de Grais zeigt, wie der gemeinsame Einsatz Schritt für Schritt einem kulturhistorischen Kleinod zu neuem Leben verhilft. Um es für die Zukunft zu bewahren, bedarf es weiterhin vielerlei Hilfen. Die schlafende Rokokodame zeigt es auf elegante Weise: Es ist eine Welt voll Charme und Liebreiz, sie sieht nach sorglosem Leben aus und ist doch stets bedroht. So stehen noch die Erneuerung zahlreicher Fenster an, ein Riss in der Haustür muss geschlossen werden und der Barockpark braucht eine ganzjährige Pflege. Dem Ziel, der Erhaltung dieses wertvollen Zeugnisses der kunstsinnigen Gesinnung eines thüringischen Adligen, nähert man sich auf bestem Wege. Wer sich davon überzeugen möchte: Hue de Grais kann trotz laufender Arbeiten nach Voranmeldung besichtigt werden.
Beatrice Härig
Hue de Grais
Hainleitestraße 29
99752 Wolkramshausen
Wer an einem Besuch des Herrenhauses Hue de Grais mit seinen wertvollen Wandbespannungen interessiert ist, meldet sich bitte telefonisch an unter 03631 9795883 oder 0172 4234751.
Engagement trifft Kompetenz: Der Einsatz der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) für das Kleinod Hue de Grais begann bereits Anfang der 1990er Jahre. Zuletzt wurden die Restaurierungen der Leinwandbespannungen im Schiffszimmer und im Alkovenzimmer finanziert. Aktuell wird das Watteauzimmer restauriert. Die Instandsetzung des barocken Parks und der Terrasse sollen sich stufenweise anschließen.
Ein ganzes Fördererportfolio kommt hier über die DSD zum Zuge: Da ist die rechtsfähige G. u. H. Murmann-Stiftung, der Großspender und Barockliebhaber Dr. Friedrich Schwarz, die bereits verstorbene Nachlassgeberin Gertrud Hüpp und die treuhänderische Oda von Münch-Stiftung in der DSD. Nicht zuletzt tragen die vielen Förderer der DSD zur Erhaltung dieses ganz besonderen Denkmals bei.
Er hätte für unser Magazin Monumente schreiben können: Fontanes ausgeprägte Reiselust hinderte ihn nicht daran, den baulichen und landschaftlichen Reichtum in seiner nächsten Umgebung zu bewundern. Mit seinen Texten über die Mark Brandenburg wollte er ein Bewusstsein schaffen für Kultur und Geschichte vor der Haustür.
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