Denkmalarten Kleine und große Kirchen Stile und Epochen 1700 Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Oktober Jahr 2022 Denkmale A-Z W
Standhaft thront sie seit 270 Jahren mitten in Woffleben. Zwei Glocken verlor sie im Krieg, im DDR-Sperrgebiet wurde sie zum Sorgenkind. Heute bemüht sich eine engagierte Gemeinschaft, die alte Dame St. Johannis zu retten.
Pfarrer Lenz stimmt noch schnell seine Gitarre. Die Glocke schlägt bereits zum Abendgebet. „Heute machen wir Rabatz“, ruft der 54-Jährige lachend und ergänzt, „mit allen Glocken, die wir haben, mit einer nämlich.“ In schwarzem Talar mit weißem Beffchen steht er vor seiner Gemeinde. Die Gitarre hat er locker umgehängt, der Liedtext liegt vor ihm auf einem Stehpult. „Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht“, singt er. Seine Stimme hallt von den Wänden und vervielfacht sich durch die Gottesdienstbesucher.
Es ist kalt in der St.-Johannis-Kirche im nordthüringischen Woffleben. Es ist eine feuchte Kälte, die den 16 Kirchgängern auf den groben, hölzernen Bänken die Beine hochzieht. Dabei scheint durch die kleinen Fenster seitlich über dem Kanzelaltar die Augustsonne. Auch durch die daumengroßen Spalten am Fensterrahmen strahlt das Licht. Überall liegt feiner Baustaub. Die 150 Jahre alte Orgel auf der Empore über dem Eingang ist mit einer Plastikplane abgedeckt. Doch dass die alte Dame, wie die Woffleber ihre Kirche nennen, richtig krankt, das sieht man vor allem an der Wand hinter Pfarrer Lenz. Dort zieht sich ein schwarzer, über zwei Meter hoher Anstrich die aufgeplatzten Wände entlang. Metallhaken schauen heraus, an manchen Stellen klaffen rostrote, teilweise faustgroße Löcher.
Erwachsen aus Ruinen
„Es ist schon bedrückend, wenn man da drinnen sitzt“,
erklärt Architekt Andreas Tapio Scheid. Im Herbst 2020 hatte er empfohlen, die
zementgebundenen Holzwollplatten abnehmen zu lassen. Sie waren Anfang der
1980er Jahre vermutlich zur Wärme- und Feuchtigkeitsisolierung angebracht
worden. Der schwarze Teerkaltanstrich, der hinter den sogenannten
Sauerkrautplatten zum Vorschein kam, „lässt einem Architekten die Haare zu
Berge stehen“. Scheid berät mehrere denkmalgeschützte Kirchen in der Region und
betont, dass der Anstrich entfernt werden muss, damit er „der Substanz der
Kirche nicht noch mehr Schaden zufügt“.
St. Johannis ist die einzige Querschiffkirche im Südharz. Über dem Eingangsportal prangen die Initialen Friedrich des Großen, auf dessen Geheiß die 100 Plätze fassende Dorfkirche 1752 gebaut wurde. Der Preußenkönig ließ dafür den 650 Jahre alten Vorgängerbau abreißen und mit Steinen aus der Kirchenruine der nur acht Kilometer entfernten Zisterzienserabtei Walkenried neu aufbauen. Auch der barocke Altar, der die Apsis ausfüllt, stammt aus einer abgebrochenen Kirche. Anfang der 1930er Jahre wurde er mit Pferdefuhrwerken aus dem 100 Kilometer entfernten Runstedt bei Merseburg nach Woffleben transportiert. Das Dorf war eines der ersten von 16 Ortschaften, die dem Braunkohletagebau im Geißeltal zum Opfer fielen.
Sonderfall Sauerkrautplatten
Die Sauerkrautplatten und der dahinterliegende
Teerkaltanstrich verhinderten den natürlichen Feuchtetransport im
Außenmauerwerk, was bei den Bruchsteinen zur Substanzschädigung führen kann.
Die Sauerkrautplatten, die ihren Namen aufgrund ihrer langfaserigen Holzwolle
erhielten und in Westdeutschland Heraklithplatten heißen, mussten abgenommen
werden. Viel schwieriger ist die Entfernung des Teerkaltanstrichs. Architekt
Scheid wird versuchen, ihn durch das Nadelverfahren vorsichtig abzuschlagen.
Die Sauerkrautplatten schlossen die Emporenstützen seitlich luftdicht ab. Das Eichenholz ist dadurch heute so verfault, dass Pfarrer Lenz von beiden Seiten hindurchfassen kann.
Eine Kirche im Sperrgebiet sucht Schutz
Ein Netz am Eingangsportal der Kirche in Woffleben verhindert, dass Besucher von herabfallendem Putz verletzt werden. Sogar die dreiseitige Empore im Innenraum wurde aus Sicherheitsgründen gesperrt. Denn der Einbau der Sauerkrautplatten hat nicht nur das Mauerwerk angegriffen, sondern auch die Eichenholzstützen der Galerie. „Da kann man hinter fassen, das ist kein beruhigendes Gefühl“, erläutert Pfarrer Lenz bei einem Rundgang und streckt seine Hände durch das morsche Eichenholz. Zwischen Sauerkrautplatte und Außenwand hatte sich Luft gestaut und Feuchtigkeit gesammelt. Die 14 Stützen sind teilweise zu zwei Dritteln geschädigt.
Schon ab den 1960er Jahren war die Kirche baupolizeilich gesperrt worden und Vandalismus ausgesetzt. „In der DDR“, erklärt Dorfchronistin Lia Momberg, „mussten sie um jeden Sack Zement kämpfen.“ Die innerdeutsche Grenze hatte das Dorf ins Fünf-Kilometer-Sperrgebiet versetzt, was Baumaßnahmen erschwerte. Außerdem war Engagement für die Kirche verpönt. „Das war immer so unser Sorgenkind“, berichtet die 75-Jährige, die 13 Jahre lang Bürgermeisterin Wofflebens war. „Keiner hat sich von uns Gemeindevertretern getraut, diese Sache anzugehen.“
Ein Dorf kämpft für seine Mutter
Momberg hat sich zusammen mit anderen Mitgliedern des
Kirchenbauvereins im nahen Pfarrhaus getroffen. „Wir saßen zu dritt fast schon
depressiv in der Kirche, aufgereiht wie die Lerchen“, erinnert sich Lenz an das
erste Mal, als sie die schwarzen Wände ihrer Kirche sahen. Doch Pfarrer und
Gemeinde entschlossen sich zu handeln. „Plötzlich fanden sich Menschen
zusammen, deren Herzen für dieses Gebäude schlugen.“ Es sei beeindruckend, „was
in den letzten Jahren an menschlicher Kraft in den Erhalt dieser Kirche
investiert wurde“.
Dieses Engagement der Gemeinde möchte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit Ihrer Spende unterstützen. Dabei ginge es nicht nur darum, ein architektonisches Schmuckstück zu retten, sondern darum, dass Woffleben sich als Dorf wiederentdeckt. „Ich bin in dieser Kirche aufgewachsen“, sagt die 42-jährige Vorsitzende Franca Wenderoth, „ich könnte mir Woffleben ohne die nicht vorstellen.“ Die Kirche kann der Anfang von einer größeren Restaurierung sein, die das einzigartige Gesamtensemble aus Kirche, Pfarrhaus und Pfarrscheune mit einschließt. Sie solle dabei allen offenstehen, denn sie „ist die Mutter im Dorf“, sagt Momberg und verschränkt die Arme, „sie nimmt alle auf, ob du weinst oder lachst.“
Spenden für die alte Dame
Doch es mangelt an Geld. Deswegen wollen die Woffleber ganz bewusst zuerst den Innenraum ihrer Kirche wiederherrichten. Es habe einen „starken symbolischen Wert, erst mal was Sichtbares zu machen, um die Menschen mitzunehmen“, erklärt Lenz. Natürlich, ergänzt er, habe „dieses Von-innen-Beginnen auch den Hintergrund, dass die Empore sonst für die Weihnachtsgottesdienste gesperrt werden müsste – und Weihnachten ist die Kirche voll.“
„Herr, erbarme dich“, spricht Lenz zum Schluss seiner Abendpredigt, „du siehst, wie wir uns sorgen um die alte Dame, diese Kirche hier, wie wir uns um sie bemühen. Und du sagst uns heute: Denk dran, es ist nicht alles planbar, hab einfach Vertrauen.“ Unterstützen Sie dieses Gottvertrauen und das Engagement der Woffleber mit einer Spende zur Restaurierung der alten Dame. Sie unterstützen damit nicht nur ein Denkmal, sondern die Identität eines ganzen Dorfes.
Stephan Kröner
Evangelische Kirche St. Johannis
Kirchplatz
99755 Ellrich
Woffleben gehört zum Pfarrbereich Ellrich im Landkreis Nordhausen.
Sehr aktiv ist die Gemeinde auch im Internet, so auf Facebook und Instagram (bitte beachten Sie die jeweiligen Datenschutzhinweise der externen Seiten).
Auch kleinste Beträge zählen!
Das kostet die Rettung von St. Johannis
Der Gemeinde liegt bereits ein Kostenvoranschlag für die dringendsten Arbeiten vor. Da zählt jeder Cent Ihrer Spende. Teilen Sie uns gerne mit, wofür er verwendet werden soll.
Stützensanierung und Zimmererarbeiten: 27.500 €
Entfernung des Schwarzanstrichs und Mörtelarbeiten: 11.500 €
Malerarbeiten – Emporenstützen und Wände: 6.500€
Die 1.320 Pfeifen der Michael-Hartung-Orgel im thüringischen Gebesee sind stumm: Seit über 41 Jahren geht kein Lüftchen mehr durch Orgelwerk und Pfeifen. Die Restaurierung soll der barocken Rarität und der Gemeinde wieder eine volle Stimme schenken.
Die Kirche von Riethnordhausen im Landkreis Mansfeld-Südharz braucht Hilfe. Vor drei Jahren musste sie wegen herabfallender Putzbrocken gesperrt werden. Die jungen Menschen warten darauf, dort wieder ihr weihnachtliches Krippenspiel aufführen zu können.
Besonders an Weihnachten vermisst die Gemeinde schmerzlich das Glockengeläut. Der berühmten Dorfkirche von Netzow in Brandenburg muss bald mit Spenden und Tatkraft geholfen werden. Bitte helfen Sie mit!
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Ein sehr informativer Artikel über meine Heimatkirche. Dieses prächtige Gebäude muss erhalten werden, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie die Schäden beseitigt werden können. Die Kirche sollte nicht nur ein spiritueller, sondern auch ein kultureller Mittelpunkt werden. Wenn die Bürger wie sein Bauherr König Friedrich der II. von Preußen so schön bemerkte: "Jeder nach seiner Fasson.", also egal mit und ohne Konfession die Kirche für sich entdecken und sei es nur um still ein Buch zu lesen, dann wäre ich vollsten zufrieden.
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