Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Menschen für Monumente Menschen für Denkmale Ausgabe Nummer April Jahr 2022
Vermehrt zieht es die Menschen zum Wohnen und Arbeiten in die Provinz. Das neue Leben jenseits der Ballungsräume gibt Hoffnung für aussterbende Dörfer und leerstehende Denkmale.
In der Alten Schule von Werben drückt schon lange kein Kind mehr die Schulbank. Es ist still im Fachwerkhaus, die Fenster vernagelt, kein Schornstein raucht. Aber in wenigen Wochen öffnen sich erneut Türen und Fenster des barocken Fachwerkhauses. Nicht als Lehrstätte – 1931 wurde das barocke Haus zuletzt zum Unterricht genutzt –, sondern als Café Lämpel. Damit ist das Fachwerkhaus ein gelungenes Lehrstück dafür, wie gut die Revitalisierung von leerstehenden Denkmalen auf dem Land funktionieren kann. Selbst in Regionen, für die weiter sinkende Bevölkerungszahlen vorausgesagt wurden.
Jochen Hufschmidt (77), Vorsitzender des Arbeitskreises Werbener Altstadt (AWA) berichtet glücklich: „Die Anerkennung für das Projekt ist riesig. Einheimische und Touristen sind begeistert, dass wir uns gekümmert und diesen neuen Treffpunkt eingerichtet haben.“ Über Jahrzehnte befand sich das um 1725 errichtete Schulhaus in einer Abwärtsspirale: ungenutzt und dadurch zunehmend von Verfall gezeichnet. Bis sich der Arbeitskreis des kleinen und doch ortsbildprägenden Denkmals annahm, das am zentralen Platz in direkter Nachbarschaft zur großen Johanniskirche steht. Er entwickelte ein sinnvolles Nutzungskonzept und restaurierte das Schulgebäude mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD). Auch der Schatzmeister des AWA, Werner Eifrig (74), ist mehr als zufrieden: „Obwohl wir uns noch mitten in der Sanierung des Gebäudes befinden, haben wir das Café Lämpel bereits erfolgreich betrieben!“ Und zwar so sehr, dass ab Mai eine erfahrene Gastronomin aus Potsdam in die Altmark zurückkehren und die Räume des Cafés pachten wird.
Denkmale sind unser Kapital
Werben, die kleinste Hansestadt der Welt, idyllisch gelegen in den Elbtalauen, schrumpfte in den letzten Jahren von 1.200 auf rund 1.000 Einwohner. Die Region gehört zu den leersten Landstrichen Deutschlands; die nächste Autobahn liegt etwa 80 Kilometer entfernt. Arbeitsplätze sind rar, dafür ist das Städtchen reich an historischen Bauwerken: „Die Geschichte Werbens und ihre Denkmale sind unser Kapital“, erklärt Hufschmidt.
Den beschaulichen Ort mit seiner über 1.000-jährigen Geschichte haben in den letzten Jahren nicht nur vermehrt Fahrradtouristen besucht, noch wichtiger ist: Das Flächendenkmal Werbener Altstadt hat zahlreiche Privatleute angezogen, die leerstehende Häuser kauften, um sie denkmalgerecht instand zu setzen. „Es ist eine großartige Entwicklung. Seit Ende 2021 kann der Arbeitskreis kein Objekt mehr vermitteln, weil so viele Menschen hierherkommen!“
Die Neubürger bringen sich in das kulturelle und soziale Leben ein. Ein Berliner Musikprofessor etwa spielt zu den Gottesdiensten die Orgel und leitet den Kirchenchor. Noch verbringen viele der neuen Mitbürger hier ihre Wochenenden und Ferien, perspektivisch möchten einige aber mehr Zeit in Werben verbringen. Die meisten Zugezogenen haben sich dem Arbeitskreis Werbener Altstadt angeschlossen. So zählt die Initiative inzwischen 85 Mitglieder; darunter sind viele erfahrene Denkmalretter und ein ausgebildeter Restaurator. Sie unterstützen sich gegenseitig durch tatkräftiges Anpacken und fachkundige Beratung.
Annette Liebeskind (55), Leiterin der Abteilung Denkmalförderung der DSD, befürwortet diese Vorgehensweise ausdrücklich: „Hilfe zur Selbsthilfe: In Zeiten von Fachkräftemangel und hohen Materialkosten ist das ein absolut sinnvoller und wichtiger Ansatz. Durch eine professionelle Einweisung und kontinuierliche Begleitung kann eine denkmalgerechte, kostengünstige Lehm- und Fachwerksanierung auch den Eigentümern selbst gelingen.“ So hat sich der Werbener Verein jüngst einen Fundus an Werkzeugen und Baumaschinen angeschafft, die von den Mitgliedern ausgeliehen werden können. Auch um infrastrukturelle Defizite auszugleichen, nehmen die Bürger das Heft selbst in die Hand. 2014 gründeten sie eine Nachbarschaftshilfe und fahren seitdem ein Bürgermobil. „Denn“, so sagt Hufschmidt, „man kann etwas dafür tun, dass ein Ort nicht untergeht. Das liegt nicht nur an den äußeren Bedingungen, das liegt auch an uns selbst.“
Neue Hoffnung für das Dorf
Eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung bestätigte 2019, dass immer mehr Menschen die Großstädte verlassen. Seit der Corona-Pandemie erhielt die Wiederentdeckung des Landlebens einen weiteren Schub: Der Wandel der Arbeitswelt, die Digitalisierung und das Homeoffice bieten immer mehr Menschen die Gelegenheit, weiter hinaus aufs Land zu ziehen. Das bedeutet auch eine Chance für Denkmale im ländlichen Raum.
Was die Menschen, besonders jüngere Leute und Familien, aufs Land lockt, sind mehr Platz, Ruhe, Natur und vor allem bezahlbarer Wohnraum. Oftmals interessieren sie sich deshalb für historische, sanierungsbedürftige Gebäude wie kleine Gutsanlagen, Bauernhöfe oder Bürgerhäuser.
Zum Beispiel im bayerischen Hirschaid-Rothensand, 15 Kilometer von Bamberg entfernt: Hier haben Julia und Thomas Nagel vor zehn Jahren den 1760 erbauten Körbershof gekauft und das bis zur Unkenntlichkeit verbaute Anwesen aus Wohnhaus, Stall und Scheune vorbildlich instand gesetzt: „Wir brauchten Platz für unsere Werkstatt und wachsende Familie“, erinnert sich die 40-jährige Vergolderin. „Eingezogen sind wir in ein Zimmer, mit einem Kind. So wie Zeit und Geld da waren, haben wir uns bei der Restaurierung vorgearbeitet.“ Behutsam, forschend und detailverliebt gingen die Eheleute dabei vor – beide sind Restauratoren im Handwerk, deren Ausbildung die DSD mit einem Stipendium förderte. Für die Familie ist das sanierte Denkmal als Zuhause ein erfüllter Traum und für den gesamten Ort, in dem sich ansonsten kein einziges Fachwerkhaus erhalten hat, ein großer Gewinn.
Im Fall des Körbershofs kann die Geschichte als Wohnhaus und Arbeitsstätte weiter fortgeschrieben werden. „Kompliziert wird die Bewahrung ländlicher Baukultur, wenn die herkömmliche Nutzung durch veränderte Lebens- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr möglich ist“, sagt Annette Liebeskind „Denkmale, ob leerstehende Ställe, Herrenhäuser oder Gasthöfe, müssen oft neu interpretiert und anders nutzbar gemacht werden.“ In den vergangenen Jahren haben junge Menschen in alten Gemäuern zunehmend innovative Ideen umgesetzt, welche es bis vor kurzen nur in der Großstadt gab, etwa genossenschaftlich organisierte Wohnprojekte oder gemeinschaftlich genutzte Kreativ- und Arbeitsorte, so genannte Co-Working-Spaces. Oft ist damit der Wunsch verbunden, die strukturschwachen ländlichen Gegenden zu beleben und bei den Einheimischen eine Wertschätzung des Denkmals zu erreichen.
In diese Richtung bewegt sich auch der Ansatz des Jazzpianisten Robert Herrmann (42) für den Kulturhof Kleinmecka in Thüringen. „Wir möchten das regionaltypische Gehöft als einen Ort von Wohnen, Kultur und Begegnung wiederbeleben“, sagt der Musiker. Durch seine begeisternde Art fand er schnell einen Kreis von Mitstreitern, die ihren beruflichen Wirkungskreis zwar in Leipzig haben, sich dennoch in dem alten Bauernweiler – zeitweise und dauerhaft – verortet sehen. Der fußballfeldgroße Vierseithof in der reizvollen Kulturlandschaft des Altenburger Landes zählt mit dem repräsentativen Kuhstall und dem stattlichen Wohnhaus zu einem der beeindruckendsten Bauernhoftypen Deutschlands. In den letzten Jahrzehnten litten viele dieser Bauensemble unter Leerstand, Abbrüchen und Umbauten. „Kleinmecka steht für etwas schon viel zu selten Gewordenes“, so Herrmann. Für das hehre Ziel, das Ensemble wiederherzustellen, bekommt er viel Rückhalt aus der Bevölkerung, die sich aktiv bei der Rettung der Hofanlage einbringt, und finanzielle Unterstützung von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.
Vom Reiz der regionalen Vielfalt
Hofanlagen wie in Kleinmecka oder Hirschaid, alte Gasthöfe, Bürgerhäuser, Kirchen und Mühlen: Ländliche Kulturzeugnisse sind ein wichtiger Teil unseres nationalen, baulichen Erbes. Sie zu erhalten, ist der Deutschen Stiftung Denkmalschutz seit jeher ein großes Anliegen. Sie engagiert sich für ländliche kunstvolle, zentrale Einzeldenkmale – über 1.400 Dorfkirchen half sie bisher zu retten, genauso wie für viele andere, nicht minder landschaftsprägenden Bauwerke. „In Deutschland gibt es eine enorme Vielfalt an regionaler Baukultur“, sagt Annette Liebeskind von der DSD. „Sie gibt den Dörfern und Landschaftsräumen ein unverwechselbares Gesicht."
Umso mehr freut sich die Stiftung über die zahlreichen, auch neuen Initiativen und Privateigentümer, die sich für die Revitalisierung historischer Bauten auf dem Land stark machen. Es geht nicht allein darum, wertvolle Kulturzeugnisse zu erhalten. Mit ihnen werden Gemeinden belebt und wirtschaftliche Impulse gesetzt – auch für den sanften Tourismus, von dessen Trend die peripher gelegenen Regionen zunehmend profitieren.
Zurück nach Werben: Auch hier lockt das historische Stadtensemble aus Fachwerkhäusern, Backsteinbauten und eindrucksvollem Gotteshaus zum Urlaubmachen. Im Winter konnte die umfangreiche Dachrestaurierung der mittelalterlichen Johanniskirche, an der sich die DSD zusammen mit ihrer treuhänderischen Gisela und Ernst Alers-Stiftung mehrfach finanziell beteiligt hat, abgeschlossen werden.
Es ist Bewegung im Ort: Die ersten Fahrradtouristen kreuzen die Straßen und machen Halt vor dem ab Frühsommer wiedereröffnetem Café Lämpel. Manch ein Storch ist aus dem Süden zurück auf den Dächern der Stadt. Und mit dem jüngst unter das Kopfsteinpflaster verlegten Breitbandkabel haben die Einwohner den wichtigen, schnellen Anschluss in die weite Welt. Ein aussichtsreiches Zusammenspiel von Vergangenheit und Zukunft, von Kultur und Natur, das für Denkmale auf dem Land Perspektiven schafft.
Amelie Seck
Punkte soweit das Auge reicht. In unregelmäßigen Abständen sind die Küchenwände und -decken einer ehemaligen Bäckerei im fränkischen Diespeck mit roten Farbtupfen übersät. Welcher Maler mag wohl Mitte des 19. Jahrhunderts, als dieses Gebäude errichtet wurde, auf die Idee gekommen sein, den Raum mit Punkten zu versehen - und warum? Nur eines ist gewiss: Er hat diese Art der Gestaltung nicht erfunden, denn gepunktete Küchen lassen sich - zumindest in Franken - schon für die Zeit um 1700 nachweisen.
Kulturlandschaften entwickelten sich im Laufe der Geschichte aus den geologischen und topographischen Gegebenheiten, aus den klimatischen Verhältnissen, den ethnischen Eigenarten der Bewohner und den historischen Zusammenhängen. Sie prägen die Baukunst, vor allem im ländlichen Raum, wo der Austausch mit anderen Kulturlandschaften nicht so stark war wie in den vom Fernhandel beeinflussten Städten.
Historische Gärten zu bewahren, erfordert denkmalpflegerisches Feingefühl und Fachwissen. Rund 170 Gartendenkmale hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gefördert, darunter auch die Gärten berühmter Zeitgenossen.
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