Denkmalarten Schlösser und Burgen Wohnhäuser und Siedlungen Kurioses Ausgabe Nummer Dezember Jahr 2021 Denkmale A-Z F
Barocke Engel, aufgemalte Türen und Fenster. In dieser Folge liegt der Schwerpunkt auf Oberflächlichem, nämlich auf Fassadenmalereien.
Lesen Sie Teil 5 unserer Reihe "Schein und Sein" hier.
Schönsein ist alles und dafür wurde früher wie heute gerne mit technischen Raffinessen getrickst. Ganze Scheinarchitekturen tummeln sich auf den Fassaden mancher Renaissance- und Barockschlösser, auf den Häusern der Plätze in den Städten: Fensterrahmen, Säulen und Pilaster – alles nur Schein. Hier zählt das rein Oberflächliche und doch wird große Kunst geboten. Wenn Volumen auf Fläche umgerechnet wird, sind wir mittendrin in der höheren Mathematik.
Das Ergebnis: Überbordendes Dekor, von Grisaillen nur vorgetäuscht. Personen, die geistgleich aus dem Mauerwerk hervortreten und doch nur eine Wechselwirkung zwischen Perspektive und Schattenmalerei sind. Und manchmal wird das Mauerwerk selbst imitiert. Dann sind Bossen, Diamantquader und Fugen nur bei näherem Hinsehen als bloß aufgemalt zu erkennen. Aufgemalte Fensterrahmungen sind Standardprogramm – auch bei der Lüftlmalerei, einer kunstvollen Fassadenmalerei in Bayern. Sie zeugt von großer Frömmigkeit und erzählt nicht nur aus der Bibel, sondern auch vom Leben der Hausbewohner.
Zeugen großer Frömmigkeit
Hier schauen wir genauer hin. Auf das 18. Jahrhundert gehen die farbig gehaltenen Außendekorationen in Fresko-Technik zurück, die rund um Garmisch-Partenkirchen besonders häufig zu finden sind. Ganze Geschichten erzählen die einzelnen Fassaden, was dem ohnehin passenden Begriff „Bilderbuchdorf“ noch eine ganz andere Bedeutung gibt. Von Generation zu Generation wurde das Wissen um die Malereien und deren Bedeutung weitergetragen.
Beim Pilatushaus in Oberammergau verrät der Name des Hauses, worum es geht. Auf der Gartenseite des Hauses wird die Szene der Verurteilung Christi vor Pilates gezeigt. Andreas Lang hatte dafür 1784 den begnadeten Oberammergauer Fassadenmaler Franz Seraph Zwinck beauftragt, der sich bei seinen Arbeiten gerne von Schöpfungen berühmter Barockmaler wie zum Beispiel Peter Paul Rubens inspirieren ließ. Lang hatte einen nicht ganz uneitlen Grund für die Wahl dieser Szene: Er selbst stellte den Pilatus bei den Passionsspielen dar.
Der abgebildete Inhalt ist das eine, hinzu kommt die Freude an der Illusion. Wie beim Pilatushaus um die eher schlichte reale Tür ein Portal herrschaftlicher Art gemalt wurde, zeugt von allerhöchster Kunstfertigkeit. Ein regelrechter Bühnenraum wird durch die vermeintlich vorschwingende Säulenreihe geschaffen. Die zweiflügelige Treppe bietet Zugang zum Geschehen, Publikum ergötzt sich am Schauspiel – es ist der ganz große Auftritt. Der nicht davor schützte, dass das Haus in den 1980er-Jahren vom Abriss bedroht war, in einer Zeit, in der die Lüftlmalerei als volkstümelndes Beiwerk angesehen wurde.
Die Fassade als Schauspiel
Die Fassade als Bühne, selten ist sie so lustvoll-locker inszeniert worden wie in den oberbayerischen Dörfern. Aber genutzt als Untergrund für Architekturgebilde – so repräsentativ wie zweidimensional – wurde sie schon seit antiken Zeiten. Wie bei so vielen Dingen, die Kunst und Ästhetik betreffen, entwickelte sich Italien als besonders einfallsreiche Stätte dieser Art der Malerei. Von hier übernahm besonders das barocke Europa die Tricks aus dem Süden.
In den Kuppeln der Kirchenräume berührten sich in lichter Höhe das schwere Irdische und göttlich Schwebendes. Auf den Fassaden der Schlösser hingegen begegnen wir dem Spaß an der Kunstfertigkeit. Flucht aus der Realität könnte man jener absolutistischen Klasse vorwerfen. Ein Leben im Schein – wie ein Vorbote in die virtuelle Realität unserer Tage.
Beatrice Härig
Schein oder Sein – in der Denkmalpflege stellt sich diese Frage in vielfacher Hinsicht. Wir schauen hinter die Fassaden der Denkmale, denn heute wie früher ist Schönheit alles und dafür wird gerne getrickst.
Dass in der Denkmalpflege die Substanz, das Sein, immer an erster Stelle steht, scheint selbstverständlich. Doch woher kommt der gelegentlich erweckte Schein? Eine Betrachtung.
Wann ist ein Denkmal noch ein Denkmal? Dass Bauwerke an andere Orte versetzt werden, ist für die Denkmalpflege nur die letzte Rettung, denn der Bau verliert seinen städtebaulichen, räumlichen und optischen Bezug. Dennoch unterstützt auch die DSD Translozierungen – in begründeten Ausnahmefällen.
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