Denkmalarten Öffentliche Bauten Stile und Epochen 1900 Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer August Jahr 2021 Denkmale A-Z J

Denkmal in Not

Rettet unsere Turnhalle

110 Jahre lang wurde auf dem Parkett der Jahnhalle in Meißen geturnt. Dann musste sie wegen Hausschwammbefall geschlossen werden. Heute kämpft eine Bürgerstiftung für ihre Erhaltung.

Erleben Sie die Jahnhalle im Video anlässlich des Tags des offenen Denkmals 2020! (Externer Link auf www.youtube.com, bitte Datenschutzhinweise beachten)


Endlich dürfen sie sich mal die große, alte Turnhalle oben auf dem Hügel von innen ansehen. Für einen Moment sind die Kinder sichtlich ergriffen von der besonderen Aura des verfallenen Denkmals und halten inne. Aber schnell beginnen sie, den weiten Raum der 1895 errichteten Sportstätte zu erkunden. Den fünfjährigen Kurt zieht es zu der abgegriffenen Kletterstange, dem letzten verbliebenem Turngerät, das von der ehemaligen Nutzung der Jahnhalle zeugt.

Drei Generationen kämpfen um den Erhalt der historischen Jahnsporthalle, darunter auch der kleine Kurt (1. von rechts) und seine Familie.
Meißen, Jahnhalle © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Drei Generationen kämpfen um den Erhalt der historischen Jahnsporthalle, darunter auch der kleine Kurt (1. von rechts) und seine Familie.

So sehr sich die Eltern über die Begeisterung freuen, sie müssen die Kinder in ihrem Tatendrang bremsen – zu viele Gefahren lauern in dem stark sanierungsbedürftigen Bauwerk. Kurt gehört zu Familie Grey, die die Bürgerstiftung Meißen von Beginn an unterstützt. Das Ziel der Stiftung: In – hoffentlich – wenigen Jahren wird die Jahnhalle wieder ein Ort der Bewegung und Begegnung sein, ausgerichtet auf das Gemeinwohl, offen für Jung und Alt.


110 Jahre lang wurde auf dem Parkett der Jahnhalle geturnt. Als das Gebäude 2005 wegen massiven Hausschwammbefalls gesperrt werden musste, gab es verschiedene Initiativen, das Denkmal wieder nutzbar zu machen. Ina Heß (60), die Stiftungsvorsitzende, erinnert sich schmerzhaft: „Trotzdem passierte nichts. Die Halle verfiel nur immer mehr. Als dann ein Investor das Areal für den Bau von Eigenheimen kaufen wollte und der Abriss drohte, gründeten wir 2016 für die Rettung des Denkmals die Bürgerstiftung Meißen.“


2017 konnte die Stiftung die Jahnhalle für einen Euro von der Stadt erwerben. „Generationen von Meißener Bürgern haben hier Sport getrieben und verbinden mit dem Bau viele schöne Erinnerungen, auch meine Kinder und ich,“ erzählt Ina Heß. „Wir möchten das Denkmal erhalten und wieder zum Leben erwecken.“

Die Stiftungsvorsitzenden Ina Heß und Bill Quaas: Vor fünf Jahren fassten sie den Mut und übernahmen für die Jahnhalle Verantwortung.
Meißen, Jahnhalle © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Die Stiftungsvorsitzenden Ina Heß und Bill Quaas: Vor fünf Jahren fassten sie den Mut und übernahmen für die Jahnhalle Verantwortung.

Porzellanmaler im Turnfieber


Errichtet wurde die Jahnhalle 1895 vom Turnverein „Frisch auf Meißen“, der 1873 von den Malern der Porzellan-Manufaktur Meißen gegründet worden war. Anfangs hatten die Mitglieder des Vereins auf dem Dachboden der Franziskanerkirche geturnt, später in Biergärten und Sälen der Meißener Gaststätten. Weil der Verein immer größer wurde, hielt man Ausschau nach einer eigenen Trainingsstätte. Schließlich konnte man mit breiter Unterstützung der Meißener Bürgerschaft ein Grundstück auf dem Jüdenberg oberhalb der Altstadt kaufen.


So entstand vis à vis zur Albrechtsburg ein, nach den Plänen des Stadtbaumeisters Frey ausgeführter Jugendstilbau. Benannt wurde er nach Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852), besser bekannt als Turnvater Jahn. Er war Initiator der Turnbewegung, die bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges deutschlandweit zur Gründung von Tausenden Turnvereinen geführt hatte. Heute, nach etlichen Jahren des Verfalls, lässt sich die einst repräsentative Architektur am Außenbau nur noch rudimentär erkennen. Die Putzbänderung im Sockelgeschoss wurde abgeschlagen, die vielen Rundbogenfenster mit Planen verhangen oder zugemauert, an der Fassade verschwand der bis in die Altstadt sichtbare Schriftzug „Turnverein Frisch auf“.

Die einst repräsentative Architektur ist zu erahnen. Zukünftig soll die Turnhalle wieder als das Jugendstil-Schmuckstück erscheinen, als das es geplant wurde.
Meißen, Jahnhalle © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Die einst repräsentative Architektur ist zu erahnen. Zukünftig soll die Turnhalle wieder als das Jugendstil-Schmuckstück erscheinen, als das es geplant wurde.

Im Inneren aber beeindruckt noch immer die Hallenkonstruktion mit weit gespanntem Tonnengewölbe und umlaufender hölzerner Galerie. Von dort aus konnten Zuschauer das Schauturnen verfolgen, aber auch anderen Veranstaltungen beiwohnen – denn die Jahnhalle diente dem Turnverein nicht nur als Trainingsstätte sondern auch als großes Festgebäude. Entsprechend schmuckvoll war die künstlerische Ausstattung. Bedauerlicherweise ist sie nur in Fragmenten erhalten, so etwa hübsche Ornamentmalereien mit Ranken und Eichenlaub. Sie sind so fein gemalt, dass der unbekannte Künstler einer der turnenden Porzellanmaler selbst gewesen sein muss.


Gemeinsam etwas bewegen


Damals wie heute – die Meißener identifizieren sich mit dieser eindrucksvollen Sportstätte. Mittlerweile hat die Bürgerstiftung 45 Stifter und einen beachtlichen Fördererkreis von Menschen unterschiedlichsten Alters und verschiedenster Profession. Bill Quaas (61), ebenfalls Stiftungsvorstand, ist begeistert über ihren Einsatz: „In unserer Stiftung gibt es Architekten, Handwerker, Anwälte, Unternehmer und sogar Sportwissenschaftler. Jeder kann etwas anderes und hilft, wie er vermag. So haben wir für unseren gemeinsamen Traum schon Hunderte von Arbeitsstunden geleistet!“


An monatlich stattfindenden Aktionstagen beseitigten die ehrenamtlichen Helfer tonnenweise Schutt und befreiten das zugewachsene Bauwerk von wildwucherndem Gestrüpp. Ein besonders wichtiger Schritt zu seiner Rettung ist bereits gelungen: In der Halle konnte der gefährliche Hausschwamm beseitigt und die teilweise zersetzte Stützbalkenkonstruktion instandgesetzt werden.

Eichenlaub unter maroder Balkendecke. Ornamentale Muster dieser Art sind zur damaligen Zeit auch auf Meissener Porzellan nachweisbar.
Meißen, Jahnhalle © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Eichenlaub unter maroder Balkendecke. Ornamentale Muster dieser Art sind zur damaligen Zeit auch auf Meissener Porzellan nachweisbar.

Aber noch überwiegen die baulichen Probleme. Besonders große Sorgen bereitet das undichte Dach. Eindringendes Regenwasser durchfeuchtet Balken und Dielen. „Das Wasser findet immer wieder unergründliche Wege bis hinunter auf den Hallenboden“, so Quaas. Nach und nach kommt die Bürgerstiftung ihrem Ziel näher, das Denkmal zu einem Quartierszentrum zu entwickeln, das schon jetzt im Prozess der Entstehung gesellschaftlichen Zusammenhalt stiftet.


Gleich von Beginn an wurde die Meißener Bevölkerung in die Planungen einbezogen. Workshops wurden veranstaltet, die Bedürfnisse von Kindergärten, Schulen und Senioreneinrichtungen erfragt. „Damit das Denkmal eine nachhaltige Nutzung erfährt, darf sie nicht aufgesetzt sein,“ erklärt Ina Heß. Ergebnis der Befragung ist ein multifunktionales Konzept. Ohne in die historische Raumaufteilung einzugreifen, wird in der Halle ein großer Bewegungsraum mit Kletterelementen und Turngeräten eingerichtet und auf der Galerie ein Café. Der Anbau soll eine Wohnung beherbergen und Räume zum Arbeiten und für Veranstaltungen.

Von Verfall und Verwahrlosung gezeichnet: Die 1895 errichtete Jahnhalle befindet sich in einem besorgniserregenden Zustand.
Meißen, Jahnhalle © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Von Verfall und Verwahrlosung gezeichnet: Die 1895 errichtete Jahnhalle befindet sich in einem besorgniserregenden Zustand.

Die Bürgerstiftung rettete die Jahnhalle, deren Geschichte eng mit der berühmten Meißener Porzellanmanufaktur verknüpft ist, vor dem drohenden Abriss. Bald soll der Jugendstilbau ein neuer kulturell vielfältiger und gemeinnütziger Höhepunkt in der Stadt werden. Aber für die notwendige Sanierung der Dachkonstruktion fehlen noch mehr als 50.000 Euro. Helfen Sie mit, dieses Generationen verbindende Denkmal zu bewahren! Dann könnte ein Traum von Ina Heß in Erfüllung gehen: „Bei einem Stück Kuchen, nach dem Yoga oder Herzsport, werden die Eltern und Großeltern auf der restaurierten Galerie sitzen und ihren Kindern und Enkelkindern beim Turnen zuschauen.”


Amelie Seck


Erleben Sie die Jahnhalle im Video anlässlich des Tags des offenen Denkmals 2020! (Externer Link auf www.youtube.com, bitte Datenschutzhinweise beachten)

Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende, die Jahnhalle in Meißen zu erhalten.

Auch kleinste Beträge zählen!

Die ehemalige Turnhalle soll bald wieder ein Ort werden, an dem sich Jung und Alt zum Sport trifft.
Meißen, Jahnhalle © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Die ehemalige Turnhalle soll bald wieder ein Ort werden, an dem sich Jung und Alt zum Sport trifft.
 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

  • Eine vollautomatische Welte-Orgel soll wieder ertönen 23.01.2020 Klang aus tausend Löchern Klang aus tausend Löchern

    Klang aus tausend Löchern

    Im sächsichen Gornsdorf steht in der Villa Weilbach die vermutlich einzige am Originalstandort und fast komplett erhaltene automatische Philharmonie-Orgel.

  • Seit 20 Jahren gibt es Treuhandstiftungen in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz 08.11.2012 Liebe auf den ersten Blick Liebe auf den ersten Blick

    Liebe auf den ersten Blick

    Ein Artikel in Monumente war der Auslöser: In der Oktober-Ausgabe 1993 lasen Renate und Heinz Wiedemann von der Möglichkeit, eine Art Pflegeversicherung für Denkmale abzuschließen. Die Erträgnisse aus einer treuhänderischen Stiftung unter dem Dach der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sollten für kontinuierliche Maßnahmen zur Erhaltung einer Kirche oder eines anderen historischen Bauwerks eingesetzt werden. Sie hatten gerade eine unverhoffte Erbschaft gemacht und errichteten am 13. April 1994 die Heinz und Renate Wiedemann-Stiftung.

  • Die freiheitliche Geisteshaltung der Ernestiner prägte Europa 13.01.2016 Wohlstand durch Bildung Wohlstand durch Bildung

    Wohlstand durch Bildung

    Machtpolitisch sind die Ernestiner in Deutschland und Europa kaum in Erscheinung getreten. Mit ihren Idealen haben sie jedoch unsere heutige Gesellschaft grundlegend geprägt. 2016 widmet sich eine Thüringer Landesausstellung der Dynastie.

Service

Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


 
 
Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


1
Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland
2
Monumente Abo



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


3

Newsletter

Lassen Sie sich per E-Mail informieren,

wenn eine neue Ausgabe von Monumente

Online erscheint.

Spenden für Denkmale

Auch kleinste Beträge zählen!

 
 
 
 
0 Kommentare

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar!

Antwort auf:  Direkt auf das Thema antworten

 
 

© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn